Keine Gaswolke, sondern drei junge Sterne
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität zu Köln astronews.com
14. Dezember 2021
Vor rund zehn Jahren wurde im Zentrum der Milchstraße ein
interessantes Objekt aufgespürt: Man glaubte eine Gaswolke entdeckt zu
haben, die auf ihrem Orbit bald vom supermassereichen Schwarzen Loch zerrissen werden würde. Zur
Verblüffung der Wissenschaft passiert jedoch nichts. Eine neue Studie zeigt nun,
dass es sich bei der vermeintlichen Gaswolke wohl um drei junge Sterne handelt.
Die Bewegung des Objekts G2 im Zentrum der
Milchstraße in den Jahren 2006, 2010, 2012 und im
Februar und September 2014 (von links). Das rote
Kreuz markiert die Position des supermassereichen
Schwarzen Lochs.
Bild: ESO / A. Eckart [Großansicht] |
Eine vermeintliche Gas- und Staubwolke im Zentrum unserer Galaxie besteht
eigentlich aus drei besonders jungen Sternen. Das zeigt eine neue Studie unter
Leitung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des I. Physikalischen
Instituts der Universität zu Köln. Die Daten dazu lieferte das Very Large
Telescope (VLT) der europäischen Südsternwarte. Die Sterne entstanden nach
Analyse des Teams vor weniger als einer Million Jahren. Unsere Sonne ist knapp
fünf Milliarden Jahre alt.
Bereits 2011 wurde in den Infrarotdaten des Very Large Telescope ein
Objekt gefunden, welches versprach, einen nie dagewesenen Vorgang im Zentrum
unserer Galaxie zu beobachten. Basierend auf einer Multi-Wellenlängenanalyse
stellten Wissenschaftlerinnen und Wissenschafter fest, dass es sich bei dem
Gebilde um eine Gas- und Staubwolke handeln müsse. Die Staubwolke bekam den
Namen G2. Durch die Interaktion mit dem Schwarzen Loch im Zentrum unserer
Galaxie, genannt Sgr A*, hätte G2 zerrissen werden und eine Art "Feuerwerk"
verursachen müssen: Man vermutete, dass verschiedene Prozesse dazu führen
würden, dass das Gas und der Staub das Schwarze Loch - oder besser: seine
unmittelbare Umgebung - zum Aufflammen bringen.
Dieses erwartete "Feuerwerk" blieb allerdings aus. Zudem gab es weitere
Faktoren, die Astronominnen und Astronomen weltweit Kopfzerbrechen bereiteten
und zu kontroversen Diskussionen führten: So haben Studien ergeben, dass die
Temperatur von G2 fast doppelt so hoch ist wie die von umliegenden Staubquellen.
Eine mögliche Erklärung der Temperatur von G2 wäre die extreme Anzahl von
Sternen im Zentrum unserer Galaxie. So könnten diese Sterne G2 aufgeheizt haben.
Nur stellt sich die Frage, warum alle anderen bekannten Staubquellen im
Galaktischen Zentrum eine viel geringere Temperatur zeigen.
Auch schied das Schwarze Loch, Sgr A*, als Hitzequelle aus: Denn wie bei
einer Heizung, der man sich nähert, hätte die Temperatur von G2 steigen müssen,
je näher die vermeintliche Staubwolke dem Schwarzen Loch kommt. Die Temperatur
blieb allerdings über einen langen Zeitraum konstant, obwohl die Distanz zum
Schwarzen Loch variierte. Je intensiver G2 weltweit beobachtet wurde, desto mehr
stellte sich heraus, dass das kosmische Objekt mehr sein musste als nur eine
Gas- und Staubwolke.
Die neuen Ergebnisse zeigten nun, dass es sich bei G2 um drei einzelne Sterne
handelt. "Wir hatten die Möglichkeit, selbst mehrere Male das Zentrum unserer
Galaxie mit dem Very Large Telescope zu observieren. Zusammen mit den
Daten aus dem Südsternwarten-Archiv konnten wir einen Zeitraum von 2005 bis 2019
abdecken", erklärt Dr. Florian Peißker vom I. Physikalischen Institut und
Erstautor der neuen Studie. Dabei standen neben den reinen Bilddaten für jedes
Pixel auch ein zugehöriges Spektrum zur Verfügung, was dem Team weitere
Informationen lieferte.
"Die reine Tatsache, dass es sich bei G2 um drei entwickelnde junge Sterne
handelt, ist sensationell. Noch nie wurden Sterne um Sgr A* observiert, die
jünger waren als die gefundenen", so Peißker. Doch der Fund wirft auch
zahlreiche neue Fragen auf, etwa die nach der Herkunft der jungen Sterne. So ist
die strahlungsintensive Umgebung eines supermassereichen Schwarzen Lochs nicht
unbedingt der beste Ort, um junge Sterne zu produzieren. "Die neuen Ergebnisse
liefern einzigartige Einblicke in die Wirkungsweise von Schwarzen Löchern", so
Peißker. "Wir können daher die Umgebung von Sgr A* als Blaupause benutzen, um
mehr über die Entwicklung und Abläufe von anderen Galaxien in ganz anderen Ecken
unseres Universums zu lernen."
Die Ergebnisse wurden jetzt in der Fachzeitschrift The Astrophysical
Journal veröffentlicht.
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