Wie entstehen Planeten mittlerer Masse?
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Zürich astronews.com
12. Februar 2021
Wieso hat man überraschend viele extrasolare Planeten
mittlerer Masse entdeckt? Diese Frage versuchten jetzt Astronominnen und
Astronomen zu beantworten, die sich mit Simulationen zur Entstehung von Planeten
befassen. Ihr neues Modell berücksichtigt auch die sich bildenden Magnetfelder
in der protoplanetaren Scheibe und lässt dadurch mehr Planeten mittlerer Masse
entstehen.
Künstlerische Darstellung einer
protoplanetaren Scheibe mit Magnetfeldlinien.
Bild: Jean Favre CSCS [Großansicht] |
In den letzten 25 Jahren haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler über
4000 Planeten jenseits der Grenzen unseres Sonnensystems entdeckt. Von relativ
kleinen Gesteins- und Wasserwelten bis hin zu glühend heißen Gasriesen weisen
die Planeten eine bemerkenswerte Vielfalt auf. Diese Vielfalt ist nicht
unerwartet. Auch die ausgefeilten Computermodelle, mit denen die Entstehung von
Planeten untersucht wird, bringen sehr unterschiedliche Planeten hervor.
Was die Modelle aber nur schwer erklären können, ist die beobachtete
Massenverteilung der um andere Sterne entdeckten Exoplaneten. Die meisten fallen
in die Kategorie der mittleren Masse - Planeten mit Massen von einigen Erdmassen
bis etwa zur Masse des Neptun. Selbst im Sonnensystem bleibt die Entstehung von
Uranus und Neptun ein Rätsel.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Zürich, die Teil des
Schweizerischen Nationalen Forschungsschwerpunkt PlanetS sind, haben nun eine
neue Erklärung vorgeschlagen, die durch umfangreiche Simulationen gestützt wird.
"Wenn sich Planeten aus der sogenannten protoplanetaren Scheibe aus Gas und
Staub bilden, könnten gravitative Instabilitäten der treibende Mechanismus
sein", erklärt Lucio Mayer, Professor für Computational Astrophysics an der
Universität Zürich und Mitglied des NFS PlanetS. Bei diesem Prozess verklumpen
Staub und Gas in der Scheibe aufgrund der Schwerkraft und bilden dichte
Spiralstrukturen. Diese wachsen dann zu Planetenbausteinen und schließlich zu
Planeten heran.
Die Größenordnung auf der dieser Prozess stattfindet, umfasst die ganze
protoplanetare Scheibe. "Doch über kleinere Distanzen, über die sich einzelne
Planeten erstrecken, dominiert eine andere Kraft: Die der Magnetfelder, die sich
parallel zu den Planeten entwickeln", führt Mayer aus. Diese Magnetfelder
wirbeln das Gas und den Staub der Scheibe auf und beeinflussen so die Entstehung
der Planeten. "Um ein vollständiges Bild des Planetenentstehungsprozesses zu
erhalten, ist es daher wichtig, nicht nur die großräumige Spiralstruktur der
Scheibe zu simulieren. Auch die kleinräumigen Magnetfelder um die wachsenden
Planetenbausteine müssen abgebildet werden", unterstreicht Hongping Deng,
ehemaliger Doktorand von Mayer und jetzt Forscher an der Universität von
Cambridge.
Die Unterschiede in der Größenordnung und der Natur der Schwerkraft und des
Magnetismus machen es jedoch sehr schwierig, die beiden Kräfte in ein und
dasselbe Planetenbildungsmodell zu integrieren. Bisher hatten
Computersimulationen, die die Auswirkungen einer der Kräfte gut erfassten, die
andere in der Regel schlecht wiedergegeben. Um dieses Problem zu lösen,
entwickelte das Team eine neue Modelliertechnik. Das benötigte Expertise auf
verschiedenen Gebieten: Zum einen brauchten sie ein tiefes theoretisches
Verständnis sowohl der Gravitation als auch des Magnetismus. Dann mussten die
Forscherinnen und Forscher einen Weg finden, dieses Verständnis in einen Code zu
übersetzen, der diese gegensätzlichen Kräfte effizient im Einklang berechnen
konnte.
Aufgrund der immensen Anzahl der notwendigen Berechnungen war schließlich ein
leistungsstarker Computer erforderlich - wie der "Piz Daint" am Schweizerischen
Nationalen Hochleistungsrechenzentrum in Lugano (CSCS)."Neben den theoretischen
Erkenntnissen und den technischen Werkzeugen, die wir entwickelt haben, waren
wir also auch auf die Weiterentwicklung der Rechenleistung angewiesen", sagt
Mayer.
Doch die Bemühungen hatten Erfolg: "Mit unserem Modell konnten wir zum ersten
Mal zeigen, dass die Magnetfelder es den wachsenden Planeten ab einem bestimmten
Punkt erschweren, weiter Masse anzuhäufen. Infolgedessen bilden sich weniger
Riesenplaneten. Stattdessen werden Planeten mittlerer Masse viel häufiger -
ähnlich wie wir es in der Realität beobachten", erklärt Deng.
"Diese Ergebnisse sind nur ein erster Schritt, aber sie zeigen deutlich, wie
wichtig es ist, mehr physikalische Prozesse in Simulationen der Planetenbildung
zu berücksichtigen. Unsere Studie hilft, mögliche Arten zur Bildung von Planeten
mittlerer Masse zu verstehen, die in unserer Galaxie sehr häufig sind. Sie hilft
uns auch, die protoplanetaren Scheiben im Allgemeinen zu verstehen", fasst Ravit
Helled, Mitautorin der Studie und Professorin für Theoretische Astrophysik an
der Universität Zürich und Mitglied des NFS PlanetS, zusammen.
Über ihre Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Nature Astronomy
veröffentlicht wurde.
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