Der Rolle von Pulsaren auf der Spur
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Erlangen-Nürnberg astronews.com
21. September 2021
Die Herkunft der kosmischen Strahlung, die in jeder Sekunde
aus allen Richtungen auf die Erde trifft, ist bislang nicht eindeutig geklärt.
Viele Forschende machen die Reste von Supernova-Explosionen dafür
verantwortlich. Doch auch schnell rotierende Neutronensterne, sogenannte
Pulsare, könnten eine Rolle spielen. Diese soll nun in Erlangen genauer
untersucht werden.
Pulsare sind schnell rotierende
Neutronensterne.
Bild: NASA [Großansicht] |
Die galaktische kosmische Strahlung entsteht innerhalb unserer Galaxie, der
Milchstraße. Sie besteht hauptsächlich aus geladenen Teilchen, also Protonen,
Ionen, Positronen und Elektronen, die unter extremen Bedingungen beschleunigt
werden und mit hohem Energiegehalt auf die Erde treffen.
Da bei dieser Beschleunigung Photonen, also Lichtteilchen erzeugt werden,
führt auch die Gammastrahlung zum Hinweis der kosmischen Beschleuniger. Das weiß
man seit der Entdeckung der kosmischen Strahlung durch den österreichischen
Physiker Victor Franz Hess im Jahr 1912. Geladene Teilchen werden auf ihrem
langen Weg zur Erde von interstellaren Magnetfeldern abgelenkt. Die Forschung
nach dem Ursprung der kosmischen Strahlung konzentriert sich daher auf
ungeladene Teilchen wie Photonen oder Neutrinos. Denn sie treffen die Erde auf
direktem Weg und geben somit Auskunft über ihren Entstehungsort.
Alison Mitchell, bislang an der ETH Zürich, ist eine weltweit führende
Wissenschaftlerin der Untersuchung hochenergetischen Photonen – der
Gammastrahlung – aus dem Weltall. Ab Oktober soll Mitchell mit ihrer Emmy-Noether-Nachwuchsgruppe
am Erlangen Centre for Astroparticle Physics (ECAP) der
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg die Rolle von Pulsaren bei der
Entstehung der galaktischen, hochenergetischen kosmischen Strahlung untersuchen.
Das Projekt ist auf sechs Jahre ausgelegt und wird mit fast 1,5 Millionen Euro
gefördert.
Woher die kosmische Strahlung kommt, ob eine oder mehrere Quellpopulationen
verantwortlich sind, ist nämlich noch immer nicht geklärt. Zu den
aussichtsreichsten Kandidaten zählen Reste von Supernovae, die Umgebung
rotierender Neutronensterne, sogenannter Pulsare, und Schwarze Löcher. "Viele
Kollegen präferieren die Überreste von Supernovae, doch der experimentelle
Nachweis ist bisher nicht eindeutig gelungen", erklärt Mitchell. Je länger die
Sternexplosion zurückliege, desto geringer die erwartete Beschleunigung.
Zudem können theoretische Untersuchungen noch nicht überzeugend zeigen, dass
Teilchen in den Überresten einer Supernova auf die extrem hohen Energien
beschleunigt werden können, die in der kosmischen Strahlung auftreten, so
Mitchell. Daher sucht die Wissenschaft nach anderen Erklärungen. Mehrere
Forschungsgruppen, beispielsweise in Frankreich, Polen und den USA, arbeiten an
theoretischen Modellen, nach denen die Umgebung von Pulsaren für den Ursprung
der galaktischen kosmischen Strahlung verantwortlich ist.
Erst seit 2019 konnte nachgewiesen werden, dass sogenannte Pulsarwindnebel in
der Lage sind, Positronen und Elektronen auf Energien von 1015
Elektronenvolt zu beschleunigen. Die Hauptkomponente der galaktischen kosmischen
Strahlung, also Protonen und Ionen, könnten demnach ebenfalls ihren Ursprung in
der Umgebung eines Pulsars haben. Für die Beschleunigung der Protonen durch
Pulsare und deren Umgebung möchte Mitchell in Erlangen den erhofften
experimentellen Nachweis erbringen. "Soweit ich weiß, ist das geplante
umfassende Forschungsprogramm weltweit einzigartig", sagt die Physikerin.
Da die hochenergetischen Teilchen mit Satelliten nur schwer nachzuweisen
sind, nutzen Forschende die irdische Atmosphäre als Detektor. Sogenannte
Tscherenkow-Teleskope fangen das schwache Leuchten ein, welches entsteht, wenn
ein Photon der Gammastrahlung auf die Atmosphäre trifft. Mit den fünf Empfängern
des HESS-Teleskops in Namibia lässt sich die Richtung der Gammastrahlung exakt
bestimmen. Mitchell arbeitet auch mit dem im Bau befindlichen Internationalen
Großprojekt der erdbasierten Gammastrahlen-Astronomie, dem Cherenkov
Telescope Array (CTA), an dem Forschende aus Erlangen ebenfalls beteiligt
sind, zusammen.
"Im Laufe des Projektes werden weitere CTA-Teleskope auf der Kanareninsel La
Palma und in Chile dazukommen, die eine höhere Auflösung und ein größeres
Gesichtsfeld haben", erklärt Mitchell. Mithilfe von Algorithmen soll die
Auflösung der Teleskope verbessert werden. Derzeit werden auch neue Methoden
entwickelt, um räumlich ausgedehnte Gammastrahlen-Quellen zu erfassen. Wegen
ihrer führenden Stellung auf dem Gebiet der theoretischen Astrophysik und der
Neutrino-, Röntgen- und Gammastrahlenastronomie würde die
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg viele Schnittstellen für ihr
Projekt bieten, ist Mitchell zuversichtlich und prognostiziert:
"Höchstwahrscheinlich sind sowohl Supernovae als auch Pulsare für die
galaktische kosmische Strahlung verantwortlich, aber ich glaube, dass Pulsare
bis auf tausendfach höhere Energien beschleunigen können als die Überreste von
Supernovae."
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