Der Unterschied zwischen scheinbar ähnlichen Staubwolken
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astronomie astronews.com
17. Mai 2022
Mithilfe von Zehntausenden von Sternen, die von der
Raumsonde Gaia beobachtet wurden, konnte nun die 3D-Gestalt zweier
großer sternbildender Molekülwolken ermittelt werden. Diese sind sich offenbar
weniger ähnlich, als sie auf zweidimensionalen Ansichten erscheinen. Dies dürfte
erklären, warum die Sternentstehungsintensität in den Wolken so unterschiedlich
ist.
Die Gestalt der Kalifornien- (oben) und der
Orion-A-Wolke aus zwei verschiedenen Perspektiven
bei einer räumlichen Auflösung von 15
Lichtjahren. Die Farben zeigen die Dichte an,
wobei rote Farben für höhere Werte stehen. Die
Bilder basieren auf den 3D-Rekonstruktion aus der
neuen Studie.
Bild: Rezaei Khoshbakht & Kainulainen
(2022) / MPIA [Großansicht] |
Kosmische Gas- und Staubwolken sind die Geburtsstätten von Sternen. Die
Sterne bilden sich in den dichtesten Bereichen dieser Wolken, wo die
Temperaturen bis nahe an den absoluten Nullpunkt sinken und das dicht gepackte
Gas unter seiner eigenen Masse kollabiert und schließlich ein Stern entsteht.
"Die Dichte, also die Menge an Materie, die in einem bestimmten Volumen
komprimiert ist, ist eine der entscheidenden Eigenschaften, die die Effizienz
der Sternentstehung bestimmt", weiß Sara Rezaei Khoshbakht, Astronomin am
Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) in Heidelberg.
In einer jetzt veröffentlichten Pilotstudie hat die Astronomin zusammen mit
Jouni Kainulainen eine Methode angewandt, mit der die 3D-Morphologie von
Molekülwolken in zwei riesigen Sternentstehungswolken rekonstruiert werden
konnte. Kainulainen ist Wissenschaftler an der Technischen Hochschule Chalmers
in Göteborg. Früher war er auch am MPIA tätig. Ziel der Untersuchung waren die
Orion-A-Wolke und die Kalifornien-Wolke.
Normalerweise ist es schwierig, die Dichte in Wolken zu messen. "Alles, was
wir sehen, wenn wir Objekte im Weltraum beobachten, ist ihre zweidimensionale
Projektion auf einer vermeintlichen Himmelsphäre", erklärt Kainulainen. Er ist
Experte für die Interpretation des Einflusses kosmischer Materie auf das
Sternenlicht und die Berechnung von Dichten aus solchen Daten. Kainulainen fügt
hinzu: "Herkömmlichen Beobachtungen fehlt es an der nötigen Tiefe. Daher ist die
einzige Dichte, die wir normalerweise aus solchen Daten ableiten können, die
sogenannte Säulendichte."
Die Säulendichte ist die entlang einer Sichtlinie aufsummierten
Materieteilchen geteilt durch den projizierten Querschnitt. Daher spiegeln diese
Säulendichten nicht unbedingt die tatsächlichen Dichten von Molekülwolken wider,
was problematisch ist, wenn man Wolkeneigenschaften mit der
Sternentstehungsaktivität in Verbindung setzt. Das zeigte sich auch bei den in
der aktuellen Studie untersuchten Wolken, die auf Aufnahmen, die die thermische
Staubemission zeigen, ähnliche Strukturen und Dichten aufweisen. Ihre sehr
unterschiedlichen Sternentstehungsraten geben Astronomen und Astronominnen
jedoch seit vielen Jahren Rätsel auf.
Die neue 3D-Rekonstruktion zeigt nun, dass sich diese beiden Wolken gar nicht
so ähnlich sind. Trotz des filamentartigen Aussehens auf den 2D-Bildern ist die
Kalifornien-Wolke eine flache, fast 500 Lichtjahre lange Materialschicht mit
einer großen Blase, die sich darunter erstreckt. Daher kann man der
Kalifornien-Wolke nicht nur eine einzige Entfernung zuordnen, was erhebliche
Auswirkungen auf die Interpretation ihrer Eigenschaften hat. Aus unserer
Perspektive von der Erde aus gesehen ist die Kalifornien-Wolke fast exakt zur
Kante hin ausgerichtet, was eine filamentartige Struktur nur vortäuscht.
Infolgedessen ist die tatsächliche Dichte der Wolke viel geringer, als die
Säulendichte vermuten lässt, was die Diskrepanz zwischen den früheren
Dichteschätzungen und der Sternentstehungsrate der Wolke erklärt.
Und wie sieht die Orion-A-Wolke in 3D aus? Das Team bestätigte die dichte
filamentartige Struktur, die auf den 2D-Bildern zu sehen war. Die tatsächliche
Morphologie der Wolke unterscheidet sich jedoch auch von dem, was wir in 2D
sehen. Orion A ist ziemlich komplex, mit zusätzlichen Verdichtungen entlang des
markanten Gas- und Staubgrats. Im Durchschnitt ist Orion A viel dichter als die
Kalifornien-Wolke, was ihre ausgeprägtere Sternentstehungsaktivität erklärt.
Rezaei Khoshbakht, die ebenfalls in Chalmers tätig ist, entwickelte die
3D-Rekonstruktionsmethode während ihrer Doktorarbeit am MPIA. Dabei wird die
Veränderung des Sternenlichts beim Durchqueren dieser Gas- und Staubwolken
analysiert, das von der Raumsonde Gaia und anderen Teleskopen gemessen
wurde. Gaia ist ein Projekt der Europäischen Weltraumorganisation (ESA), dessen
Hauptzweck darin besteht, die Entfernungen zu über einer Milliarde Sternen in
der Milchstraße genau zu vermessen. Diese Entfernungen sind entscheidend für die
3D-Rekonstruktionsmethode.
"Wir haben das Licht von 160.000 bzw. 60.000 Sternen für die
Kalifornien-Wolke und die Orion A-Wolke analysiert und miteinander kombiniert",
erklärt sie. Die beiden Forschenden rekonstruierten die Wolkenstrukturen und
-dichten mit einer Auflösung von nur 15 Lichtjahren. "Dies ist nicht der einzige
Ansatz, den Astronomen und Astronominnen verwenden, um räumliche
Wolkenstrukturen zu bestimmen", fügt Rezaei Khosbakht hinzu. "Aber unsere
Methode liefert robuste und zuverlässige Ergebnisse ohne numerische Artefakte."
"Ich denke, ein wichtiges Ergebnis dieser Arbeit ist, dass sie Studien
infrage stellt, die sich ausschließlich auf Werte für die Säulendichte
verlassen, um Eigenschaften der Sternentstehung abzuleiten und sie miteinander
zu vergleichen", so Rezaei Khoshbakht. Die Arbeit ist jedoch nur ein erster
Schritt zu dem, was die Astronomin und der Astronom erreichen wollen: Rezaei
Khoshbakht verfolgt ein Projekt, das letztendlich die räumliche Verteilung des
Staubs in der gesamten Milchstraße ermitteln und ihre Verbindung zur
Sternentstehung aufklären soll.
Über ihre Studie berichten Rezaei Khoshbakht und Kainulainen in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift The Astrophysical Journal Letters erschienen ist.
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