Eine riesiges Gasfilament namens Maggie
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astronomie astronews.com
21. Dezember 2021
Astronominnen und Astronomen haben in der Milchstraße eine
der längsten bekannten Strukturen identifiziert, die fast ausschließlich aus
atomarem Wasserstoffgas besteht. Dieses "Maggie" getaufte Filament könnte ein
Bindeglied im Materiekreislauf der Sterne darstellen und sich hier das atomare
Gas zu molekularem Wasserstoff verbinden.
Ausschnitt aus dem zentralen Band der
Milchstraße. Neben der Verteilung des atomaren
Wasserstoffs, kennzeichnen die Farben
unterschiedliche Geschwindigkeitsbereiche des
Gases, wie sie mit den Beobachtungen der
THOR-Durchmusterung gemessen wurden. Das
Maggie-Filament ist im unteren Bereich erkennbar.
Bild: T. Müller / J. Syed / MPIA [Großansicht] |
Wasserstoff ist im Universum die am weitesten verbreitete Substanz und die
Hauptzutat bei der Entstehung von Sternen. Leider sind einzelne Wolken aus
Wasserstoffgas besonders schwierig nachzuweisen, was die Erforschung der
Frühphasen der Sternentstehung erschwert. Umso bedeutender ist die aktuelle
Entdeckung einer überraschend langen Struktur, einem Filament, aus atomarem
Wasserstoffgas durch eine internationale Forschungsgruppe, die von Astronominnen
und Astronomen des Max-Planck-Instituts für Astronomie (MPIA) in Heidelberg
geleitet wird.
"Dazu beigetragen hat die Lage dieses Filaments", sagt Jonas Syed, Doktorand
am MPIA. "Wir wissen zwar noch nicht genau, wie es dorthin gelangt ist. Aber das
Filament verläuft etwa 1600 Lichtjahre unterhalb der Milchstraßenebene." Dadurch
hebt sich die Strahlung des Wasserstoffs, die bei einer Wellenlänge von 21
Zentimetern liegt, deutlich vor dem Hintergrund ab und macht das Filament
sichtbar. "Die Beobachtungen ermöglichten zudem, die Geschwindigkeit des
Wasserstoffgases zu ermitteln", erklärt Henrik Beuther, Co-Autor der Studie und
Leiter des Beobachtungsprogramms THOR (The HI/OH/Recombination line survey of
the Milky Way) am MPIA, auf dem die Daten beruhen. "So konnten wir zeigen, dass
sich die Geschwindigkeiten entlang des Filaments kaum unterscheiden." Daher, so
folgern die Forschenden, handelt es sich tatsächlich um eine zusammenhängende
Struktur.
Ihre mittlere Geschwindigkeit wird maßgeblich durch die Rotation der
Milchstraßenscheibe bestimmt. "Mit dieser Information und einer neuen
Datenauswertungsmethode konnten wir die Größe und Entfernung des Filaments
bestimmen", erzählt Sümeyye Suri, eine frühere MPIA-Astronomin, die nun an der
Universität Wien forscht. "Es ist etwa 3900 Lichtjahre lang und 130 Lichtjahre
breit." Mit einer Entfernung von rund 55.000 Lichtjahren befindet es sich auf
der anderen Seite der Milchstraße. Dem gegenüber sind die größten bekannten
Wolken aus molekularem Gas typischerweise "nur" etwa 800 Lichtjahre groß.
Wasserstoff tritt im Universum in verschiedenen Zuständen auf. Man findet es
in Form von Atomen und in Molekülen, in denen je zwei Atome miteinander
verbunden sind. Nur das molekulare Gas bildet relativ dichte Wolken, in denen
sich sehr kalte Bereiche ausprägen, wo schließlich neue Sterne entstehen. Wie
aber der Übergang von atomarem zu molekularem Wasserstoff genau passiert, ist
noch weitgehend unbekannt. Umso spannender ist die Gelegenheit, nun dieses
außergewöhnlich lange Filament studieren zu können.
Einen ersten Hinweis auf dieses Objekt fand Juan D. Soler bereits vor einem
Jahr. Er taufte das Filament auf den Namen "Maggie" nach dem längsten Fluss
seines Heimatlandes Kolumbien, genannt Río Magdalena. "Maggie war zwar schon in
früheren Auswertungen der Daten erkennbar. Aber erst die aktuelle Untersuchung
beweist zweifellos, dass es sich um eine zusammenhängende Struktur handelt",
erläutert Soler, der kürzlich vom MPIA zum Istituto Nazionale di Astrofisica
(INAF) in Rom wechselte.
Bei näherer Betrachtung stellte das Team fest, dass das Gas an einigen
Stellen entlang des Filaments aufeinander zuläuft. Die Forschenden schließen
daraus, dass sich das Wasserstoffgas dort zu großen Wolken anhäuft und
verdichtet. Sie vermuten zudem, dass das atomare Gas dort allmählich in eine
molekulare Form übergeht. In bereits publizierten Daten fanden sie tatsächlich
Anzeichen dafür, dass Maggie einen Massenanteil von etwa acht Prozent
molekularem Wasserstoff enthält.
Womöglich sieht man also eine Region in der Milchstraße, in der sich das
unmittelbare Rohmaterial für neue Sterne bildet. Hier könnten also in einer
fernen Zukunft neue Sterne entstehen. "Allerdings bleiben noch viele Fragen
offen", gibt Syed zu bedenken. "Weitere Daten, über die wir uns mehr Hinweise
über den Anteil des molekularen Gases erhoffen, warten bereits auf die
Auswertung."
Die Ergebnisse wurden jetzt in der Fachzeitschrift Astronomy &
Astrophysics veröffentlicht.
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