Galaxie mit gewaltigem Gasschweif
von Stefan Deiters astronews.com
22. Februar 2016
Astronomen haben einen mehr als 300.000 Lichtjahre
durchmessenden Gasschweif entdeckt, der von der Galaxie NGC 4569 im Virgo-Galaxienhaufen
ausgeht. Der Wasserstoff dürfte durch die Wechselwirkungen mit
dem Gas im Haufen aus der Galaxie herausgerissen worden sein. Lange Zeit hatte
man sich gewundert, warum die Galaxie weniger Gas besitzt als erwartet.
Die Galaxie NGC 4569 im Virgo-Galaxienhaufen.
Die roten Filamente sind der jetzt entdeckte
Gasschweif.
Bild: CFHT / Coelum
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Die Galaxie NGC 4569 ist uns vergleichsweise nahe: Sie ist Teil des Virgo-Galaxienhaufens,
der rund 55 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt ist und aus mehr als tausend
Galaxien besteht. Schon länger war Astronomen aufgefallen, dass NGC 4569 über
weniger Gas verfügt, als man dies eigentlich erwarten würde, konnten aber keinen
Anhaltspunkt dafür finden, wo dieses Gas geblieben ist.
"Wir hatten keine heiße Spur", so Luca Cortese vom International Centre for
Radio Astronomy Research in Australien, "also keinen Hinweis darauf, dass durch
irgendeinen Prozess Gas aus der Galaxie entfernt wird." Doch das hat sich nun
geändert: Die Astronomen entdeckten bei Beobachtungen einen mehr als 300.000
Lichtjahre durchmessenden Schweif aus Wasserstoffgas, der von der Galaxie
ausgeht.
"Dank unserer Beobachtungen können wir nun erstmals eine gewaltige Menge an Gas
sehen, die einen Schweif hinter der Galaxie bildet", erläutert Cortese. "Was
besonders schön ist: Wenn man die Masse des Schweifs misst, entspricht diese
genau der Menge an Gas, die in der Scheibe der Galaxie fehlt."
NGC 4569 bewegt sich mit einer Geschwindigkeit von rund 1.200 Kilometern pro
Sekunde durch den Galaxienhaufen. Und genau dies sorgt, so die Vermutung der
Astronomen, dafür, dass das Gas aus der Galaxie herausgerissen wird. "Wir
wissen, dass sich in großen Galaxienhaufen jede Menge an heißem Gas befindet",
erläutert Cortese. "Wenn also eine Galaxie in den Haufen eintritt, fühlt sie den
Druck dieses Gases, genau wie man den Fahrtwind im Gesicht spürt. Und dieser
Druck ist in der Lage, Materie aus der Galaxie herauszureißen."
Die Entdeckung ist den Astronomen mithilfe einer sehr empfindlichen Kamera
gelungen, die am Canada France Hawaii Telescope auf dem Mauna Kea auf Hawaii
montiert ist. Mit dem Instrument wurde NGC 4569 länger beobachtet als jemals
zuvor. Es könnte also sein, dass NGC 4569 nur die erste von vielen Galaxien ist,
bei der man einen solchen Gasschweif entdeckt.
"Das ist recht aufregend, weil das Ganze nur ein Versuch war und wir dazu lediglich
die hellste Spiralgalaxie im Virgo-Galaxienhaufen anvisiert hatten", so Cortese.
"Wir sind begeistert über das Resultat. Das ist wirklich vielversprechend,
weil es bedeutet, dass wir mit großer Wahrscheinlichkeit ähnliche Prozesse in
vielen anderen Galaxienhaufen finden werden."
Über ihre Beobachtungen berichten die Astronomen in einem Fachartikel, der in
der Zeitschrift Astronomy & Astrophysics erschienen ist.
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