Sonnenmodell erstmals vollständig bestätigt
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Technischen Universität München astronews.com
26. November 2020
Dem Forschungsteam des Borexino-Experiments ist es
zum ersten Mal gelungen, Neutrinos aus dem zweiten Fusionsprozess der Sonne
nachzuweisen. Damit sind nun alle theoretischen Vorhersagen über die
Energieerzeugung im Inneren der Sonne auch experimentell bewiesen. Der Nachweis
der entsprechenden Neutrinos war allerdings alles andere als einfach.
Der Borexino-Detektor (in dieser Montage
links) erlaubt einen Blick auf die Vorgänge im
Inneren der Sonne.
Bild: Borexino Collaboration [Großansicht] |
Die Sonne gewinnt ihre Energie durch die Verschmelzung von Wasserstoff zu
Helium. Dies geschieht auf zwei Arten: Der größte Teil, etwa 99 Prozent der
Energie, entstammt einem Prozess von Fusionen und Zerfällen, der mit zwei
Wasserstoffkernen beginnt und mit einem Heliumkern endet, der sogenannten
Proton-Proton- oder pp-Kette. Den Rest der Energie trägt ein Zyklus bei, bei dem
sich insgesamt vier Wasserstoffkerne schließlich zu einem Heliumkern verbinden,
mit Hilfe von Kohlenstoff, Stickstoff und Sauerstoff als Katalysatoren und
Zwischenprodukten.
Bei Sternen größer als unsere Sonne stammt der überwiegende Teil der Energie
aus diesem zweiten Prozess, dem aufgrund der Beteiligung von Kohlenstoff,
Stickstoff und Sauerstoff sogenannten CNO-Prozess. Dieser zweite Zyklus war in
den 1930er Jahren von den Physikern Hans Bethe und Carl Friedrich von Weizsäcker
unabhängig voneinander als Energielieferant der Sonne postuliert worden, konnte
bislang jedoch nicht experimentell bestätigt werden.
Nun ist es den Physikerinnen und Physikern des Experiments Borexino,
das sich im italienischen Gran Sasso Untergrundlabor befindet, erstmals
gelungen, diesen Zyklus mithilfe der von ihm produzierten Neutrinos
nachzuweisen. Vor einigen Jahren hatte das Team des Borexino-Experiments
bereits erstmals eine Gesamtuntersuchung der Fusionsprozesse der pp-Kette
mittels ihrer Neutrinos vorgestellt.
Die Neutrinos des CNO-Zyklus waren aufgrund ihrer Energieverteilung schwer
von denen zu unterscheiden, die beim radioaktiven Zerfall winziger Spuren
anderer Elemente erzeugt werden. Vor allem Bismut-210 aus Spurenverunreinigungen
auf der Oberfläche der Detektorwand verdeckte bisher die Signale des CNO-Zyklus.
Aufgrund von Konvektionsbewegungen gelangten diese Verunreinigungen in die
Detektorflüssigkeit. Um die Störung zu beseitigen, musste die Konvektion im
Inneren des Borexino-Detektors zum Stillstand gebracht werden, was technisch
extrem aufwändig war.
"Ich habe es lange für nicht möglich gehalten, dass diese Messung erfolgreich
sein würde", sagt Stefan Schönert, Professor für experimentelle
Astroteilchenphysik an der Technischen Universität München. "Nach sechsjähriger
Anstrengung gelang uns dies nun, so dass wir das CNO-Neutrino-Signal jetzt
erstmals nachweisen konnten. Die Ergebnisse bestätigen nun nicht nur die
theoretischen Vorhersagen über die beiden Fusionsprozesse der Sonne, sondern
geben auch einen Hinweis auf die Metallizität der Sonne, also die Konzentration
der Kerne, die schwerer als Wasserstoff und Helium sind.
Verschiedene astrophysikalische Untersuchungsmethoden waren hier in den
vergangenen Jahren zu unterschiedlichen Resultaten gekommen. "Die neuen
Borexino-Ergebnisse unterstützen hier nun die Beobachtungen mit höheren
Metallizitätswerten", so Prof. Lothar Oberauer von der Technischen Universität
München. Wichtig ist dies vor allem im Hinblick auf wesentliche Eigenschaften
von Sternen wie ihre Größe, Temperatur, Helligkeit und Lebensdauer, die von der
Metallizität bestimmt werden. Die chemische Zusammensetzung der Sonne zu
verstehen, ist daher grundlegend für das Verständnis der Eigenschaften aller
Sterne.
Das Borexino-Experiment befindet sich in den Laboratori
Nazionali del Gran Sasso in Italien und wurde im Jahr 2007 in Betrieb
genommen. Im Borexino-Experiment kooperieren Forschungsgruppen aus
Deutschland, Italien, Frankreich, Polen, Russland und den USA. In Deutschland
sind folgende Institutionen beteiligt: die Technische Universität München, das
Forschungszentrum Jülich, die Johannes Gutenberg-Universität Mainz, die
Technische Universität Dresden und die RWTH Aachen.
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