Schwarzes Loch in Sternhaufen einer anderen Galaxie
von
Stefan Deiters astronews.com
19. November 2021
Mithilfe des Very Large Telescope der Europäischen
Südsternwarte ESO ist es einem Forschungsteam gelungen, ein kleines Schwarzes
Loch in einem Sternhaufen zu entdecken, der Teil der Großen Magellanschen Wolke
ist. Das Schwarze Loch hat sich durch die Beeinflussung der Bewegung eines
Sterns in unmittelbarer Nachbarschaft verraten.
Künstlerische Darstellung des Schwarzen Lochs in NGC 1850 und
des Begleitsterns.
Bild: ESO / M. Kornmesser
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Das neu entdeckte Schwarze Loch befindet sich im Sternhaufen NGC 1850, der
ungefähr 160.000 Lichtjahre von uns entfernt in der Großen Magellanschen
Wolke liegt, einer Satellitengalaxie unserer Milchstraße. "Ähnlich wie
Sherlock Holmes, der Verbrecher anhand der Spuren überführt, die sie
hinterlassen haben, schauen wir uns jeden einzelnen Stern in diesem Haufen mit
einer Lupe in der Hand an, um Beweise für das Vorhandensein von Schwarzen
Löchern zu finden, ohne sie jedoch direkt sehen zu können", vergleicht Sara Saracino vom Astrophysics Research Institute der Liverpool John
Moores University in Großbritannien. "Das jetzt vorgestellte Ergebnis
stellt nur einen der gesuchten Kriminellen dar, aber wenn man einen gefunden
hat, ist man auf dem besten Weg, auch viele weitere in anderen Haufen zu
entdecken."
Der Fund hat etwa die elffache Masse unserer Sonne. Mit dieser Masse hat das
Schwarze Loch die Bahn eines Begleitsterns mit einer etwa halb so großen Masse
beeinflusst, der das Schwarze Loch umrundet. Solche stellaren Schwarzen Löcher
wurden bislang hauptsächlich dann entdeckt, wenn sie Material ihres Begleiters
abziehen, sich dieses Gas vor dem Verschwinden im Schwarzen Loch erhitzt und so eine
intensive Strahlung im Röntgenbereich aussendet. Auch aus
Gravitationswellen, die bei der Kollision und Verschmelzung von
Schwarzen Löchern miteinander oder mit Neutronensternen ausgesandt werden, lässt
sich auf deren Existenz schließen.
Allerdings dürften die meisten stellaren Schwarzen Löcher weder
Röntgenstrahlen noch Gravitationswellen aussenden. "Die überwiegende Mehrheit
lässt sich nur dynamisch aufspüren", unterstreicht Stefan Dreizler von der
Universität Göttingen. "Wenn sie ein System mit einem Stern bilden, beeinflussen
sie seine Bewegung auf subtile, aber nachweisbare Weise, so dass wir sie mit
ausgeklügelten Instrumenten finden können."
Mit dem Verfahren hofft das Team nun noch deutlich mehr Schwarze Löcher
aufzuspüren. "Jede einzelne Entdeckung, die wir machen, ist für unser
Verständnis von Sternhaufen und der Schwarzen Löcher darin von Bedeutung", so
Team-Mitglied Mark Gieles von der Universität Barcelona. Das jetzt aufgespürte
Schwarze Loch ist das erste Objekt dieser Art, das in einem jungen Sternhaufen
entdeckt wurde. NGC 1850 ist nur rund 100 Millionen Jahre alt.
Die Daten, mit deren Hilfe der Fund gelang, wurden über zwei Jahre mit dem
Multi Unit Spectroscopic Explorer (MUSE) am Very Large Telescope der ESO
in der chilenischen Atacamawüste gesammelt. "MUSE ermöglichte es uns, Gebiete mit hoher Sterndichte, wie die innersten Regionen von Sternhaufen, zu
beobachten und das Licht jedes einzelnen Sterns zu analysieren", so Sebastian
Kamann vom Astrophysics Research Institute in Liverpool. Dadurch sei es
gelungen, Informationen über Tausende von Sternen in nur einer Aufnahme zu
gewinnen - mindestens zehn Mal mehr als mit jedem anderen Instrument möglich ist. Die
Daten erlaubten es dann, die eigentümliche Bewegung des Sterns zu
identifizieren, die auf das Schwarze Loch hindeutet. Daten des Optical
Gravitational Lensing Experiment der Universität Warschau und des
Hubble-Weltraumteleskops lieferten dann weitere Daten, um die Masse des
Schwarzen Lochs zu bestimmen und den Fund zu bestätigen.
Über die Entdeckung berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Monthly Notices of the Royal Astronomical Society
erscheinen wird.
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