Funkelnder Ring um ein Schwarzes Loch
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie astronews.com
24. September 2020
Die Veröffentlichung eines Bildes des Schattens des
zentralen Schwarzen Lochs der Galaxie Messier 87 war einer der
wissenschaftlichen Höhepunkte des vergangenen Jahres. Jetzt haben Astronominnen
und Astronomen sich ältere Beobachtungen des Schwarzen Lochs angesehen. So
konnten sie verfolgen, wie sich das Bild des Schattens des Schwarzen Lochs über
mehrere Jahre hinweg veränderte.
Der Ringdurchmesser hat sich im
Untersuchungszeitraum nicht verändert. Im Ring
sind allerdings Variationen zu erkennen.
Bild: M. Wielgus & die EHT Kollaboration [Gesamtansicht] |
Das Event-Horizon-Teleskop (EHT) ist kein einzelnes Instrument, sondern ein
globaler Zusammenschluss von Teleskopen. Zusammengeschaltet bilden sie ein
virtuelles Teleskop, dessen Durchmesser dem der Erde entspricht. Very-Long-Baseline-Interferometrie
(VLBI) heißt diese Technik, in der die Signale der Einzelantennen gleichsam
überlagert werden. Diese Synchronisation geschieht mithilfe von hochpräzisen
Atomuhren auf die Nanosekunde genau.
In den Jahren vor 2017 wurde M 87*, das supermassereiche Objekt im Zentrum
der Galaxie Messier 87, von einem kleineren VLBI-Netzwerk beobachtet, das als
Vorläufer des EHT den Weg zu nachfolgenden Beobachtungen geebnet hat. Zwischen
2009 und 2012 waren Teleskope in Kalifornien, Arizona, und Hawaii beteiligt. Im
Jahr 2013 kam das APEX-Teleskop in Chile dazu. Im Jahr 2017 kamen weitere
Antennen hinzu, insbesondere das ALMA-Interferometer in Chile, das
IRAM-30-Meter-Teleskop in Spanien und ein Teleskop am Südpol (SPT). Alan Roy,
VLBI-Projektwissenschaftler für APEX am Max-Planck-Institut für Radioastronomie
(MPIfR), sagt: "Durch die Teilnahme von APEX und ALMA, beide auf der
Südhalbkugel, konnte die Winkelauflösung des EHT dramatisch verbessert werden.
So wurde der Weg für eine Bildgebung in höchster Qualität geebnet."
"Die im April 2019 präsentierten Ergebnisse ergeben das Bild eines Schwarzen
Lochs mit zwei wesentlichen Elementen: einem Ring, der das um M 87* herum
wirbelnde Plasma zeigt und einem dunklen inneren Bereich, in dem wir den
Ereignishorizont des Schwarzen Lochs vermuten", erinnert sich Maciek Wielgus von
der Harvard-Universität. Das im Jahr 2019 präsentierte Ergebnis basiert auf
Beobachtungen über einen Zeitraum von nur einer Woche im April 2017 - das ist zu
kurz, um langfristige Veränderungen zu sehen. Auch nach der sorgfältigen Analyse
blieben einige Fragen bezüglich der zeitlichen Stationarität des Ringes offen.
Deshalb wurden vorhandene ältere Archivdaten nochmals untersucht. Die
Beobachtungen von 2009 bis 2013 basieren auf deutlich weniger Daten, als die von
2017. Deshalb ist es schwierig, M 87 ohne einige A-Priori-Annahmen zu kartieren.
Das EHT-Team verwendete daher geometrisch-basierte, ausgefeilte statistische
Modellverfahren, um nach zeitlichen Veränderungen im Erscheinungsbild von M 87*
in den Archivdaten zu suchen.
Die Beobachtungen zwischen 2009 und 2017 zeigen, dass M 87* weitgehend den
Erwartungen entspricht. Der Durchmesser vom Schatten des Schwarzen Lochs stimmt
mit den Vorhersagen von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie für ein
Schwarzes Loch mit 6,5 Milliarden Sonnenmassen überein. Die Tatsache, dass sich
die Morphologie des asymmetrischen Ringes über mehrere Jahre nicht ändert,
schafft Vertrauen in die Realität des publizierten Ringes als Schatten eines
Schwarzen Lochs sowie in dessen physikalische Interpretation.
Zwischen 2009 und 2017 bleibt der Durchmesser des Schattens also unverändert.
Dennoch halten die Daten für das EHT-Team noch eine kleine Überraschung bereit.
"Die Orientierung und Feinstruktur des Ringes ändert sich ein wenig mit der
Zeit. Dies erlaubt einen ersten Blick auf den Materiestrom, der auf das Schwarze
Loch einfällt, sowie auf seine Dynamik nahe des Ereignishorizonts", sagt Thomas
Krichbaum, Astronom am MPIfR. "Um zu verstehen, wie genau relativistische Jets
im Umfeld eines Schwarzen Lochs erzeugt werden, ist es wichtig, diese Region im
Detail zu untersuchen. Die genaue Form des Schattens wird es Wissenschaftlern in
Zukunft ermöglichen, neue Tests der Allgemeinen Relativitätstheorie zu
entwickeln", fügt er hinzu.
Während das Gas auf das Schwarze Loch fällt, wird es auf mehrere Milliarden
Grad Celsius aufgeheizt und ionisiert. Da der magnetisierte Materiestrom
turbulent ist, scheint der Ring im Laufe der Zeit zu funkeln, wodurch einige
theoretische Modelle der Akkretion hinterfragt werden müssen.
"In den kommenden Jahren möchten wir untersuchen, wie sich die Struktur von M
87* mit der Zeit verändert. Daher analysieren wir gerade die EHT-Daten aus dem
Jahr 2018 und bereiten die neuen Beobachtungen für 2021 vor. Dann werden drei
weitere Teleskope teilnehmen: das NOEMA-Interferometer in den französischen
Alpen, ein Teleskop in Grönland nahe Thule und das Kitt-Peak-Teleskop in
Arizona/USA. Unser virtuelles weltumspannendes Teleskop wird also größer und
empfindlicher und die bildgebenden Verfahren werden damit genauer. Ich gehe
davon aus, dass wir viel Neues über den Schatten des Schwarzen Lochs und den
inneren Jet der Radiogalaxie M87 lernen werden", schließt Anton Zensus, Direktor
am MPI für Radioastronomie und Gründungsvorsitzender des
EHT-Kollaborationsgremiums.
Über ihre Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel im
Astrophysical Journal.
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