Seltene Verschmelzung zweier Weißer Zwerge?
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Tübingen astronews.com
15. Februar 2022
Mithilfe des Large Binocular Telescope haben
Astronominnen und Astronomen eigentümliche Sterne entdeckt, die durch die
Verschmelzung zweier Weißer Zwerge entstanden sein könnten. Das Team hatte nach
heißen Sternen gesucht, um die Endphasen der Sternentwicklung besser zu
verstehen und war dabei auf die ungewöhnlichen Objekte gestoßen.
So wie in dieser künstlerischen Darstellung
könnte die Verschmelzung zweier Weißer
Zwergsterne aussehen.
Bild: Nicole Reindl, Universität Potsdam [Großansicht] |
Astronominnen und Astronomen der Universitäten Tübingen und Potsdam haben
einen neuen Typ Sterne entdeckt: Auf der Jagd nach "heißen Sternen" mit dem
Large Binocular Telescope in Arizona stieß das Team auf Sterne mit
ungewöhnlichen Eigenschaften: Während normale Sternoberflächen aus Wasserstoff
und Helium bestehen, sind die Sterne, die unter Leitung von Professor Klaus
Werner von der Universität Tübingen gefunden wurden, mit Kohlenstoff und
Sauerstoff bedeckt, der Asche einer Helium-Kernfusion. Die exotische
Zusammensetzung ist umso rätselhafter, weil Temperaturen und Durchmesser der
Sterne anzeigen, dass in ihrem Inneren weiterhin Heliumkerne fusionieren.
Der typische Lebenszyklus eines Sterns wie unserer Sonne beginnt mit der
Kernfusion von Wasserstoff zu Helium. Danach setzt tief im Sterninneren eine
Kernreaktion ein, die Helium in Kohlenstoff und Sauerstoff umwandelt: Der Stern
"stirbt" im Laufe von Millionen Jahren und schrumpft zu einem sogenannten Weißen
Zwerg. "Von Sternen mit der chemischen Oberflächenzusammensetzung der entdeckten
Sterne erwarten wir normalerweise, dass sie die Heliumfusion im Zentrum beendet
haben und sich kurz vor dem Endstadium ihrer Entwicklung zum Weißen Zwerg
befinden", erklärt Werner.
Bekannt ist, dass es Sterne gibt, die statt durch Wasserstoff mit Kohlenstoff
und Sauerstoff bedeckt sind. Als Ursache dafür vermutet man ein
explosionsartiges Wiedereinsetzen der Heliumfusion, die dann die Brennasche –
Kohlenstoff und Sauerstoff – an die Oberfläche bringt. "Dieses Ereignis kann
jedoch nicht die neu entdeckten Sterne erklären. Sie haben größere Radien und
führen die Heliumfusion friedlich in ihrem Zentrum aus," so Werner.
Eine mögliche Erklärung zur Entstehung dieser untypischen Sterne liefert eine
parallel entstandene Studie eines Teams der Universität von La Plata in
Argentinien unter Leitung von Marcelo Miller Bertolami. "Wir glauben, dass die
Sterne, die unsere deutschen Kollegen entdeckt haben, durch eine sehr seltene
Art von Verschmelzung zweier Weißer Zwerge entstanden sind", sagt Miller
Bertolami.
Die Verschmelzung Weißer Zwerge in engen Doppelsternsystemen kann vorkommen,
weil der Abstand ihrer Umlaufbahnen durch die Emission von Gravitationswellen
ständig abnimmt. "Dies führt normalerweise nicht zur Entstehung eines Sterns,
der mit Kohlenstoff und Sauerstoff angereichert ist", erklärt Nicole Reindl von
der Universität Potsdam. "Wir glauben jedoch, dass in Doppelsternsystemen mit
sehr spezifischen Sternmassen ein Weißer Zwerg mit einem
Kohlenstoff-Sauerstoffkern durch Gezeitenkräfte zerrissen werden kann. Sein
Material wird dann auf der Oberfläche seines Weißen-Zwerg-Begleiters abgeladen
und führt so zur Entstehung dieser exotischen Sterne." Zur vollständigen
Erklärung des vorgefundenen Phänomens brauche es allerdings noch genauere
Entwicklungsmodelle.
Die Sterne wurden im Rahmen eines großangelegten Suchprogramms gefunden, in
dem Forschende kurzlebige, heiße Sterne aufspüren, um die Endphasen der
Sternentwicklung besser zu verstehen. Dabei werden die Spektren der Sterne
erfasst und analysiert, beispielsweise um die chemische Zusammensetzung zu
bestimmen. Da diese Sterne wenig Leuchtkraft haben, sind dafür große optische
Teleskope nötig. Das größte, das zur neuen Entdeckung beitrug, ist das Large
Binocular Telescope in Arizona, bestehend aus zwei großen Hauptspiegeln von
je 8,4 Meter Durchmesser.
Über die Beobachtungen berichtet das Team in einem Fachartikel, der in
der Zeitschrift Monthly Notices of the Royal Astronomical Society
publiziert wurde. Dort ist auch der begleitende Artikel zur Entstehung des
ungewöhnlichen Objekts erschienen.
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