Die Strukturen im Gas der Milchstraße
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie astronews.com
7. Dezember 2020
Ein internationales Forschungsteam hat mit dem APEX-Teleskop einen über 80
Quadratgrad großen Teil der Ebene der Milchstraße vermessen und das dichte Gas im interstellaren Medium
erforscht. Die daraus resultierende
Kartierung zeigt eine Vielzahl unterschiedlicher Strukturen und liefert
wichtige Hinweise zur Struktur der gesamten Milchstraße.
Das 12-Meter-Teleskop APEX (Atacama
Pathfinder Experiment) befindet sich in 5100
Meter Höhe auf dem Chajnantor-Plateau in der
chilenischen Atacamawüste.
Foto: Carlos A. Durán/ESO [Großansicht] |
Die Beobachtung von
Spektrallinien des Kohlenmonoxid-Moleküls ermöglicht die Messung der Verteilung
von kaltem und dichtem molekularem Gas im interstellaren Medium, in dem neue
Sterne gebildet werden. Darüber hinaus kann die Radialgeschwindigkeit über den
Dopplereffekt bestimmt werden. Dadurch kann das molekulare Gas in Verbindung zur
Rotation der Spiralarme in unserer Milchstraße gebracht werden; das ermöglicht
einen dreidimensionalen Blick auf ihre Verteilung.
Insgesamt zeigt sich eine
Vielzahl von Strukturen wie Filamente und Aushöhlungen, die von
unterschiedlichen physikalischen Effekten bei der Gestaltung des interstellaren
Mediums herrühren. Ein internationales Forscherteam von insgesamt 50 Astronomen
hat mit dem APEX-Teleskop in den chilenischen Anden ein langjähriges
Beobachtungsprojekt durchgeführt, das einen Bereich von 84 Quadratgrad am Himmel
umfasst. Beobachtet wurde der südliche Bereich der inneren Milchstraße in einem
Intervall von -60 bis +18 Grad in galaktischer Länge mit einer Winkelauflösung
von 30 Bogensekunden; das entspricht gerade mal dem 60. Teil des scheinbaren
Durchmessers unseres Mondes am Himmel. Mit einer Geschwindigkeitsauflösung von
0,25 km/s liefert die Analyse Informationen über die Morphologie, Entfernung und
Geschwindigkeit für alle galaktischen Molekülwolken in einem Gesamtgebiet von
ca. zwei Drittel der inneren Scheibe unserer Milchstraße.
Die Kartierung trägt die Bezeichnung SEDIGISM (Structure, Excitation and Dynamics of the Inner
Galactic Interstellar Medium) und beinhaltet Beobachtungsdaten aus den Jahren
2013 bis 2017, die nun begleitet von drei wissenschaftlichen Veröffentlichungen
den Astronomen weltweit zur Verfügung gestellt werden. "Mit der Veröffentlichung
dieser bisher detailliertesten Karte von kalten Molekülwolken in unserer
Milchstraße trägt ein langjährige Beobachtungsprojekt nun Früchte", sagt
Frederic Schuller vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR), der
Projektleiter der SEDIGISM-Kartierung. "Das Team hat phantastische Arbeit
geleistet und einen Meilenstein für die Erforschung des molekularen Gases in der
Milchstraße geliefert, der als Ergebnis von APEX noch lange nachwirken wird."
"Auf der Grundlage dieser Daten haben wir einen Katalog von über 10.000
Gaswolken in der Milchstraße zusammengestellt, der eine deutlich strukturierte
Verteilung aufzeigt. Die abgeleiteten physikalischen Eigenschaften erscheinen
allerdings ziemlich gleichförmig, mit nur schwachen Hinweisen auf die
Abhängigkeit einiger der Wolkeneigenschaften von ihrer Umgebung", erklärt Ana
Duarte-Cabral von der Cardiff University. James Urquhart von der University of Kent
ergänzt: "In Verbindung mit ATLASGAL, einer
früheren Untersuchung von kaltem Staub in unserer Milchstraße, können wir nun
den Anteil der Wolken mit hoher Gasdichte abschätzen: nur 10 Prozent davon sind Orte
laufender Sternentstehung."
Die Beobachtungen mit APEX richteten sich auf die seltenen Isotope 13CO und C18O des Kohlenmonoxid-Moleküls, die wesentlich
genauere Abschätzungen der Masse der untersuchten Wolken ermöglichen, aber ein
hochempfindliches Teleskop erfordern. Das 12-Meter-APEX-Teleskop mit seiner
hochgenauen Oberfläche und einem der weltweit besten Standorte für
Submillimeter-Astronomie war ein Schlüssel zum Erfolg des Projekts. In 5100
Meter
Höhe über dem Meeresspiegel gelegen, auf der trockenen Chanjnantor-Ebene in der
chilenischen Atacamawüste, ergibt sich ein extrem geringer Wasserdampfgehalt und
damit exzellente Transparenz der Atmosphäre, die für diese Beobachtungen
erforderlich ist.
Molekülwolken enthalten das Rohmaterial, aus dem neue Sterne
entstehen. Die Kartierung dieser Wolken ist daher erforderlich, um wichtige
Parameter wie z. B. die Effizienz der Sternentstehung in unserer Milchstraße zu
bestimmen. Die Morphologie und die physikalischen Bedingungen innerhalb der
Wolken geben die Rahmenbedingungen, die für Theorien der Sternentstehung
berücksichtigt werden müssen. Es ist daher unabdingbar, die einzelnen Wolken
räumlich aufzulösen und voneinander zu unterscheiden. Das wird durch die hohe
Winkelauflösung der APEX-Kartierung ermöglicht.
Die neuen Daten sind nicht nur
für sich gesehen interessant, sondern ergänzen auch eine Reihe hervorragender
Kartierungen der galaktischen Ebene, die im vergangenen Jahrzehnt in mittel- bis
ferninfraroten Wellenlängenbereich erstellt wurden. Das geschah mit
Weltraumteleskopen wie Spitzer und Herschel und bei größeren Wellenlängen auch
mit APEX selbst. In allen diesen Projekten fehlte jedoch die
Geschwindigkeitsinformation. Diese Beobachtungsdaten können nun in Verbindung
mit den neuen Kohlenmonoxid-Liniendaten erneut analysiert werden und so eine
wesentlich stärkere Rolle spielen bei der detaillierten Untersuchung von
Sternentstehung und Sternhaufen in der Milchstraße, und letztendlich von
Struktur und Dynamik unserer Galaxis selbst.
"Unsere Kartierung bedeutet einen
entscheidenden Schritt vorwärts, um die Struktur der Galaxie zu verstehen, in
der wir leben", schließt Dario Colombo vom MPIfR, der zur Zeit mithilfe dieser Daten an einer Analyse zum
Einfluss von Spiralarmen auf die Eigenschaften von Molekülwolken arbeitet.
Über die ersten Ergebnisse berichten die Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler in drei Fachartikeln, die in den Monthly Notices of the Royal Astronomical Society erschienen
sind.
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