Vulkanismus auf LHS 3844b?
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Bern astronews.com
7. April 2021
Trotz zahlreicher Exoplanetenfunde wurden bislang keine Anzeichen auf globale
tektonische Aktivität auf Planeten außerhalb unseres Sonnensystems entdeckt. Nun
aber wurde eine Welt identifiziert, auf der es eine besondere Form von
Vulkanismus geben könnte: Im
Innern von LHS 3844b könnte Material von einer Hemisphäre in die andere fließen
und so Vulkanausbrücke auslösen.
Diese Illustration stellt die mögliche
innere Dynamik des Exoplaneten LHS 3844b, einer
sogenannten Super-Erde, dar.
Bild: Universität Bern, Illustration: Thibaut
Roger [Großansicht] |
Auf der Erde ist die Plattentektonik nicht nur für die Entstehung von
Bergen und Erdbeben verantwortlich. Sie ist auch ein wesentlicher Bestandteil
des Stoffkreislaufs, der Material aus dem Inneren des Planeten an die Oberfläche
und in die Atmosphäre bringt und zurück unter die Erdkruste verfrachtet. Die
Tektonik hat also einen entscheidenden Einfluss auf die Bedingungen, die die
Erde letztlich bewohnbar machen.
Bisher fanden Forschende keine Anzeichen auf globale tektonische Aktivität
auf Planeten außerhalb unseres Sonnensystems. Ein Forscherteam unter der Leitung
von Tobias Meier vom Center for Space and Habitability (CSH) der
Universität Bern und mit der Beteiligung der ETH Zürich, der Universität Oxford
und des Nationalen Forschungsschwerpunkt NFS PlanetS fand nun Hinweise auf die
Fließmuster im Inneren eines Planeten, der 45 Lichtjahre von der Erde entfernt
ist: LHS 3844b.
"Die Beobachtung von Anzeichen tektonischer Aktivität ist sehr schwierig,
weil sie normalerweise unter einer Atmosphäre verborgen sind", erklärt Meier.
Jüngste Ergebnisse legen jedoch nahe, dass LHS 3844b wahrscheinlich keine
Atmosphäre besitzt. Etwas größer als die Erde und wahrscheinlich ähnlich
steinig, umkreist er seinen Stern so nahe, dass eine Seite des Planeten ständig
im Tageslicht und die andere in permanenter Nacht ist – genauso wie der Mond der
Erde immer die gleiche Seite zuwendet. Da es keine Atmosphäre gibt, die ihn vor
der intensiven Strahlung schützt, wird die Oberfläche glühend heiß: Sie kann auf
der Tagseite bis zu 800 °C erreichen. Die Nachtseite hingegen ist eiskalt. Dort
könnten die Temperaturen unter minus 250 °C fallen.
"Wir dachten, dass dieser starke Temperaturkontrast den Materialfluss im
Inneren des Planeten beeinflussen könnte", erinnert sich Meier. Um ihre Theorie
zu testen, führte das Team eine Reihe von Computersimulationen durch, bei denen
sie die Festigkeit des Materials und die internen Wärmequellen, etwa die
Kernwärme des Planeten und den Zerfall radioaktiver Elemente, variierten. Die
Simulationen trugen dem großen Temperaturunterschied auf der Oberfläche, welcher
durch den Wirtsstern verursacht wird, Rechnung.
"In den meisten Simulationen trat nur auf einer Seite des Planeten eine
Aufwärtsströmung auf und entsprechend auf der anderen Seite eine
Abwärtsströmung. Das Material floss also von einer Hemisphäre zur anderen",
berichtet Meier. "Basierend auf dem, was wir von der Erde gewohnt sind, würde
man erwarten, dass das Material auf der heißen Tagseite leichter ist und deshalb
Richtung Oberfläche fließt und umgekehrt", erklärt Co-Autor Dan Bower von der
Universität Bern und dem NFS PlanetS.
Doch die Simulationen der Teams zeigten teilweise auch die umgekehrte
Fließrichtung. "Dieses zunächst kontraintuitive Ergebnis kann mit der
Veränderung des Grads der Zähflüssigkeit mit der Temperatur erklärt werden:
Kaltes Material ist starrer und will sich daher nicht verbiegen, brechen oder
ins Innere absinken. Wärmeres Material hingegen ist weniger starr – dadurch wird
sogar festes Gestein durch Erhitzen mobiler – und kann leichter ins Innere des
Planeten fließen", führt Bower aus. Auf jeden Fall zeigen diese Ergebnisse, dass
der Materialaustausch der Oberfläche und dem Inneren eines Planten ganz anders
als auf der Erde stattfinden kann.
Ein solcher Materialfluss könnte bizarre Folgen haben. "Auf welcher
Seite des Planeten auch immer das Material nach oben fließt: man würde auf
dieser Seite eine große Menge an Vulkanismus erwarten", so Bower. Ähnlich tiefe
Auftriebsströmungen würden auch die vulkanische Aktivität auf Hawaii und Island
antreiben. Man könnte sich also eine Hemisphäre mit unzähligen Vulkanen
vorstellen – eine vulkanische Hemisphäre sozusagen – und eine mit fast gar
keinen.
"Unsere Simulationen zeigen, wie solche Muster sich manifestieren könnten,
aber es wären detailliertere Beobachtungen nötig, um sie zu verifizieren. Zum
Beispiel durch den Nachweis von vulkanischen Gasen oder mit einer höher
aufgelösten Karte der Oberflächentemperatur, die auf verstärkte Ausgasung durch
Vulkanismus hinweisen könnte. Wir hoffen, dass zukünftige Untersuchungen uns
helfen werden, dies zu verstehen", so Meier abschließend.
Über ihre Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
aktuellen Ausgabe der Zeitschrift The Astrophysical Journal Letters
veröffentlicht wurde.
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