Strukturen in turbulenten Gaswolken sichtbar machen
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Köln astronews.com
2. Juni 2021
Forschenden des deutsch-französischen
Kooperationsprogramms GENESIS ist es gelungen, die komplexe Struktur des
turbulenten interstellaren Mediums mit einer neuen mathematischen Methode zu
beschreiben. Das ist deswegen spannend, weil sich in solchen Gaswolken neue
Sterne bilden können - sobald das Gas einmal zur Ruhe gekommen ist.
Die Musca-Molekülwolke in einer
Flussdichte-Karte, die mit dem Infrarotteleskop
Herschel bei 250 μm gewonnen wurde.
Bild: Yahia et al. (2021) AA 649, A33 [Großansicht] |
In interstellaren Staubwolken müssen Turbulenzen erst zur Ruhe kommen, bevor
sich durch die Einwirkung von Gravitation ein Stern bilden kann. Ein
deutsch-französisches Forschungsteam hat nun herausgefunden, dass die
Bewegungsenergie der Turbulenzen auf in kosmischen Maßstäben sehr kleinem Raum
von einem bis zu mehreren Lichtjahren Ausdehnung umgewandelt wird.
Auch in der mathematischen Methode kam die Gruppe zu neuen Ergebnissen:
Bisher wurde die turbulente Struktur des interstellaren Mediums als
selbstähnlich – oder fraktal – beschrieben. Die Forscherinnen und Forscher
fanden nun aber heraus, dass es es nicht reicht, die Struktur mathematisch als
einzelnes Fraktal zu beschreiben, also als eine selbstähnliche Struktur, wie man
sie aus der Mandelbrotmenge kennt. Stattdessen zog das Team mehrere
unterschiedliche Fraktale, sogenannte Multifraktale, hinzu. Mit den neuen
Methoden kann man so in astronomischen Bildern Strukturänderungen detailliert
auflösen und darstellen. Eine Anwendung in anderen wissenschaftlichen Bereichen
wie der Atmosphärenforschung ist ebenfalls möglich.
Das deutsch-französische Programm GENESIS (Generierung von Strukturen im
interstellaren Medium) ist eine Kooperation zwischen dem Institut für
Astrophysik der Universität zu Köln, dem LAB der Universität Bordeaux und dem
Geostat/INRIA Institut Bordeaux. In einer jetzt veröffentlichten Studie werden
die neuen mathematischen Methoden vorgestellt, um Turbulenz zu charakterisieren
und am Beispiel der Musca-Molekülwolke im Sternbild Fliege angewandt.
Sterne bilden sich in riesigen interstellaren Wolken, die hauptsächlich aus
molekularem Wasserstoff - das Energiereservoir jeden Sternes - bestehen. Dieses
Material hat zwar eine geringe Dichte, nur einige tausend bis mehrere
zehntausend Teilchen pro Kubikzentimeter, aber eine sehr komplexe Struktur mit
Verdichtungen in Form von 'Klumpen' und 'Filamenten', und schließlich 'Kernen',
aus denen sich durch Gravitationskollaps der Materie Sterne bilden.
Die räumliche Struktur des Gases in den Wolken und in deren Umgebung wird
durch viele physikalische Prozesse bestimmt, von denen einer der wichtigsten die
interstellare Turbulenz ist. Diese entsteht, wenn Energie von hohen
Größenordnungen, z. B. galaktische Dichtewellen oder Supernova-Explosionen, auf
kleinere Größenordnungen übertragen wird. Turbulenz ist von Strömungen bekannt,
in denen eine Flüssigkeit oder ein Gas 'durchgerührt' wird, aber auch Wirbel
bilden kann und kurzzeitige Phasen chaotischen Verhaltens zeigt, die sogenannte
Intermittenz.
Damit sich ein Stern bilden kann, muss das Gas aber zur Ruhe kommen, d. h.
die Bewegungsenergie muss sich auf kleinere Größenordnungen zerstreuen, was als
Dissipation bezeichnet wird. Danach kann die Gravitation genug Kraft entfalten,
um die Wasserstoffwolken zusammenzuziehen um Sterne zu bilden. Es ist also
wichtig, die Energiekaskade und die damit verbundene Strukturänderung zu
verstehen und mathematisch zu beschreiben.
Über ihre Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Astronomy & Astrophysics erschienen ist.
|