Wie organische Moleküle im All entstehen
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik astronews.com
10. April 2014
Seit April 2014 gibt es am Max-Planck-Institut für
extraterrestrische Physik eine neue Forschergruppe, die sich speziell mit
interstellaren Molekülen befasst. Im "Zentrum für astrochemische Studien" wollen
Theoretiker, Beobachter und Laborwissenschaftler gemeinsam versuchen, die
Entstehung von organischen Molekülen im Weltraum zu enträtseln.

Beobachtung einer eindeutigen Signatur von
Wasser im prästellaren Kern L1544 im Sternbild
Stier.
Bild: ESA / Herschel /SPIRE / HIFI /
Caselli et al. |
Warum sind wir hier? Dies ist wahrscheinlich eine der faszinierendsten Fragen
nicht nur in der Astrophysik. Im Laufe der letzten Jahrzehnte haben Astronomen
einige Fortschritte dabei gemacht, zumindest bestimmte Aspekte der Entstehung
von Planeten und Sternen, wie unserer Sonne, besser zu verstehen: Sterne und
Planeten entstehen aus einer Wolke aus Gas und Staub. Diese verdichtet sich, ein
Protostern und eine protoplanetare Scheibe bilden sich und schließlich wird ein
Planetensystem geboren, das sogar einen Planet in der sogenannten habitablen
Zone einschließen könnte, in der flüssiges Wasser existieren kann.
"Mit den IRAM-Teleskopen, dem Herschel Weltraumobservatorium, ALMA
oder anderen Teleskopen gibt es inzwischen sehr beeindruckende Beobachtungen von
Staubwolken und Sternentstehungsregionen in unserer Milchstraße, die uns viel
sowohl über die frühen als auch die späten Stadien der Sternentstehung
verraten", erklärt Paola Caselli, Direktorin am Max-Planck-Institut für
extraterrestrische Physik (MPE). "Darüber hinaus haben wir anspruchsvolle
theoretische Modelle für die physikalischen Prozesse und die dynamischen
Vorgänge in den Wolken, sowie Labormessungen von Molekülen, die uns als
Beobachtungswerkzeug dienen und die gleichzeitig die Bausteine des Lebens
darstellen. Unser Ziel ist es, dies alles an einem Ort zusammenzubringen:
Theorie, Beobachtung und Labor. Die jeweiligen Experten in jedem Feld können
voneinander lernen und alle haben das gemeinsame Ziel besser zu verstehen, wie
Sternsysteme entstehen und wie sich die chemische Komplexität während dieses
Prozesses der Stern- und Planetenentstehung entwickelt."
Vor der Geburt eines Sterns sind die Molekülwolken sehr kalt; sie haben eine
Temperatur von nur wenigen Grad über dem absoluten Nullpunkt. Deshalb kann man
sie nicht im optischen Licht beobachten - sie sind dunkel. Doch selbst bei
diesen niedrigen Temperaturen rotieren die Moleküle und emittieren dabei
Photonen geringer Energie bei Radiowellenlängen. Damit können die Astronomen
durch Beobachtungen bei niedrigen Energien Informationen über die
Anfangsbedingungen erhalten, unter denen sich Sterne und Planeten bilden.
Gleichzeitig können sie untersuchen, wie sich diese interstellaren
(größtenteils organischen) Moleküle bilden und wie sie zerstört werden.
Theoretische Modelle werden entwickelt, um die Evolution von Staubteilchen und
einfachen Molekülen unter dem Einfluss der Schwerkraft und unter
Berücksichtigung von Magnetfeldern und Turbulenz nachzuverfolgen. Die
Herausforderung für die Astronomen liegt dabei darin, das richtige Molekül für
die Beobachtung zu finden.
"Dank der Astrochemie können wir die passenden Moleküle finden und sie als
einzigartige Werkzeuge einsetzen, um die dynamische Entwicklung der
interstellaren Materie zu untersuchen: von dünnen Wolken, über Sterne und
Planeten bis hin zu Festkörpern wie Kometen und Meteoriten. Einige der
interstellaren Moleküle sind gut bekannt, viele müssen wir aber erst noch
genauer erforschen, da sie auf der Erde nicht so einfach produziert werden",
führt Caselli aus. "Deshalb brauchen wir also auch ein Laborteam, das diese noch
unbekannten interstellaren Moleküle herstellen und untersuchen kann. Damit
können deren Spektren in Beobachtungen identifiziert und die astrochemischen und
astrophysikalischen Theorien besser eingeschränkt werden."
Das neue "Zentrum für astrochemische Studien am MPE" oder CAS@MPE wird daher
Theoretiker, Beobachter und Laborwissenschaftler an einem Ort zusammenbringen,
um die Moleküle und Molekülwolken zu untersuchen, die die Geburtsorte von
Sternsystemen wie dem unseren sind.
Eine zusätzliche Komplikation stellt der Staub dar. Interstellare Staubkörner
sind riesig im Vergleich zu den Molekülen, auch wenn sie für uns sehr klein
scheinen (etwa 1000-mal kleiner als die durchschnittliche Dicke eines
menschlichen Haares). Und die Moleküle reichen von einfachen, aus ein paar
Atomen bestehenden Verbindungen wie etwa Wasser bis hin zu komplexen Molekülen,
wie Methanol, Glykolaldehyd (der einfachste Zucker) oder Amino-Acetonitril (ein
Vorläufer von Glycin, der einfachsten Aminosäure). Derartige präbiotische
Moleküle hat man im Innern von Kometen und Meteoriten in unserem Sonnensystem
gefunden - es bleibt aber die Frage, woher sie stammen.
Moleküle können sich sowohl im interstellaren Gas bilden und sich dann auf
der Oberfläche der Staubkörnchen anlagern oder sich direkt auf der
Stauboberfläche bilden und dann verdampfen und in die Gasphase zurückkehren. Im
Endeffekt erhalten die Staubteilchen in kalten Regionen im All aufgrund dieser
Wechselwirkungen eine Eisschicht, die hauptsächlich aus Wassereis besteht,
gemischt mit einfachen organischen Molekülen.
Dieser Eismantel ändert sowohl das Verhalten des Staubes (so bleiben
Staubteilchen beispielsweise leichter aneinander haften - der erste Schritt zur
Planetenentstehung) als auch die des Gases, da nur bestimmte Moleküle ein
Ausfrieren vermeiden können und daher in der Gasphase angereichert werden.
Gleichzeitig bedeutet dies aber auch, dass große Mengen von Wasser und Eis
mitsamt den organischen Molekülen konserviert werden und in späteren Phasen
während der Bildung der Planetensysteme zur Verfügung stehen.
"Wenn wir all dieses Know-How von der Theorie, aus dem Labor und von
Beobachtungen zusammenbringen und uns auf bestimmte Phasen der Sternentstehung
konzentrieren, können wir die Lücken zwischen den verschiedenen Stufen schließen
und die Entstehung von Sternen und Planeten sowie die Evolution der chemischen
Komplexität im Laufe der Zeit nachverfolgen", ist Caselli zuversichtlich. Wenn
schließlich auch Astrobiologen mit an Bord kommen, könnte dies sogar dazu
beitragen, die menschliche Suche nach dem Ursprung des Lebens einen großen
Schritt voranzutreiben.
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