Verwitterung und die Suche nach Lebensspuren
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Bern astronews.com
12. März 2021
Die Verwitterung von Silikatgesteinen trägt maßgeblich dazu
bei, dass auf der Erde ein gemäßigtes Klima herrscht. Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler haben jetzt die allgemeinen Prinzipien dieses Prozesses
untersucht. Ihre Ergebnisse könnten beeinflussen, wie die Signale von fernen
Welten interpretiert werden sollten – auch solche, die auf Leben hindeuten
könnten.
Die Verwitterung von Silikatgestein ist Teil
des sogenannten Kohlenstoffkreislaufs, der auf
der Erde über lange Zeiträume ein gemäßigtes
Klima aufrechterhält.
Bild: Universität Bern / Jenny Leibundgut [Großansicht] |
Die Bedingungen auf der Erde sind ideal für Leben. Die meisten Orte auf
unserem Planeten sind weder zu heiß noch zu kalt und bieten flüssiges Wasser.
Diese und andere Voraussetzungen für das Leben hängen jedoch empfindlich von der
richtigen Zusammensetzung der Atmosphäre ab. Zu wenig oder zu viel von
bestimmten Gasen – wie Kohlendioxid – und die Erde könnte zu einem Eisball
werden oder sich in einen Dampfkochtopf verwandeln.
Wenn Forschende nach potenziell bewohnbaren Planeten suchen, ist ihre
Atmosphäre daher eine Schlüsselkomponente. Manchmal ist diese Atmosphäre
primitiv und besteht größtenteils aus den Gasen, die bei der Entstehung des
Planeten vorhanden waren – wie es bei Jupiter und Saturn der Fall ist. Auf
terrestrischen Planeten wie Mars, Venus oder Erde gingen solche primitiven
Atmosphären jedoch verloren. Stattdessen werden ihre verbleibenden Atmosphären
stark von der Geochemie der Oberfläche beeinflusst.
Prozesse wie die Verwitterung von Gesteinen verändern die Zusammensetzung der
Atmosphäre und beeinflussen damit die Bewohnbarkeit des Planeten. Wie genau das
funktioniert, vor allem unter ganz anderen Bedingungen als auf der Erde, hat ein
Team von Forschenden unter der Leitung von Kaustubh Hakim vom Centre for
Space and Habitability (CSH) der Universität Bern und dem NFS PlanetS
untersucht.
"Wir wollen verstehen, wie die chemischen Reaktionen zwischen der Atmosphäre
und der Oberfläche von Planeten die Zusammensetzung der Atmosphäre verändern.
Auf der Erde trägt dieser Prozess – die Verwitterung von Silikatgesteinen
mithilfe von Wasser – dazu bei, über lange Zeiträume ein gemäßigtes Klima
aufrechtzuerhalten", erklärt Hakim. "Wenn die CO2-Konzentration
ansteigt, steigen aufgrund des Treibhauseffekts auch die Temperaturen. Höhere
Temperaturen führen zu intensiveren Niederschlägen. Die
Silikat-Verwitterungsraten steigen, was wiederum die CO2-Konzentration
reduziert und in der Folge die Temperatur senkt", so der Forscher.
Allerdings muss es auf anderen Planeten nicht unbedingt genauso
funktionieren. Mit Computersimulationen testete das Team, wie sich
unterschiedliche Bedingungen auf den Verwitterungsprozess auswirken. So fanden
sie zum Beispiel heraus, dass selbst in sehr trockenem Klima die Verwitterung
intensiver sein kann als auf der Erde, wenn die chemischen Reaktionen
ausreichend schnell ablaufen. Auch die Gesteinsarten beeinflussen den Prozess
und können laut Hakim zu sehr unterschiedlichen Verwitterungsraten führen. Das
Team entdeckte ebenfalls, dass bei Temperaturen um 70°C, entgegen der gängigen
Theorie, die Silikat-Verwitterungsraten mit steigender Temperatur abnehmen
können. "Das zeigt, dass auf Planeten mit ganz anderen Bedingungen als auf der
Erde die Verwitterung eine völlig andere Rolle spielen könnte", so Hakim.
Sollten Astronominnen und Astronomen jemals einen bewohnbaren Planeten
finden, wird dieser wahrscheinlich in der sogenannten habitablen Zone liegen.
Diese Zone ist der Bereich um einen Stern, in dem die Strahlungsdosis Wasser in
flüssiger Form zulässt. Im Sonnensystem liegt diese Zone ungefähr zwischen Mars
und Venus. "Die Geochemie hat einen tiefgreifenden Einfluss auf die
Bewohnbarkeit von Planeten", betont Studienkoautor und Professor für Astronomie
und Planetenwissenschaften an der Universität Bern und Mitglied des NFS PlanetS,
Kevin Heng.
Wie die Ergebnisse des Teams zeigen, könnten steigende Temperaturen die
Verwitterung und deren ausgleichende Wirkung auf andere Planeten verringern. Was
potenziell eine bewohnbare Welt wäre, könnte sich stattdessen als höllisches
Treibhaus entpuppen. Wie Heng weiter erklärt, ist das Verständnis geochemischer
Prozesse unter verschiedenen Bedingungen daher nicht nur wichtig, um das
Potenzial für Leben abzuschätzen, sondern auch für dessen Nachweis. "Solange wir
keine Vorstellung von den Ergebnissen geochemischer Prozesse unter verschiedenen
Bedingungen haben, werden wir nicht in der Lage sein zu sagen, ob Bio-Signaturen
– mögliche Hinweise auf Leben wie das Phosphan, das letztes Jahr auf der Venus
gefunden wurde – tatsächlich von biologischer Aktivität stammen", resümiert der
Forscher.
Über ihre Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
aktuellen Ausgabe der Zeitschrift The Planetary Science Journal
veröffentlicht wurde.
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