Kalter Staub im Detail kartiert
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie astronews.com
24. Februar 2016
Mit dem Atacama Pathfinder Experiment (APEX) wurde
jetzt eine umfassende Kartierung des von der Südhalbkugel aus sichtbaren Teils
der Ebene der Milchstraße abgeschlossen. Die Daten liefern ein detailliertes
Bild der Verteilung des dichten kalten Gases und bieten einen Blick in
zahlreiche verborgene Sternentstehungsgebiete unserer Heimatgalaxie.

Der von der Südhalbkugel sichtbare Teil der
Ebene der Milchstraße (Ausschnitt, in drei
Sektionen geteilt). Die APEX-Daten bei einer
Wellenlänge von 0,87 mm sind in Rot dargestellt,
die ausgedehnten Strukturen in Orange basieren
auf Messungen mit dem Planck-Satelliten der ESA.
Der blaue Hintergrund resultiert von Messungen
bei kürzeren Infrarotwellenlängen mit dem
Spitzer-Teleskop der NASA im Rahmen der
GLIMPSE-Kartierung.
Bild:
ESO / APEX / ATLASGAL consortium / NASA / GLIMPSE
consortium / ESA / Planck [Großansicht] |
Die Arbeit am "APEX Telescope Large Area Survey of the Galaxy" (ATLASGAL)
is abgeschlossen. Im Rahmen des Projekts wurde der komplette von der Südhalbkugel aus
zugängliche Bereich der Milchstraßenebene zum ersten Mal in
Submillimeterwellenlängen (zwischen Infrarot- und Radiobereich des
elektromagnetischen Spektrums) bei hoher Auflösung erfasst. Dadurch werden
Details und Strukturen sichtbar, die in Kartierungen mit kleineren
Weltraumteleskopen im gleichen Wellenlängenbereich nicht erfasst werden konnten.
Das
12-Meter-APEX-Teleskop in Chile spielt eine Vorreiterrolle bei der Untersuchung des kalten
Universums, von kosmischen Gas- und Staubwolken mit Temperaturen von nur einigen
10 Grad über dem absoluten Nullpunkt. Es wird in Zusammenarbeit
zwischen dem Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR), dem Onsala
Space Observatory (OSO) in Schweden und der Europäischen Südsternwarte
(ESO) betrieben.
APEX, das "Atacama
Pathfinder Experiment", befindet sich in 5.100 Metern Höhe auf
der Chajnantor-Hochebene in der chilenischen Atacamawüste und wurde ursprünglich
als Prototyp für die Antennen des Teleskoparrays ALMA errichtet. Die mit diesem
Teleskop erstellte ATLASGAL-Durchmuisterung
profitiert von den einmaligen Eigenschaften dieses Teleskops und ermöglicht
dadurch ein detailliertes Bild der Verteilung von dichtem kalten Gas entlang der
Ebene der Milchstraße.
Tatsächlich umfasst die komplette ATLASGAL-Kartierung den
überwiegenden Teil der Sternentstehungsgebiete in unserer Milchstraße. Die
Karten von ATLASGAL decken insgesamt einen 140 Grad langen und 3 Grad breiten
Streifen am Himmel ab. Das Projekt ist das bis dato erfolgreichste
Beobachtungsprogramm mit dem APEX-Teleskop, mit mehr als 69 auf ATLASGAL
basierenden wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Da nun die reduzierten Daten
und Datenprodukte für die komplette astronomische Gemeinschaft zur Verfügung
stehen, ist zu erwarten, dass diese Zahl alsbald kräftig ansteigen wird.
Das
Herzstück von APEX bilden seine exzellenten Empfangssysteme. Einer dieser
Empfänger, LABOCA (die “LArge BOlometer Camera”), mit dem nach wie vor der
größten Detektor seiner Art auf der Südhalbkugel, wurde für die
ATLASGAL-Messungen eingesetzt. LABOCA wurde am Max-Planck-Institut für
Radioastronomie (MPIfR) in Bonn gebaut und misst die eintreffende Strahlung in
Submillimeter-Wellenlängen über einen dadurch verursachten winzigen
Temperaturanstieg.
Dadurch wird es möglich, die Strahlung von dunklen
Staubregionen zu erfassen, die das Licht von dahinterliegenden Sternen komplett
absorbieren. “Wenn wir die ATLASGAL-Messungen mit ihrer hohen Winkelauflösung
mit den Daten vom Planck-Weltraumobservatorium der ESA verknüpfen, erhalten wir
daraus einen Datensatz von Weltraumqualität, aber mit einer 20-fach höheren
Auflösung”, sagt Axel Weiß vom MPIfR, der für die Verbindung beider Datensätze
verantwortlich zeichnete.
Dadurch wird es den Astronomen nun möglich,
Submillimeterstrahlung nachzuweisen, die sich über einen großen Bereich am
Himmel verteilt und so den Gesamtanteil von dichtem Gas im inneren Bereich der
Milchstraße zu erfassen. Die ATLASGAL-Daten wurden außerdem dafür verwendet,
kalte und massereiche Wolken, in denen eine neue Generation von Sternen
heranwächst, möglichst komplett statistisch zu erfassen.
"ATLASGAL bringt uns
aufregende neue Erkenntnisse darüber, wo sich die nächste Generation von
massereichen Sternen und Sternhaufen bildet. Durch die Verknüpfung mit den
Planck-Daten erhalten wir einen Zugang zu den großskaligen Strukturen der
riesigen Molekülwolken, in denen das stattfindet", erläutert MPIfR-Astronomin Timea Csengeri.
Am APEX-Teleskop wurden erst kürzlich die ersten zehn Jahre
erfolgreicher Forschung über das kalte Universum gefeiert (astronews.com
berichtete). Das Teleskop spielt dabei eine wichtige Rolle nicht nur als
Pfadfinder, sondern auch als komplementäres Instrument zu ALMA, dem Atacama Large Millimeter/submillimeter
Array, das sich in unmittelbarer Nachbarschaft ebenfalls auf der Chanjantor-Hochebene
in Chile befindet.
Mit APEX , das ursprünglich auf einer Prototyp-Antenne für
ALMA basiert, wurden bereits eine Menge neuer Himmelsobjekte aufgespürt, die
anschließend mit Hilfe von ALMA sehr detailliert untersucht werden konnten.
"ATLASGAL ermöglicht uns einen neuen und geänderten Blick in das dichte
interstellare Medium in unserer Milchstraße", sagt Leonardo Testi von der ESO,
Mitglied im ATLASGAL-Forschungsteam und europäischer Projektwissenschaftler für
ALMA. "Die jetzt erfolgte Veröffentlichung des kompletten Datensatzes eröffnet
eine exzellente Möglichkeit für neue Entdeckungen. Viele Wissenschaftlerteams
nutzen bereits die ATLASGAL-Daten, um damit detaillierte Nachfolgebeobachtungen
mit ALMA zu konzipieren."
Und Karl Menten vom MPIfR, der Leiter des APEX-Projekts, ergänzt: "Die moderne
Astronomie geht immer von einem Multiwellenlängen-Ansatz aus. ATLASGAL fügt
einen Blick aufs kalte Universum hinzu, und damit direkt hinein in die Wiegen
junger Sterne."
|