Neues Institut stellt Quantentechnologie in den Fokus
Redaktion
/ Pressemitteilung des DLR astronews.com
1. Juni 2022
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt hat ein neues
Institut: Am Montag wurde das DLR-Institut für Satellitengeodäsie und
Inertialsensorik in Hannover und Bremen offiziell eröffnet. Es soll
hauptsächlich Quantentechnologien erforschen, die etwa in der Raumfahrt,
Erdbeobachtung, Navigation und Sensorik zum Einsatz kommen könnten.
Bose-Einstein-Kondensat im Cold Atoms Lab
(Illustration). DLR und NASA wollen im Rahmen des
Projekts BECCAL Bose-Einstein-Kondensate unter
Schwerelosigkeit im Cold Atoms Lab auf der
Internationalen Raumstation ISS untersuchen.
Bild: NASA [Großansicht] |
Zentimetergenaue Navigation, ein abhörsicheres Internet oder autonome
Steuerung von Fahrzeugen ohne Funkverbindung – das versprechen neuartige
Instrumente auf Basis quantenmechanischer Verfahren und Methoden. Das Institut
für Satellitengeodäsie und Inertialsensorik des Deutschen Zentrums für Luft- und
Raumfahrt (DLR) in Hannover entwickelt solche Technologien. Am 30. Mai 2022
wurde das Institut offiziell eröffnet. Zukünftig sollen rund 100 Mitarbeitende
in sechs Abteilungen an den Standorten Hannover und Bremen tätig sein.
"Quantentechnologien werden die Welt dramatisch verändern", sagte Prof. Anke
Kaysser-Pyzalla, Vorstandsvorsitzende des DLR anlässlich der Eröffnung. "Mit
satellitengestützter Satellitengeodäsie und der Inertialsensorik, wird es uns
zukünftig möglich sein, den Klimawandel zu beobachten, Masseveränderungen der
Eismassen zu vermessen und Rückschlüsse auf den Haushalt des Grundwassers zu
ziehen."
Die Lösung gesellschaftsrelevanter Herausforderungen wie Klimawandel,
Wasserressourcen, Energieversorgung, Digitalisierung, zukünftige Mobilität und
Sicherheit wird, so das DLR in einer Pressemitteilung, von den Innovationen der
Quantentechnologie und Quantensensorik profitieren. Dasselbe gelte für
zukünftige Raumfahrtmissionen. So würden die Quantenmetrologie und die mit ihr
eng verbundene Quantensensorik neue Präzisionsstandards setzen und neue
Anwendungsfelder erschließen, deren Potenzial heute beispielsweise für
zukünftige autonome Systeme noch nicht absehbar ist. Mit Quantentechnologie
modernisierte Satelliten sowie innovative neue Satellitenkonzepte sollten um
Größenordnungen leistungsfähiger als die aktuelle Generation sein.
Mit der Gründung des DLR-Instituts für Satellitengeodäsie und
Inertialsensorik im Sommer 2019 hat sich das DLR eine gute Position geschaffen,
um diese Entwicklung für die Lösung gesellschaftlicher Fragen auch dank eines
aktiven Technologietransfers für den Wirtschaftsstandort Deutschland mit zu
steuern. Eingebettet in ein renommiertes wissenschaftliches und
infrastrukturelles Umfeld in Hannover und Bremen, wird das DLR den Transfer aus
der hier stark vertretenen quantentechnologischen Grundlagenforschung in
innovative Anwendung gemeinsam mit der Industrie gestalten.
Auch für die satellitengestützte Erdbeobachtung, Kommunikation und Navigation
bietet die Quantensensorik ein großes Potenzial. Quanteneigenschaften (wie die
quantenmechanische Verschränkung und das Superpositionsprinzip oder Methoden der
Materiewellen-Interferometrie) ermöglichen die Entwicklung von neuartigen, hoch
empfindlichen und sichereren Sensoren.
Quantensensorik basierend auf der Materiewellen-Interferometrie ermöglicht,
Rotation und Beschleunigung mit beispielloser Langzeitstabilität zu messen und
kann beispielsweise zur Flugstabilisierung und -navigation eingesetzt werden.
Eine Weiterentwicklung dieser Technologie verspricht zukünftige hochpräzise
Lageregelung von Satelliten, zur Abstandsregelung bei Formationsflügen eines
Satellitenschwarms oder auch zur präzisen Schwerefeldvermessung der Erde oder
anderer Himmelskörper.
Sogenannte optische Atomuhren mit lasergekühlten Quantengasen bieten um
Größenordnungen höhere Genauigkeit für zukünftige raum-zeitliche terrestrische
und weltraumbasierte Navigationssysteme. Zu den neuen Möglichkeiten zählen unter
anderem relativistische Geodäsie (global geodätische Höhenprofile mit
Genauigkeit im Zentimeter-Bereich), ein sicheres Internet und komplexe Netzwerk-Topologien.
Eine anstehende Mission des Instituts ist das Experiment BECCAL
(Bose-Einstein-Condensate & Cold Atom Laboratory), dass 2026 auf die
Internationale Raumstation ISS gebracht werden soll. BECCAL ist ein gemeinsames
Projekt mit der NASA. Dieses Projekt, bei dem internationale Forschungsgruppen
vielfältige Experimente in Schwerelosigkeit durchführen werden, ist gleichzeitig
auch eine Demonstrationsmission, die die Reife und die Möglichkeiten dieser
Technologie zeigen wird.
Das Land Niedersachsen hat im Vorfeld der Gründung zwei Millionen Euro in die
Aufbauplanung des Instituts investiert und für den Aufbau des Instituts
insgesamt weitere 17 Millionen Euro bewilligt. Zukünftig wird das Institut mit
jährlich zehn Millionen Euro aus Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft
und Klimaschutz, 890.000 Euro aus Mitteln des Landes Niedersachsen sowie 220.000
Euro aus Mitteln des Landes Bremen finanziert.
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