Der Schweif der Quallen-Galaxien
Redaktion
/ Pressemitteilung des Leibniz-Instituts für Astrophysik Potsdam (AIP) astronews.com
27. Oktober 2020
In Galaxienhaufen finden sich mitunter Systeme, denen ein
Gasschweif ein quallenartiges Aussehen verleiht - die sogenannten Jellyfish-Galaxien.
In dem Gasschweif scheinen sich sogar Sterne zu bilden, doch waren die genauen
Umstände dafür bislang unklar. Nun hat ein internationales Forschungsteam den Schweif
einer dieser Galaxien genauer untersucht.
Schützender Mantel: Magnetfeld der Jellyfish-Galaxie
JO206 Die Galaxie JO206 und ihr geordnetes
Magnetfeld (grüne Linien) entlang des
Gasschweifes. Die pinken Objekte charakterisieren
H-alpha-Emission, die möglicherweise einen
Hinweis auf neu entstehende Sterne gibt.
Bild: ESO/GASP Collaboration [Großansicht] |
Als "Jellyfish-Galaxien" werden Galaxien bezeichnet, die in das Zentrum
eines Galaxienhaufens stürzen und dabei einen Gasschweif ausbilden. Dieser
entsteht, während sich die Galaxie auf das Zentrum des Haufens zubewegt und
dabei das interstellare Gas in die entgegengesetzte Richtung gedrückt wird. So
erhalten die Galaxien ihr charakteristisches Erscheinungsbild, das an eine
Qualle (englisch: Jellyfish) erinnert. Die Galaxie sind aufgrund ihrer geringen
Helligkeit nur schwer zu untersuchen.
In früheren Studien ließ sich bereits nachweisen, dass sich in diesem
Gasschweif Sterne bilden können - allerdings war bisher unklar, welche besondere
Bedingungen dies ermöglichen. So ist unter anderem bekannt, dass Magnetfelder in
Galaxien zur Sternentstehung beitragen können. Doch spielen sie auch in den
Gasschweifen von Jellyfish-Galaxien eine Rolle? Ein deutsch-italienisches Team
ist nun dieser Frage auf den Grund gegangen.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Ruhr-Universität Bochum, des
Leibniz-Instituts für Astrophysik Potsdam (AIP) sowie des Istituto Nazionale
di Astrofisica (INAF) aus Padua, Selargius und Bologna analysierten die
Magnetfeldstruktur der Jellyfish-Galaxie JO206 und konnten zeigen, dass nicht
nur die Galaxienscheibe ein starkes Magnetfeld besitzt, sondern auch der
Gasschweif. Aus dem ungewöhnlich hohen Anteil an polarisierter Strahlung konnten
sie schließen, dass das Feld sehr genau entlang des Schweifs ausgerichtet ist.
"Während die Galaxie auf das Zentrum des Galaxienhaufens einfällt, findet
eine Wechselwirkung mit dem Medium zwischen den einzelnen Galaxien und dessen
Magnetfeld statt", erklärt Ancla Müller. Dieser Prozess könnte das Magnetfeld
von JO206 verstärken und auch den hohen Anteil an polarisierter Strahlung
erzeugen. Um diese ungewöhnlichen Parameter zu erklären, kamen im Anschluss
Computersimulationen zum Einsatz, mittels derer die Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler eine Theorie entwickelten: Demnach stürzt JO206 mit hoher
Geschwindigkeit ins Zentrum des Galaxienhaufens, sodass die Magnetfelder
wechselwirken und heiße Winde aus dem Medium zwischen den Galaxien zu
Ansammlungen von Plasma führen. Teile dieses Gemischs aus Ionen, Elektronen und
neutralen Teilchen kondensieren an den äußeren Schichten des Gasschweifs und
mischen sich dort mit der restlichen Materie.
"Während die Jellyfish-Galaxie durch den Galaxienhaufen fliegt, legt sich
dessen Magnetfeld wie ein Mantel um die Galaxie und wird durch die große
Galaxiengeschwindigkeit und Kühleffekte weiterhin verstärkt und geglättet",
erklärt Prof. Pfrommer. Die magnetische Schicht schützt den Gasschweif davor,
auseinanderzufallen. Diesen Ergebnissen zufolge wäre ausreichend Material für
die Sternentstehung im Gasschweif von JO206 vorhanden. Weitere Messungen an
anderen Objekten müssen nun zeigen, ob sich diese Theorie bestätigen lässt.
Über ihre Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel in der
Zeitschrift Nature Astronomy.
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