Auf der Spur des Magnetfelds des Mondes
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Deutschen GeoForschungsZentrums GFZ astronews.com
19. Oktober 2020
Unser Mond hat kein globales Magnetfeld - zumindest heute
nicht mehr. Es finden sich allerdings Regionen, in denen sich ein starkes
Magnetfeld messen lässt. Schon länger rätselt man, wie diese magnetischen
Flecken entstanden sind. Handelt es sich um Reste eines globalen Magnetfeldes
oder sind es Folgen gewaltiger Kollisionen in der Vergangenheit? Neue Simulationen
erlauben nun erste Antworten.
Blick der Sonde Galileo auf die
erdabgewandte Seite des Mondes.
Bild: NASA/JPL [Großansicht] |
Der Mond hat – im Gegensatz zur Erde – kein inneres Magnetfeld. Jedenfalls
gegenwärtig nicht. Allerdings gibt es auf seiner Oberfläche Regionen von bis zu
mehreren hundert Kilometer Größe, in denen ein sehr starkes Magnetfeld herrscht.
Das haben Messungen an Gesteinsbrocken der Apollo-Missionen gezeigt.
Seither rätselt die Forschung über den Ursprung dieser magnetischen Flecken.
Eine These: Sie sind in irgendeiner Weise Überbleibsel eines Magnetfelds, das
in der Vergangenheit auch beim Mond durch einen inneren Kern induziert wurde -
möglicherweise ähnlich, wie es bei der Erde heute noch der Fall ist. Deren Kern
besteht aus geschmolzenem und festem Eisen und seine Drehung erzeugt das
Erdmagnetfeld. Warum das innere Feld des Mondes irgendwann erloschen ist, bleibt
weiterhin Gegenstand der Forschung.
Eine andere lange diskutierte Theorie über die lokalen Magnetflecken des
Mondes vermutet, dass sie die Folge von Magnetisierungsprozessen sind, die durch
Einschläge massiver Körper auf die Mondoberfläche ausgelöst wurden. Eine
kürzlich publizierte Studie zeigt nun, dass der Mond tatsächlich ein inneres
Magnetfeld gehabt haben muss. Das schließen die Forschenden aus komplexen
Computersimulationen, mit denen sie die zweite These widerlegen. Ihre Resultate
sind das Ergebnis einer großen internationalen Kooperation zwischen dem MIT, dem
GFZ-Potsdam, der UCLA, der Universität Potsdam, der University of Michigan und
der australischen Curtin University.
Die zweite These wurde unter anderem dadurch gestützt, dass große und starke
Magnetflecken auf der anderen Seite des Mondes, genau gegenüber großen
Mondkratern gefunden wurden. Ihre Entstehung wurde wie folgt vermutet: Weil der
Mond – im Gegensatz zur Erde – keine Atmosphäre besitzt, die ihn vor Meteoriten
und Asteroiden schützt, können solche massiven Körper mit voller Wucht auf ihn
einschlagen und Material seiner Oberfläche pulverisieren und ionisieren. Eine so
erzeugte Wolke geladener Teilchen umströmt den Mond, komprimiert den im All
gegenwärtigen magnetischen Sonnenwind und verstärkt so dessen Magnetfeld.
Gleichzeitig induziert der Sonnenwind ein Magnetfeld im Mond selbst. An der
dem Einschlag gegenüberliegenden Oberfläche verstärken sich alle diese Felder
und erzeugen im dortigen Krustengestein den beobachteten Magnetismus. Am
Beispiel einiger gut bekannter Mondkrater wie dem, den wir als sein "rechtes
Auge" ansehen, haben die Forschenden nun sowohl den Aufprall samt
Plasma-Entstehung, als auch die Ausbreitung des Plasmas um den Mond und den
Verlauf des im Mondinneren induzierten Feldes simuliert.
Mit Software, die ursprünglich für die Weltraumphysik und
Weltraumwetter-Anwendungen entwickelt wurde, spielten sie ganz unterschiedliche
Aufprallszenarien durch. Auf diese Weise konnten sie zeigen, dass die
Verstärkung der Magnetfelder aufgrund von Kollisionen und ausgestoßenem Material
allein nicht ausreicht, um die großen Feldstärken zu erzeugen, wie sie
ursprünglich auf dem Mond geschätzt und gemessen wurden: Das resultierende
Magnetfeld ist tausendmal schwächer als zur Erklärung der Beobachtungen
erforderlich.
Das bedeutet im Umkehrschluss allerdings nicht, dass es diese Effekte nicht
gibt; sie sind nur vergleichsweise schwach. Insbesondere ergaben die
Simulationen, dass die Feldverstärkung durch die Plasma-Wolke auf der
Einschlags-Rückseite eher oberhalb der Kruste passiert, und dass das Magnetfeld
im Inneren des Mondes unter anderem aufgrund von Dissipation durch
Verwirbelungen in Mantel und Kruste entscheidend an Energie verliert.
"Wie genau die Magnetflecken entstanden sind, muss also weiter erforscht
werden. Aber jetzt ist klar, dass hierfür irgendwann einmal ein inneres
Magnetfeld des Mondes vorhanden sein musste", sagt Yuri Shprits, Professor an
der Universität Potsdam und Leiter der Sektion Magnetosphärenphysik am
GFZ-Potsdam. "Darüber hinaus kann uns diese Studie helfen, die Natur des
dynamo-erzeugten Magnetfeldes besser zu verstehen und den Dynamoprozess auf der
Erde, den äußeren Planeten und Exoplaneten."
Über ihre Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Science Advances erschienen ist.
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