Eisen und das Erdmagnetfeld
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Elektronen-Synchrotrons astronews.com
6. Juni 2016
Das Magnetfeld der Erde ist für das Leben auf unserer
Heimatwelt von entscheidender Bedeutung, schützt es uns doch vor der
gefährlichen kosmischen Strahlung. Doch wodurch wird es angetrieben und wie
konnte es über so lange Zeit stabil bleiben? Die Wärmeleitfähigkeit des Eisens
im Erdinneren spielt dabei eine entscheidende Rolle. Genau diese wurde nun
gemessen.

Querschnitt durch die Erde, kombiniert mit
den Feldlinien des Erdmagnetfelds (simuliert vom
Glatzmaier-Roberts-Geodynamo-Modell).
Bild: DESY [Großansicht] |
Das Magnetfeld der Erde existiert seit mindestens 3,4 Milliarden Jahren -
auch dank der niedrigen Wärmeleitfähigkeit von Eisen im Kern unseres Planeten.
Das ist das Ergebnis der ersten direkten Messung der Eisen-Wärmeleitfähigkeit
bei Drücken und Temperaturen, die den Bedingungen im Erdkern entsprechen. Die
Messergebnisse könnten eine kürzlich aufgeflammte Debatte über das sogenannte
Geodynamo-Paradoxon beenden.
Der Geodynamo, der das Erdmagnetfeld erzeugt, speist sich aus der Konvektion
im äußeren Erdkern, die das flüssige, elektrisch leitfähige und eisenreiche
Material dort umwälzt wie kochendes Wasser in einem Topf. Kombiniert mit der
Erdrotation entsteht ein Dynamoeffekt, aus dem wiederum das Erdmagnetfeld
resultiert.
"Das Erdmagnetfeld schirmt uns von gefährlichen energiereichen Teilchen aus
dem All ab, der sogenannten kosmischen Strahlung. Seine Existenz ist einer der
Faktoren, die unseren Planeten bewohnbar machen", erläutert Zuzana Konôpková vom
Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY). "Daher waren wir an der
Wärmeleitfähigkeit von Eisen interessiert, um das Energiebudget des Erdkerns zum
Betrieb des Dynamos zu bestimmen", erläutert die Physikerin. "Die Erzeugung und
Erhaltung des Magnetfelds unseres Planeten hängt stark von der Wärme-Dynamik im
Kern ab."
Die Stärke der Konvektion im äußeren Erdkern hängt vom Wärmetransfer aus dem
Kern in den Erdmantel ab sowie von der Wärmeleitfähigkeit des Eisens im äußeren
Erdkern. Je mehr Wärme im äußeren Erdkern über direkte Wärmeleitung
transportiert wird, desto weniger Energie steht zur Verfügung, um die Konvektion
– und damit den Geodynamo – am Laufen zu halten. Eine niedrige
Wärmeleitfähigkeit bewirkt dagegen eine stärkere Konvektion und erhöht damit die
Chance für einen funktionierenden Dynamo.
Die Bestimmung der Wärmeleitfähigkeit unter den Bedingungen, die denen im
Erdkern ähneln, hat sich in der Vergangenheit allerdings als schwierig erwiesen.
Neuere theoretische Berechnungen lieferten eine vergleichsweise hohe
Wärmeleitfähigkeit von bis zu 150 Watt pro Meter pro Kelvin für Eisen im
Erdkern. Eine derart hohe Wärmeleitfähigkeit würde jedoch die Chancen
verringern, dass der Dynamoeffekt frühzeitig einsetzt.
Numerischen Modellrechnungen zufolge hätte der Geodynamo bei einer derart
hohen Wärmeleitfähigkeit von Eisen erst relativ kürzlich in der Erdgeschichte
entstehen dürfen, vor etwa einer Milliarde Jahren. Die Existenz des
Erdmagnetfelds lässt sich jedoch anhand von altem Gestein mindestens 3,4
Milliarden Jahre zurückverfolgen. "Es gibt eine heftige Debatte unter
Geophysikern, denn mit so einer hohen Wärmeleitfähigkeit wird es schwer, die
Geschichte des Erdmagnetfelds zu erklären, die sich aus urzeitlichem Gestein
ablesen lässt", sagt Konôpková.
Die DESY-Physikerin und ihre Kollegen Stewart McWilliams und Natalia
Gómez-Pérez von der Universität Edinburgh sowie Alexander Goncharov von der
Carnegie-Institution in Washington nutzten eine spezielle Hochdruckzelle, in der
sich Proben nicht nur zwischen zwei Diamantstempeln stark zusammenpressen,
sondern gleichzeitig mit zwei Infrarotlasern stark aufheizen lassen. Auf diese
Weise konnten sie die Eisen-Wärmeleitfähigkeit bei hohen Temperaturen und hohen
Drücken direkt bestimmen.
"Wir haben eine dünne Eisenfolie in der Diamantstempelzelle mit einem Druck
von 130 Gigapascal zusammengepresst, das ist über eine Million Mal so hoch wie
der Atmosphärendruck und entspricht ungefähr dem Druck an der Grenze von
Erdmantel und Erdkern", erläutert Konôpková. "Gleichzeitig haben wir die Folie
mit zwei Infrarotlasern durch die Diamanten auf bis zu 2700 Grad Celsius
aufgeheizt. Dann haben wir mit einem dritten Laser einen schwachen Puls auf eine
Seite der Folie geschossen, der eine thermische Störung ausgelöst hat. Die
folgende Temperaturentwicklung haben wir schließlich von beiden Seiten der Folie
mit einer optischen Streifenkamera beobachtet."
So konnten die Wissenschaftler die Wanderung des Wärmepulses durch das Eisen
verfolgen. Diese Messungen fanden bei verschiedenen Drücken und Temperaturen
statt - zum einen, um unterschiedliche Bedingungen im Inneren von Planeten
abzudecken, zum anderen, um eine systematische Untersuchung der
Wärmeleitfähigkeit als Funktion von Druck und Temperatur zu gewährleisten.
"Unsere Ergebnisse widersprechen den theoretischen Berechnungen deutlich",
berichtet Konôpková. "Wir haben sehr niedrige Werte von 18 bis 44 Watt pro Meter
pro Kelvin für die Wärmeleitfähigkeit gemessen, wodurch sich das Paradox
auflösen und der Geodynamo seit der Frühzeit der Erde funktionstüchtig sein
kann."
Über ihre Ergebnisse berichten die Wissenschaftler in einem Fachartikel, der
kürzlich in der Zeitschrift Nature erschienen ist.
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