Mars-Erkundung in der Wüste Negev
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Bremen astronews.com
4. November 2021
Mit AMADEE-20 hat das Österreichische Weltraumforum im
Oktober eine simulierte Marsmission in der israelischen Wüste Negev
durchgeführt. Sechs Crewmitglieder probten dabei einen Aufenthalt auf dem Roten
Planeten und führten mehr als 25 Experimente durch. Zwei davon kamen aus Bremen.
Analog-Astronautin und-Astronaut während
eines Außeneinsatzes in der Negev-Wüste.
Foto: Florian Voggeneder / OeWF [Großansicht] |
Wie gestalten sich Teamprozesse, wenn sich die Crew auf dem Mars befindet?
Mit dieser Frage beschäftigt sich das INTERTEAM-Projekt. Es ist eine Kooperation
an der Universität Bremen zwischen dem Lehrstuhl für Wirtschaftspsychologie und
Personalwesen unter der Leitung von Professorin Vera Hagemann und dem Zentrum
für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM), vertreten durch
Dr.-Ing. Christiane Heinicke.
Das Vorhaben erfasste im Rahmen der AMADEE-20-Mission die Teamprozesse, den
Zusammenhalt und die Leistung der an der Mars-Simulation beteiligten Teams. Dazu
zählte die Mars-Crew mit den sechs analogen Astronautinnen und Astronauten im
Habitat in der Negev-Wüste. Dies sind speziell ausgebildete Raumanzugtestende,
die eine mehrmonatige Grundausbildung durchlaufen. Eingesetzt werden sie bei
technischen Tests und Mars-Simulationen. Weitere Teams der Mission waren das
Mission-Support-Center in Innsbruck – es fungiert als Kontrollzentrum auf der
Erde – sowie das On-Site-Support-Team in Israel. Dieses stellt die für die
Marsmission notwendige Infrastruktur vor Ort her, hat aber keinen direkten
Kontakt zu den Analog-Astronautinnen und -Astronauten.
"INTERTEAM ist in zwei Experimentbereiche aufgeteilt", erläutert Hagemann die
Struktur. Das erste Experiment untersucht die Prozesse und Konstrukte innerhalb
der einzelnen Teams. "Die sechs Astronautinnen und Astronauten sowie jeweils
sechs Teilnehmende aus dem Mission-Support-Center und dem On-Site-Support-Team
mussten innerhalb der Mission in sieben Durchgängen Teamaufgaben lösen. Diese
umfassten zum Beispiel die Planung eines Events, bei der jedes Teammitglied ein
Aufgabenpaket – angefangen vom Catering über Dekoration bis hin zur Auswahl des
Musikprogramms – zu übernehmen hatte." Interessant sei dann die Beobachtung, wie
Absprachen und Entscheidungsprozesse innerhalb der Teams ablaufen.
Das zweite INTERTEAM-Experiment bezieht sich auf die Prozesse zwischen den
drei Teams und besteht aus drei Durchgängen. Gemeinsam lösten zwei
Analog-Raumfahrende und jeweils zwei Teilnehmende aus dem Mission-Support-Center
und dem On-Site-Support-Team verschiedene Teamaufgaben pro Durchgang. "Dabei
teilten die Astronautinnen bzw. Astronauten und das On-Site-Support-Team ihre
Antworten mit dem Mission-Support Center, welches die Informationen zusammen mit
den eigenen Antworten an das jeweils andere Team weiterleitete. Die Antworten
aller Teams wurden benötigt, um die nächste Teamaufgabe lösen zu können", so
Heinicke vom ZARM. Die Kommunikation zwischen den Teams berücksichtigte dabei
die Zeitverzögerung zwischen der Erde und dem analogen Mars.
Lara Watermann, Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Wirtschaftspsychologie und
Personalwesen, hat den Auftakt-Durchgang vom ersten INTERTEAM-Experiment im
Mission-Support-Center in Innsbruck begleitet: "Es war eine sehr spannende und
lehrreiche Erfahrung, nicht nur die sogenannte Bridgehead-Phase – also die
aktive Vorbereitungszeit auf die Mission im Mission-Support-Center – hautnah
miterleben zu können, sondern auch Einblicke in die vielfältigen anderen
internationalen Forschungsprojekte zu erhalten." Erste Ergebnisse zu INTERTEAM
sind für Februar 2022 zu erwarten und werden in Publikationen und weitere
Forschung zum Thema "Teamleistungen in extremen Umgebungen" einfließen.
Während INTERTEAM vorrangig von Hagemann geleitet wird, ist Heinicke primär
für das MarsLock-Projekt verantwortlich. Mit MarsLock (eine Zusammensetzung von
"Mars" und "Airlock", englisch für Luftschleuse) sollen anhand der aktuellen
Bewegungsmuster der Analog-Raumfahrenden Empfehlungen für zukünftige
Luftschleusen herausgearbeitet werden. Denn Luftschleusen sind eine der
wichtigsten Komponenten eines Mars-Habitats: Sie ermöglichen der Crew, das
Habitat zu betreten und zu verlassen, um die Umgebung zu erforschen.
Solche Luftschleusen stehen unter Druck und übernehmen bei der Rückkehr ins
Habitat die Dekontamination der Raumanzüge, die während der Außenbordeinsätze (Extravehicular
activity – EVA) getragen werden. "Wir haben bei AMADEE-20 die Vorbereitungen von
EVAs beobachtet. Die Erkenntnisse sollen uns dabei helfen, Konzepte für
zukünftige Luftschleusen zu erstellen. Denn gute Luftschleusen müssen sowohl aus
technologischer Sicht als auch aus Sicht der Nutzenden funktional sein", erklärt
Heinicke.
Die Analog-Astronautinnen und -Astronauten lebten und arbeiteten vom 11. bis
31. Oktober 2021 in einem speziell für die Mission entwickelten Habitat. Bei
Aktivitäten außerhalb des Habitats trugen sie einen Raumanzug-Prototyp, der vom
Österreichischen Weltraumforum (OeWF) entwickelt und gebaut wurde. Die Crew –
bestehend aus einer Frau aus Deutschland und fünf Männern aus Österreich,
Israel, Spanien, Portugal und den Niederlanden – führte Forschungen für
zukünftige astronautische Marsmissionen durch. Eine Zeitverzögerung simulierte
während der Mission die Signal-Reisezeit zwischen Erde und Mars.
Die analoge Marsmission AMADEE-20 wurde vom OeWF in Zusammenarbeit mit der
israelischen Weltraumagentur ISA und D-MARS, dem Betreiber des Marshabitats, in
der Negev-Wüste in Israel durchgeführt. Mehr als 200 Forschende aus 25 Ländern
waren an dieser internationalen Mission unter österreichischer Leitung
beteiligt.
|