Blick auf die Erde in mehr als allen Farben
Redaktion
/ Pressemitteilung des DLR astronews.com
4. Februar 2022
Der deutsche Umweltsatellit EnMAP soll noch in diesem Monat
nach Florida geflogen und voraussichtlich Anfang April 2022 vom Kennedy Space
Center der NASA aus in eine Erdumlaufbahn starten. Von EnMAP erhofft sich die
Wissenschaft einen ganz neuen Blick auf die Erde, der bislang nur von Bord von
Flugzeugen aus möglich war.
Noch befindet sich der deutsche
Umweltsatellit EnMAP in einem Reinraum der
OHB-Systems AG in Bremen. Ende Februar soll er in
die USA transportiert werden.
Foto: OHB / H. von der Fecht [Großansicht] |
Noch steht der deutsche Umweltsatellit EnMAP (Environmental Mapping and
Analysis Program), der erste in Deutschland entwickelte und gebaute
Hyperspektralsatellit, in einer Reinraumhalle in Bremen. Letzte Arbeiten werden
durchgeführt, man ist auf der Zielgeraden. Wenn alles planmäßig läuft, soll der
neue deutsche Umweltsatellit Ende Februar 2022 mit einem Iljuschin Il-76
Transportflugzeug zum Weltraumbahnhof der NASA nach Florida gebracht werden. Von
dort soll EnMAP voraussichtlich Anfang April 2022 an Bord einer Falcon-9-Rakete
des US-Raumfahrtkonzerns SpaceX zu seinem Zielorbit aufbrechen.
Der Hyperspektralsatellit soll mindestens fünf Jahre lang Daten über den
Zustand unseres Heimatplaneten erheben. Aus rund 650 Kilometer Höhe wird EnMAP
unsere Erde fest im Blick behalten und mit einzigartigen Aufnahmen aus dem
Weltraum unseren Planeten in "mehr als allen Farben" aufnehmen. Dafür analysiert
er die von der Erdoberfläche reflektierte Sonnenstrahlung. Seine spektral
hochauflösenden Aufnahmen können eine wichtige Rolle im Kampf gegen Klimawandel
und Umweltzerstörung spielen und wertvolle Hinweise für Gegenmaßnahmen liefern.
Die Mission wird von der Deutschen Raumfahrtagentur im Deutschen Zentrum für
Luft- und Raumfahrt (DLR) in Bonn im Auftrag des Bundesministeriums für
Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) geführt.
"Deutschland ist bei der Erdbeobachtung weltweit führend - das beweist der
heutige Tag einmal mehr. Dank der innovativen Hyperspektral-Sensorik von EnMAP
lässt sich die Erde zukünftig in einer noch nie dagewesenen Detailtiefe
beobachten", erläutert Dr. Anna Christmann, Koordinatorin der Bundesregierung
für die Luft- und Raumfahrt, und ergänzt: "Mit Daten aus dem All können wir
unseren Planeten schützen. EnMAP wird uns dabei helfen, die globale Landnutzung
nachhaltig zu gestalten, die Folgen des Klimawandels aufzuzeigen und der
fortschreitenden Umweltzerstörung entgegenzuwirken. Der Satellit ist ein
hervorragendes Beispiel dafür, wie modernste Raumfahrttechnik zum Wohle der
Menschheit und der Umwelt eingesetzt werden kann."
Unsere Erde verändert sich ständig. Satelliten sind ein wichtiges Werkzeug,
um den Klimawandel und andere Wechsel zu registrieren und zu dokumentieren.
Beispiel "Precision Farming": Hier kann EnMAP dazu beitragen, die Nährstoff- und
Wasserversorgung der Pflanzen sowie Bodeneigenschaften präzise zu bestimmen. Das
kann beim Thema globale Ernährungssicherheit helfen, aber auch bei Fragen von
nachhaltigem Rohstoffabbau und -lagerung.
"Die Spektrometer von EnMAP basieren auf Technologien für die Erdbeobachtung,
die seit Jahren in Deutschland erfolgreich entwickelt und eingesetzt werden.
Diese lassen uns die Erde mit anderen Augen sehen", betont Prof. Anke
Kaysser-Pyzalla, die Vorstandsvorsitzende des DLR. "Die Daten, die EnMAP liefern
wird, eröffnen Wissenschaftlern neue Möglichkeiten. Insbesondere beziehen sich
diese unter anderem auf das Überwachen des globalen Ökosystems, das Monitoring
und die Suche nach Ressourcen, sowie eine Verbesserung der Reaktion auf
humanitäre Krisen. Das Management solcher anspruchsvollen Missionen, der
wissenschaftliche Umgang mit Daten, deren Bearbeitung und Auswertung, sowie in
der Missionskontrolle, demonstrieren die vielfältigen und interdisziplinären
Fähigkeiten des DLR als nationales Forschungszentrum für Luft- und Raumfahrt."
"EnMAP hat für uns technologische, wissenschaftliche und industriepolitische
Zielstellungen: Er ist unser Wegbereiter für die hyperspektrale Fernerkundung,
eine Sensorik, die bisher nur vom Flugzeug aus eingesetzt wurde", unterstreicht
Dr. Walther Pelzer, DLR-Vorstandsmitglied und Leiter der Deutschen
Raumfahrtagentur im DLR in Bonn. "Wir setzen diese Technologie nun erstmals für
eine operationelle Satellitenmission ein. Wir 'messen' zum Beispiel wirklich
quantitativ die Zusammensetzung von Bestandteilen der Erdoberfläche - also die
stoffliche Zusammensetzung, das funktioniert nur mit hyperspektraler
Fernerkundung. EnMAP hat zudem mehr als 220 Farbkanäle, die aus 650 Kilometer
Höhe eine Auflösung von 30 Metern am Boden erreichen können. Zum Vergleich: Ein
handelsüblicher Fotoapparat hat eine dreikanalige Kamera."
Die NASA bereite ebenfalls eine Hyperspektralmission vor und tausche sich mit
den deutschen Experten aus, so Pelzer weiter. Auf europäischer Ebene werde diese
in Deutschland entwickelte und gebaute Technologie in den künftigen
Copernicus-Missionen Anwendung finden. Mit der Entwicklung und dem Bau des
Satelliten sowie des Hyperspektralinstrumentes wurde die OHB-System AG
beauftragt.
EnMAP wurde als wissenschaftliche Mission entwickelt und stellt daher primär
Wissenschaftlern und Entwicklern aus Forschung und Unternehmen Daten zur
Verfügung. Klassische Anwendungsgebiete sind hier Forst- und Landwirtschaft,
Geologie und Böden, sowie Wassermanagement und Detektion von
Umweltverschmutzung. Aber auch aus der Atmosphären- und Treibhausgasforschung
gibt es ein klares Interesse an den EnMAP-Daten. Das Anwendungsspektrum der
Daten ist sehr breit.
Die wissenschaftliche Leitung der EnMAP-Mission liegt beim
GeoForschungszentrums Potsdam (GFZ)."Der Start des Satelliten markiert einen
Meilenstein in der GFZ-Geschichte", sagt der Direktor des GFZ-Departments
"Geodäsie", Prof. Harald Schuh. "Die Kolleginnen und Kollegen arbeiten seit
vielen Jahren gemeinsam mit der internationalen EnMAP Science Advisory Group am
Forschungsprogramm der Mission." Das Potsdamer Team koordiniert auch das
umfangreiche EnMAP-PI-Projekt zur wissenschaftlichen Nutzungsvorbereitung und
Unterstützung. Es wird gemeinsam mit den Partnerinstitutionen
Humboldt-Universität Berlin, Universität Greifswald, AWI Bremerhaven und
Ludwig-Maximilians-Universität München getragen.
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