Neues über das Schwarze Loch Cygnus X-1
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Erlangen-Nürnberg astronews.com
24. Februar 2021
Cygnus X-1 ist das erste Schwarze Loch, das man in unserer
Milchstraße entdeckt hat. Allerdings war die genaue Entfernung zu dem System
lange unbekannt. Jetzt wurde mithilfe des Very Long Baseline Array
nachgemessen. Das Schwarze Loch und sein Begleitstern sind danach weiter von der
Erde entfernt und wesentlich massereicher als bisher angenommen.
Künstlerische Darstellung von Cygnus X-1.
Bild: NASA / CXC / M. Weiss [Großansicht] |
Den ersten Hinweis gab es bereits 1964: Zwei Geigerzähler an Bord einer
suborbitalen Rakete, die von New Mexico aus abgefeuert wurde, registrierten eine
starke Röntgenquelle in unserer Milchstraße. Acht Jahre später entdeckte der
US-amerikanische Astronom Tom Bolton, dass diese Röntgenquelle um den Stern HDE
226868, einen sogenannten Blauen Riesen, kreist. Bolton schloss daraus, dass es
sich bei Cygnus X-1 – so der Name der unsichtbaren Quelle – um ein Schwarzes
Loch handeln müsse. Diese Annahme wurde durch spätere Beobachtungen bestätigt.
"Cygnus X-1 ist das erste Schwarze Loch, das in unserer Milchstraße entdeckt
wurde", erklärt Prof. Dr. Jörn Wilms, Astrophysiker der Universitätssternwarte
der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Die tatsächliche
Entfernung des Systems von der Erde konnte bislang nur grob geschätzt werden,
ebenso wie die Massen des Schwarzen Lochs und seines Begleitsterns. Wilms hat
deshalb ein ambitioniertes Projekt initiiert, zu dem sich ein internationales
Team renommierter Astronominnen und Astronomen zusammengeschlossen hat.
Die Forschenden nutzten das Very Long Baseline Array, ein Netzwerk
aus zehn in den USA verteilten Radioteleskopen, um eine präzise
Parallaxenmessung vorzunehmen. "Die Messung basiert auf dem Prinzip, dass man
die Entfernung eines Objektes bestimmen kann, indem man es von zwei
verschiedenen Orten aus betrachtet", erläutert Wilms. "Die unterschiedlichen
Beobachtungspositionen ergeben sich in unserem Fall durch die Bewegung der Erde um
die Sonne."
Über einen Zeitraum von sechs Tagen haben die Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler um Projektleiter James Miller-Jones vom International Centre
for Radio Astronomy Research (ICRAR) das Cygnus-System beobachtet und dabei
über 2000 Messwerte aufgezeichnet. Das Ergebnis: Cygnus X-1 ist deutlich weiter
von der Erde entfernt als bislang angenommen – etwa 7200 anstatt der zuvor
geschätzten 6100 Lichtjahre. "Aus dieser Kalibrierung ergibt sich auch, dass
Cygnus deutlich größer sein muss", erklärt Wilms. "Wir haben errechnet, dass das
Schwarze Loch mehr als 20-mal so massereich wie die Sonne ist. Das übertrifft frühere Schätzungen um 50 Prozent."
Diese Erkenntnis wirft zugleich ein neues Licht auf die Entstehung
Schwarzer Löcher überhaupt: Bislang ging die Forschung davon aus, dass helle
Sterne bis zur Supernova-Explosion sehr viel Masse an ihre Umgebung verlieren.
"Durch Sternwinde wird Materie von der Oberfläche quasi weggeblasen. Damit ein
Schwarzes Loch jedoch so massiv werden kann wie Cygnus X-1, muss dieser
Masseverlust deutlich geringer sein als wir dachten", gibt Wilms zu bedenken.
Anhand der aktuellen Messdaten gehen die Forschenden davon aus, dass das
Schwarze Loch im Cygnus X-1-System sein Leben als Stern begann, der ungefähr
60-mal so groß wie die Sonne war und vor Zehntausenden von Jahren kollabiert
ist. Trotz seiner gigantischen Größe umkreist es in nur fünfeinhalb Tagen seinen
Begleitstern HDE 226868, wobei die Umlaufbahn nur ein Fünftel der Entfernung
zwischen Erde und Sonne beträgt. Dabei dreht sich Cygnus X-1 unglaublich schnell
– sehr nahe an der Lichtgeschwindigkeit und damit schneller als jedes andere
bisher gefundene Schwarze Loch.
Die extrem starke Röntgenstrahlung, die von dem Objekt ausgeht, entsteht
dadurch, dass der Begleitstern einen Teil seiner Masse an das Schwarze Loch
verliert und dabei eine Scheibe aus Gas bildet, die sich durch Reibung auf
mehrere Millionen Grad erhitzt. "Schwarze Löcher zählen nach wie vor zu den
bestgehüteten Geheimnissen des Universums", blickt Wilms in die Zukunft. "Mit
unserem Projekt haben wir einen weiteren Teil dieses Geheimnisses lüften
können."
Im kommenden Jahr soll der Bau des Square Kilometer Array in
Australien und Südafrika beginnen, das die Empfindlichkeit des aktuell größten
Radioteleskops der Welt nochmals übertrifft und das Universum noch detaillierter
abbilden kann. Die Astronomie verspricht sich davon neue Impulse für das
Verständnis exotischer und extremer kosmischer Objekte, die uns bislang
verborgen bleiben.
Über ihre Beobachtungen berichtete das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Science erschienen ist.
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