Die ältesten Karbonate im Sonnensystem
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Heidelberg astronews.com
22. Januar 2021
Im September 2019 verglühte ein Meteoroid in der Atmosphäre über
Norddeutschland. Ein Bruchstück davon wurde später in Flensburg gefunden und
wird seitdem gründlich untersucht. Analysen ergaben jetzt, dass der
Meteorit Karbonate enthält, die zu den ältesten im Sonnensystem überhaupt
zählen. Und es fanden sich Hinweise auf die früheste Aktivität flüssigen Wassers
auf Kleinplaneten.
Flensburg-Meteorit mit schwarzer
Schmelzkruste: Teile der Schmelzkruste gingen
beim Flug durch die Atmosphäre verloren. Das 24,5
Gramm schwere, kleine Bruchstück ist etwa 4,5
Milliarden Jahre alt.
Bild: A. Bischoff / M. Patzek / Westfälische
Wilhelms-Universität Münster [Großansicht] |
Ein 2019 in Norddeutschland niedergegangener Meteorit enthält Karbonate, die
zu den ältesten im Sonnensystem überhaupt zählen und zugleich einen Nachweis der
frühesten Aktivität flüssigen Wassers auf einem Kleinplaneten darstellen. Das
haben Messungen mithilfe der hochauflösenden Ionensonde an der Universität
Heidelberg ergeben – ein Forschungsgroßgerät, das am Institut für
Geowissenschaften angesiedelt ist. Die Untersuchung durch die
Kosmochemie-Forschungsgruppe unter der Leitung von Prof. Dr. Mario Trieloff war
Teil einer an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster koordinierten
Konsortiumsstudie, an der Wissenschaftler aus Europa, Australien und den USA
beteiligt waren.
Karbonate sind allgegenwärtige Gesteine auf der Erde. Sie sind in den
Gebirgszügen der Dolomiten, den Kreidefelsen auf Rügen oder in den
Korallenriffen von Ozeanen zu finden. Da sie das Treibhausgas CO2 in
großen Mengen der Atmosphäre entziehen, sind sie klimarelevant. Im Gegensatz zur
heutigen Erde existierten auf der Urerde während ihrer Entstehung keine
Karbonatgesteine, weil diese glühend heiß war.
Der im September 2019 über der
Erde niedergegangene Meteorit, der nach seinem Fundort auf den Namen Flensburg
getauft wurde, gehört zur Klasse der sogenannten kohligen Chondriten. Sie
stellen eine besondere und seltene Form der Steinmeteorite dar. Wie Prof. Dr.
Addi Bischoff und Dr. Markus Patzek von der Westfälischen Wilhelms-Universität
(WWU) Münster betonen, handelt es sich um einen einzigartigen Fund: "Das Gestein
war im frühen Sonnensystem durchgreifend einem wässrigen Fluid ausgesetzt,
wodurch sich wasserhaltige Silikate und Karbonate bildeten." Die
Wissenschaftler, die am Institut für Planetologie forschen, sehen in dem
Meteoriten einen möglichen Baustein, der in der Frühphase dem Planeten Erde das
Wasser gebracht haben könnte.
Die Altersdatierung wurde an der Universität
Heidelberg mithilfe der Ionensonde vorgenommen. "Solche Messungen sind
außerordentlich schwierig und anspruchsvoll, weil die Karbonatkörner im Gestein
extrem klein sind und präzise Isotopenmessungen auf engstem Raum von nur wenigen
Mikrometern Durchmesser – dünner als ein menschliches Haar – durchgeführt werden
müssen", erläutert Thomas Ludwig vom Institut für Geowissenschaften. Die
Datierungsmethode beruht auf den Zerfallsraten eines natürlich vorkommenden
Isotops – dem Zerfall des kurzlebigen Radionuklids 53Mn, das im frühen
Sonnensystem noch aktiv war.
"Die bislang präzisesten Datierungen mit dieser
Methode ergaben, dass der Mutterasteroid des Flensburg-Meteoriten und die
Karbonate sich nur drei Millionen Jahre nach Entstehung der ersten Festkörper im
Sonnensystem gebildet haben", berichtet Trieloff. Somit sind sie mehr als
eine Million Jahre älter als vergleichbare Karbonate in anderen kohligen
Chondrittypen.
Neben den hochpräzisen Datierungen mithilfe des Radionuklids 53Mn
wurden die winzigen Karbonatkörner mit der Heidelberger Ionensonde auch auf ihre
Kohlenstoff- und Sauerstoffisotopenzusammensetzung untersucht. Demnach wurden
die Karbonate kurz nach Entstehung und Aufheizung des Mutterasteroiden aus einem
noch relativ heißen Fluid ausgeschieden. "Sie bezeugen damit auch das früheste
bekannte Vorkommen von flüssigem Wasser auf einem planetaren Körper im jungen
Sonnensystem", sagt der Kosmochemiker.
Über ihre Ergebnisse berichtete das Team in der Fachzeitschrift
Geochimica et Cosmochimica Acta.
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