Deutscher Umweltsatellit bereit für den Start
Redaktion
/ Pressemitteilung des DLR astronews.com
20. Dezember 2021
Der deutsche Satellit EnMAP soll im Frühjahr des kommenden
Jahres starten und dann für mindestens fünf Jahre wichtige Umweltdaten aus 640
Kilometer Höhe zur Erde funken. Besonders im Blick haben wird der Satellit den
Klimawandel und dessen Auswirkungen auf die Ökosysteme der Erde. Letzte Tests
hat EnMAP nun mit Bravour bestanden.
Der deutsche Umweltsatellit EnMAP im Orbit
(künstlerische Darstellung).
Bild: OHB System AG / DLR [Großansicht] |
Der deutsche Umweltsatellit EnMAP, der im Auftrag der Deutschen
Raumfahrtagentur im DLR mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und
Klimaschutz (BMWi) in Deutschland entwickelt und gebaut und für seinen Einsatz
im All getestet wurde, ist bereit für seinen Start. "EnMAP hat als deutsche
Umweltmission vor allem den Klimawandel und seine Auswirkungen auf alle
Ökosysteme im Visier - zu Land wie zu Wasser. Auch Deutschland bleibt von diesen
Veränderungen nicht verschont. Gerade die Wälder sind hierzulande stark
betroffen, denn durch negative Umwelteinflüsse hat der 'Stress' für unseren Wald
zugenommen. Die Schäden werden bislang vor Ort durch die Forstbeamten
größtenteils visuell erhoben - eine Mammutaufgabe, denn 90 Milliarden Bäume
verteilen sich über eine Fläche von 11,4 Millionen Hektar", verdeutlicht Dr.
Walther Pelzer, DLR-Vorstand und Leiter der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR.
Ein Drittel der Fläche Deutschlands sind mit Wald bedeckt: "Hier kann EnMAP
helfen. Sein Hyperspektralinstrument wird mit 242 Kanälen auch die Waldgebiete
'abtasten' und so den Gesundheitszustand der Bäume und Pflanzen aus 640
Kilometern Höhe bestimmen", verdeutlicht Pelzer. Mit der EnMAP-Mission wolle
Deutschland einen wichtigen Beitrag zur globalen Überwachung von
Umweltveränderungen in der Land- und Forstwirtschaft, der Bodenkunde, Geologie
oder auch in der Erforschung der Küstengebiete und Inlandsgewässer leisten. Der
Satellit selbst wurde von der OHB System AG entwickelt und gebaut und von der
IABG mbH für seinen Einsatz im All getestet. Die wissenschaftliche Leitung der
Mission liegt beim Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ, ebenso wie das DLR ein
Helmholtz-Zentrum. Das Bodensegment wird durch das DLR in Oberpfaffenhofen
entwickelt.
EnMAP soll mit seinem präzisen Blick aus dem All helfen, Lösungen für die
Herausforderungen des Klimawandels zu finden. So ließe sich beispielsweise
künftig großflächig der Pflanzenstoffwechsel untersuchen und erkennen, welchen
Gebieten bestimmte Nährstoffe fehlen oder welche Luftschadstoffe den Pflanzen
zusetzen. "Durch die Informationen aus dem All können - trotz sich verändernder
Klima- und Umweltbedingungen - Wälder und Felder künftig ökonomisch besser und
ökologisch nachhaltiger bewirtschaftet werden. Deswegen werden nicht nur Forst-
sondern auch Landwirte stark von den EnMAP-Daten profitieren", erklärt Dr.
Sebastian Fischer, EnMAP-Projektleiter in der Deutschen Raumfahrtagentur.
Vom Gelände der OHB System AG in Bremen soll der Satellit Ende Februar 2022
mit einem Iljuschin Il-76 Transportflugzeug zum NASA-Raumflughafen Cape
Canaveral in Florida gebracht werden. Von dort soll EnMAP dann im April 2022 an
Bord einer Falcon-9-Rakete des US-Raumfahrtkonzerns SpaceX zu seinem Zielorbit
aufbrechen. EnMAP soll mindestens fünf Jahre lang Umweltdaten erheben.
"Um seinen Flug und den Aufenthalt im Weltraum unbeschadet zu überstehen,
musste EnMAP vorher auf Herz und Nieren getestet werden. Denn der 'Ritt' auf der
Rakete, extreme Temperaturschwankungen und die harte Strahlung im Weltraum
fordern den äußerst empfindlichen Instrumenten auf dem Satelliten einiges ab",
sagt Projektleiter Sebastian Fischer. Daher wurde der Satellit einer
mehrmonatigen Prüfkampagne im Raumfahrttestzentrum der IABG in Ottobrunn bei
München unterzogen. "Die Tests hat EnMAP mit Bravour gemeistert. Die Instrumente
und die gesamte Technik haben unter Extrembedingungen hervorragend
funktioniert."
Doch was ist das Besondere an EnMAP, wie funktioniert dieser Satellit? Alle
Materialien auf der Erdoberfläche reflektieren das Sonnenlicht in einer
charakteristischen Art und Weise, einer sogenannten Spektralsignatur. Diese
Signatur kann EnMAP mithilfe seines Messinstruments "lesen". Um aber
Verwechslungen mit anderen Elementen zu vermeiden, müssen diese Signaturen sehr
genau erkannt werden. Dies geschieht mithilfe von vielkanaligen Bildern,
sogenannten Hyperspektralbildern. Dieses Verfahren erlaubt somit die direkte
Identifikation der aufgezeichneten Materialien und deren Quantifizierung. Ein
Beispiel: man kann so nicht nur erkennen, welche Fruchtart auf einem Acker
angebaut wird, sondern auch, wie gut diese mit Nährstoffen versorgt ist. Auch
können Mineralien in Böden erkannt und quantifiziert werden.
EnMAP hat nicht nur die Landfläche im Visier. Das Hyperspektralinstrument
wird mit seinen zwei abbildenden Spektrometern einen Wellenlängenbereich von 420
bis 2450 Nanometer auch die Küstengebiete und Binnengewässer genau unter die
Lupe nehmen. Mit einer spektralen Auflösung von 6,5 Nanometern im sichtbaren und
nahinfraroten Bereich und bei zehn Nanometern im kurzwelligen Infrarotbereich
sieht EnMAP Details, die dem menschlichen Auge verborgen bleiben. Sein
Hyperspektralinstrument macht zum Beispiel Schadstoffe in Seen und
Küstengewässern sichtbar und lässt sie quantitativ genau bestimmen. Wo früher
aufwendig Wasserproben entnommen wurden, reicht künftig also ein Blick aus dem
All, um die Wasserqualität großflächig zu ermitteln.
Gleiches gilt für mineralische Proben, um zum Beispiel den Grad der
Bodenverschmutzung zu erheben. Das kann zum Beispiel nach Unglücken in
Chemiefabriken nützlich sein. "Statt Menschen der Gefahr auszusetzen, Proben vor
Ort einzusammeln, reicht künftig ein risikofreier Blick aus dem All. Da der
EnMAP-Satellit um 30 Grad geschwenkt werden kann, kann er jeden beliebigen Punkt
auf der Erdoberfläche alle vier Tage mit einer räumlichen Auflösung von 30
Metern unter die Lupe nehmen. So lassen sich vergleichsweise schnell ablaufende
räumlich-zeitliche Veränderungen, wie etwa Erosionsvorgänge oder
Pflanzenwachstum, sehr gut dokumentieren", erläutert Fischer.
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