Das Universum wird heißer
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astrophysik astronews.com
11. November 2020
Im Universum wird es heißer: Das ergab eine neue
Studie, in der mithilfe des Sunyaev-Zeldovich-Effekts und Daten des Satelliten
Planck und des Sloan Digital Sky Survey die Temperatur des Universums zu
verschiedenen Zeiten bestimmt wurde. Vor acht Milliarden Jahren war die mittlere
Temperatur danach über eine Millionen Grad geringer als heute.
Computergestützte Simulation der Entwicklung
der großräumigen Struktur (unten) und der
Temperatur im Universum (oben). Die Zeit läuft
von links nach rechts; das Bild ganz rechts zeigt
den Zustand heute.
Bild: D. Nelson / Illustris Collaboration [Großansicht] |
Wie heiß ist das Universum heute? Wie heiß war es in der Vergangenheit? Eine
neue Studie deutet jetzt darauf hin, dass sich die mittlere Temperatur großer
Strukturen im Universum in den letzten zehn Milliarden Jahren um das Zehnfache
erhöht hat und heute etwa zwei Millionen Grad beträgt. Die großräumige Struktur
im Universum bezeichnet das kosmische Netz, in dem Galaxien und Galaxienhaufen
angeordnet sind. Dieses riesige Muster entwickelte sich aus ursprünglich
winzigen "Unebenheiten" in der Verteilung der Materie im jungen Universum, die
durch die Schwerkraft um ein Vielfaches verstärkt wurden.
"Während das Universum wuchs, zog die Schwerkraft die im Weltall verteilte
Dunkle Materie und Gas in Galaxien und Galaxienhaufen hinein", sagt Yi-Kuan
Chiang, Hauptautor der Studie und wissenschaftlicher Mitarbeiter des Zentrums
für Kosmologie und Astroteilchenphysik der Universität Ohio. "Diese gravitative
Anziehung ist sehr stark - so stark, dass eine immer größere Menge an Gas durch
Stoßwellen aufgeheizt wird."
Dieses erhitzte Gas kann nun dazu genutzt werden, die mittlere Temperatur des
Universums zu verschiedenen Zeiten zu beobachten. Genauer gesagt verwendeten die
Forscher den sogenannten Sunyaev-Zeldovich-Effekt, benannt nach dem emeritierten
Direktor des Max-Planck-Instituts für Astrophysik Rashid Sunyaev, der diesen
Effekt als erster theoretisch vorhersagte. Der Effekt wird beobachtet, wenn
Photonen des kosmischen Mikrowellenhintergrunds mit ihrer geringen Energie an
heißen Elektronen in der großräumigen Struktur des Universums gestreut werden.
Durch die Streuung wird Energie von den Elektronen auf die Photonen übertragen,
wodurch die heißen Elektronen sichtbar werden.
Die Stärke des Sunyaev-Zeldovich-Effekts ist proportional zum thermischen
Druck des Gases, der wiederum proportional zu der Temperatur der Elektronen ist.
Doch auch wenn diese Messung in der Theorie leicht zu erklären ist, so war das
Erfassen der dafür nötigen Daten kein leichtes Unterfangen. Die Studie entstand
in Zusammenarbeit von Forschern des Kavli Instituts für Physik und Mathematik
des Universums (Kavli IPMU) an der Universität Tokio, der
Johns-Hopkins-Universität und des Max-Planck-Instituts für Astrophysik. Die
Wissenschaftler verwendeten Daten sowohl vom Planck-Satelliten als auch
vom Sloan Digital Sky Survey (SDSS).
Planck ist eine Mission der europäischen Weltraumorganisation ESA,
welche die kosmische Mikrowellenhintergrundstrahlung vermessen hat. SDSS sammelt
detaillierte Bilder und Spektren von Galaxien. Mit der Kombination dieser beiden
Datensätze konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den thermischen
Druck um Galaxien und Galaxienhaufen messen.
Dabei kam die Studie zu dem Ergebnis, dass vor etwa acht Milliarden Jahren
(bei einer Rotverschiebung von 1) die mittlere Temperatur der Elektronen etwa
700.000 Grad Celsius betrug und bis heute auf zwei Millionen Grad Celsius
anstieg. Außerdem konnten die Forschenden zeigen, dass diese
Temperaturentwicklung fast vollständig durch das Wachsen der großräumigen
Strukturen hervorgerufen wird: In kollabierenden Galaxien und Galaxienhaufen
wird Gas durch Stoßwellen aufgeheizt.
Bereits im Jahr 2000 war Eiichiro Komatsu, Direktor am Max-Planck-Institut
für Astrophysik und leitender Wissenschaftler beim Exzellenzcluster "Origins",
an einer Studie beteiligt, um herauszufinden wie sich die Temperatur des
Universums entwickelt. "Seit 20 Jahren untersuchen wir, wie man dies mit dem
Sunyaev-Zeldovich-Effekt messen könnte", erinnert er sich. "Jetzt haben wir
endlich die Temperatur des Universums gemessen, und zwar nicht nur dank eines
bemerkenswerten Fortschritts bei den Beobachtungsdaten, sondern auch aufgrund
der engagierten Arbeit von brillanten jungen Wissenschaftlern wie Yi-Kuan Chiang
und Ryu Makiya. Das erfüllt mich mit Genugtuung", fügt Komatsu hinzu.
Über ihre Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift The Astrophysical Journal erschienen ist.
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