Neues Modell für stabile Mini-Wurmlöcher
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Oldenburg astronews.com
10. März 2021
Wurmlöcher fehlen in kaum einem Science-Fiction-Film und
dienen dort als Abkürzung in weit entfernte Regionen der Galaxie. Ob es diese
Tunnel in der Raumzeit tatsächlich gibt, weiß man nicht. Bislang sind sie bloße
Theorie, wenn auch eine äußerst faszinierende. Nun haben drei Physiker ein neues
Modell vorgestellt, das zumindest winzige Wurmlöcher weniger exotisch erscheinen
lässt.
Auch in der Theorie noch schwierig: die
Reise durch ein Wurmloch.
Bild: NASA (digital art by Les Bossinas
(Cortez III Service Corp.) [Großansicht] |
In vielen Science-Fiction-Filmen spielen Wurmlöcher eine wichtige Rolle - als
Abkürzung zwischen zwei weit entfernten Orten des Weltalls. In der Physik sind
diese Tunnel in der Raumzeit bislang allerdings rein hypothetische Gebilde. Ein
internationales Team um Dr. Jose Luis Blázquez-Salcedo von der Universität
Oldenburg hat nun ein neues theoretisches Modell vorgestellt, das mikroskopisch
kleine Wurmlöcher weniger exotisch erscheinen lässt als bisherige Theorien.
Wurmlöcher tauchen ähnlich wie Schwarze Löcher in den Gleichungen der
Allgemeinen Relativitätstheorie auf, die Albert Einstein 1916 veröffentlichte.
Eine wichtige Annahme der Theorie ist, dass das Universum vier Dimensionen hat -
drei Raumdimensionen und die Zeit als vierte Dimension. Zusammen bilden sie die
sogenannte Raumzeit. Sie wird durch schwere Objekte wie Sterne gekrümmt, ähnlich
wie ein Gummituch, in dem eine Metallkugel einsinkt. Die Krümmung der Raumzeit
bestimmt, wie sich Objekte wie Raumschiffe und Planeten, aber auch Licht
bewegen.
"Theoretisch könnte die Raumzeit auch ohne schwere Objekte verbogen und
gekrümmt werden", erläutert Blázquez-Salcedo, der inzwischen an die spanische
Universidad Complutense de Madrid gewechselt ist. Ein Wurmloch wäre
demnach ein extrem stark gekrümmter Bereich der Raumzeit, der zwei miteinander
verbundenen Trichtern ähnelt und zwei weit entfernte Orte wie ein Tunnel
verbindet. "Mathematisch gesehen ist so eine Abkürzung möglich, jedoch hat noch
nie jemand ein echtes Wurmloch beobachtet", so der Forscher.
Ein solches Wurmloch wäre außerdem instabil: Würde beispielsweise ein
Raumschiff hineinfliegen, so würde es sofort zu einem Schwarzen Loch
kollabieren, also einem Objekt, in dem Materie auf Nimmerwiedersehen
verschwindet. Die Verbindung zu anderen Orten des Universums wäre gekappt. Um
das Wurmloch offen zu halten, benötigen bisherige Modelle eine exotische, nur
theoretisch denkbare Form der Materie, die eine negative Masse hat, also weniger
wiegt als nichts.
Blázquez-Salcedo und seine Kollegen Dr. Christian Knoll von der Universität
Oldenburg und Eugen Radu von der Universidade de Aveiro in Portugal
zeigen nun jedoch in ihrer Studie, dass Wurmlöcher auch ohne diese Annahme
passierbar sein können. Die Forscher wählten dafür einen vergleichsweise
einfachen, "semiklassischen" Ansatz, wie sie schreiben: Sie verbanden Elemente
der Relativitätstheorie mit Elementen der Quantentheorie und der klassischen
Theorie der Elektrodynamik.
Als Materie, die das Wurmloch durchqueren soll, betrachteten sie bestimmte
Elementarteilchen wie beispielsweise Elektronen mitsamt ihrer elektrischen
Ladung. Als mathematische Beschreibung wählten sie die Dirac-Gleichung, eine
Formel, die die Aufenthaltswahrscheinlichkeit eines Teilchens gemäß der
Quantentheorie und der Relativitätstheorie als sogenanntes Dirac-Feld
beschreibt. Wie die Physiker in ihrer Studie ausführen, ist es die
Berücksichtigung des Dirac-Felds, das in ihrem Modell die Existenz eines für
Materie durchquerbaren Wurmlochs erlaubt.
Die Voraussetzung ist, dass das Verhältnis zwischen der elektrischen Ladung und
der Masse des Wurmlochs einen bestimmten Grenzwert überschreitet. Neben Materie
könnten auch Signale - etwa elektromagnetische Wellen - die winzigen Tunnel in
der Raumzeit durchqueren. Für interstellare Reisen wären die mikroskopisch
kleinen Wurmlöcher, die sich das Team vorstellt, wohl nicht geeignet. Zudem
müsste das Modell noch weiter verfeinert werden, um herauszufinden, ob es die
eigenartigen Gebilde tatsächlich geben könnte. "Wir vermuten, dass die
Wurmlöcher auch in einem vollständigen Modell existieren können", sagt Blázquez-Salcedo.
Die Arbeit ist innerhalb des Graduiertenkollegs "Models of Gravity" entstanden,
das die Oldenburger Physikerin Prof. Dr. Jutta Kunz gemeinsam mit Prof. Dr.
Claus Lämmerzahl vom Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und
Mikrogravitation (ZARM) an der Universität Bremen leitet. Neben der Universität
Oldenburg sind noch weitere Universitäten und Forschungszentren beteiligt.
Über ihr Modell berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Physical Review Letters veröffentlicht wurde.
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