Beschleunigte Protonen und die Nukleosynthese
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des GSI Helmholtzzentrums für Schwerionenforschung
GmbH astronews.com
16. November 2020
Riesige Mengen von Protonen auf kürzester Strecke und in
Sekundenbruchteilen auf Geschwindigkeit bringen – das funktioniert mit der
Technik der Laserbeschleunigung. Einem Forschungsteam gelang es nun,
beschleunigte Protonen zur Spaltung anderer Kerne einzusetzen und diese zu
analysieren. Die Ergebnisse könnten unter anderem neue Einblicke in
astrophysikalische Prozesse ermöglichen.
In der Targetkammer des
GSI-Hochleistungslasers PHELIX wird die
Materialprobe platziert, aus deren Rückseite
mithilfe des hochintensiven Laserstrahls Protonen
herausbeschleunigt werden.
Foto: V. Bagnoud / P. Boller / GSI [Großansicht] |
Einem Forschungsteam des GSI Helmholtzzentrums für Schwerionenforschung
und des Helmholtz-Instituts Jena, einer Außenstelle von GSI, ist es in
Zusammenarbeit mit dem Lawrence Livermore National Laboratory in den
USA geglückt, mit dem GSI-Hochleistungslaser PHELIX beschleunigte Protonen zur
Spaltung anderer Kerne einzusetzen und diese zu analysieren. Weniger als eine
Picosekunde (eine Billionstel Sekunde) lang beleuchtet der PHELIX-Laser mit
seinem hochintensiven Lichtpuls dabei eine hauchdünne Goldfolie. Das reicht, um
rund eine Billion nur leicht an das Gold gebundene Wasserstoffkerne (Protonen)
von der Oberfläche der Rückseite der Folie hinauszuschleudern und sie auf hohe
Energien zu beschleunigen.
"So viele Protonen in einer so kurzen Zeitspanne lassen sich mit
herkömmlichen Beschleunigungstechniken nicht erreichen", erklärt Pascal Boller,
der in der GSI-Forschungsabteilung Plasmaphysik/PHELIX im Rahmen seiner
Abschlussarbeit an der Laserbeschleunigung forscht. "Mit dieser Technik lassen
sich daher völlig neue Forschungsgebiete erschließen, auf die wir vorher keinen
Zugriff hatten."
Dazu gehört unter anderem die Erzeugung von Spaltungsreaktionen, auch Fission
genannt. Zu diesem Zweck lassen die Forschenden die frisch erzeugten schnellen
Protonen auf Uran-Materialproben prasseln. Uran wurde aufgrund seines großen
Reaktionsquerschnitts und der Verfügbarkeit von veröffentlichten Daten für
Benchmarking-Zwecke als Fallstudienmaterial ausgewählt. Die Proben müssen dicht
an der Protonenerzeugung stehen, um eine maximale Ausbeute an Reaktionen zu
garantieren. Die durch den PHELIX-Laser erzeugten Protonen sind schnell genug um
die Fission der Urankerne in kleinere Spaltprodukte herbeizuführen, die im
Anschluss identifiziert und vermessen werden sollen.
Allerdings hat der Laseraufprall unerwünschte Nebenwirkungen: Er erzeugt
einen starken elektromagnetischen Puls und einen Blitz aus Gammastrahlen, der
die empfindlichen Messinstrumente für die diese Detektion stört. An dieser
Stelle kommt den Forschern die Expertise einer anderen GSI-Forschungsgruppe zu
Hilfe. Zur chemischen Untersuchung von superschweren Elementen ist schon länger
ein Transportsystem im Einsatz, das die gewünschten Teilchen über längere
Strecken vom Reaktionsort zum Detektor bringen kann. Die Reaktionskammer wird
von einem Gas durchflossen, das – im Fall der Fissions-Experimente - die
Spaltprodukte mitnimmt und in nur wenigen Sekunden über kleine Plastikröhrchen
zu den nun mehrere Meter entfernten Messapparaturen transportiert. So kann
Erzeugung und Messung räumlich getrennt und die Störung verhindert werden.
Erstmals gelang es in den Experimenten, die beiden Techniken zu verbinden und
dabei verschiedene Caesium-, Xenon- und Iod-Isotope durch die Uran-Fission zu
erzeugen, zuverlässig über die Aussendung von Gammastrahlung zu identifizieren
und ihre kurzen Lebensdauern zu beobachten. Damit steht nun eine Methodik zur
Verfügung, um Spaltungsreaktionen in hochdichter Materie im Plasmazustand zu
untersuchen.
Vergleichbare Gegebenheiten finden sich beispielsweise im Weltall im Inneren
von Sternen, Sternexplosionen oder Neutronensternverschmelzungen. "Die
Reaktionsvorgänge von Kernen zu verstehen, die im Plasma miteinander
interagieren, kann uns Einblicke in die Entstehung von Atomkernen, die
sogenannte Nukleosynthese, in unserem Universum ermöglichen. Nukleosynthese-Vorgänge
wie s-Prozess oder r-Prozess spielen sich in genau solchen Medien ab", erläutert
Boller. "Welche Rolle Fissionsreaktionen in diesen Prozessen spielen, ist noch
nicht im Detail erforscht. Hier können die laserbeschleunigten Protonen neue
Informationen liefern."
Weitere Messungen mit der Methodik sind sowohl für zukünftige
Experimentierzeiten des PHELIX-Lasers bei GSI als auch an anderen
Forschungszentren der Welt geplant. Die Untersuchung hoch verdichteter Materie
mit Ionen- und Laserstrahlen wird auch eines der Themen sein, die an der
zukünftigen Forschungsanlage FAIR weiterverfolgt werden. FAIR wird momentan in
internationaler Kooperation bei GSI errichtet. Unter dem Motto "Das Universum im
Labor" sollen auch dort Zustände, wie sie in astrophysikalischen Umgebungen
auftreten, auf der Erde nachvollzogen und so das Wissen über unseren Kosmos
erweitert werden.
Die Ergebnisse werden in einem Fachartikel beschrieben, der in den Nature
Scientific
Reports erschienen ist.
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