Neue Solarzellen für den Weltraum
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Technischen Universität München astronews.com
28. August 2020
Ohne Solarzellen geht in der Raumfahrt kaum etwas. Doch
bisher sind Solarzellen vergleichsweise schwer. Das könnte sich mit einer neuen
Generation von Solarzellen ändern, die jetzt während eines Flugs auf einer
Forschungsrakete unter Weltraumbedingungen getestet wurde. Dabei vergingen von
der ersten Idee bis zum Flug ins All weniger als ein Jahr.

Nahaufnahme des Nutzlastmoduls "Organic and
Hybrid Solar Cells In Space" (OHSCIS).
Foto: Benjamin Predeschly / TUM [Großansicht] |
Nahezu alle Satelliten beziehen ihren Strom aus Solarzellen. Doch die sind
vergleichsweise schwer: Herkömmliche Hochleistungszellen liefern bis zu drei
Watt pro Gramm. Perowskit- und organische Hybridzellen könnten bis zum
Zehnfachen liefern. Erstmals hat nun ein Forschungsteam der Technischen
Universität München und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt
(DLR) solche Zellen im Weltraum getestet.
Perowskit- und organische Solarzellen gelten als vielversprechende Kandidaten
für zukünftige Generationen von Solarzellen. In den letzten Jahren haben ihre
Wirkungsgrade rasch zu den konventionellen Solarzellen auf Siliziumbasis
aufgeschlossen. "Die besten Perowskit-Solarzellen erreichen derzeit
Wirkungsgrade von 25 Prozent", sagt Peter Müller-Buschbaum, Professor für
funktionelle Materialien im Physik-Department der TUM. "Solche weniger als einen
Mikrometer dünnen Solarzellen, aufgebracht auf ultradünnen, flexiblen
Kunststofffolien, sind extrem leicht. Daher können diese Zellen eine
Energieausbeute von knapp 30 Watt pro Gramm erreichen."
Dies wird erst durch einen entscheidenden Vorteil der neuen Solarzellen
möglich: Während die Herstellung von Silizium-Solarzellen sehr hohe Temperaturen
und viele Prozessschritte erfordert, lassen sich Perowskit-Zellen und organische
Halbleiter bei Raumtemperatur und aus einer Lösung heraus herstellen. "Diese
organischen Lösungen kann man sehr einfach verarbeiten", sagt Lennart Reb
von der TU München. "So
erschließen die Technologien neue Anwendungsfelder, in denen herkömmliche
Solarzellen einfach zu unhandlich oder zu schwer waren – und das reicht weit
über die Raumfahrttechnik hinaus."
Auf einem Forschungsflug im Rahmen der Kampagne MAPHEUS 8 auf der
European Space and Sounding Rocket Range im schwedischen Kiruna wurden je
zwei verschiedene Typen von organischen und Perowskit-Solarzellen erstmals unter
Weltraumbedingungen getestet. Die Rakete erreichte dabei eine Höhe von knapp 240
Kilometern. "Mit unserem MAPHEUS-Programm haben wir die Möglichkeit, sehr zügig
Experimente in die Schwerelosigkeit zu bringen und so zu vielversprechenden
Forschungsergebnissen zu kommen", sagt Professor Andreas Meyer, Direktor des
DLR-Instituts für Materialphysik im Weltraum. "Dieses Mal ging es besonders
schnell: Von der ersten Idee bis zum Flug der Solarzellen während der MAPHEUS
8-Kampagne verstrich weniger als ein Jahr."
"Die elektrischen Messungen während des Fluges und die
materialwissenschaftliche Auswertung nach Bergung der Rakete haben gezeigt, dass
Perowskit- und organische Solarzellen ihr Potenzial hinsichtlich ihrer
erwarteten Leistung in Umlaufbahnhöhe erreichen können", sagt Müller-Buschbaum.
"Daher haben die Messungen einen hohen wissenschaftlichen Wert." Auch unter
diffusem Lichteinfall erzeugten die Solarzellen elektrische Energie.
"Sonnenabgewandte Zellen die während des Fluges nur spärliche Beleuchtung
ausschließlich von der Erde erhielten, lieferten dennoch Strom", sagt Reb.
Aufgrund ihrer sehr viel geringeren Schichtdicke könnten die neuen
Solarzellen daher auch bei schwachen Lichtverhältnissen eingesetzt werden,
beispielsweise für Missionen ins äußere Sonnensystem, wo die Sonne für
herkömmliche Weltraumsolarzellen zu schwach wird. "Es wäre nicht das erste Mal",
so Meyer, "dass Innovationen sich zuerst als Weltraumtechnologien etablieren,
bevor sie dann weltweit in anderen Bereichen angewendet werden. Ein Grund dafür
sind sicherlich die sehr hohen Anforderungen, die der Weltraum an alle
technischen Komponenten stellt."
Über die Ergebnisse berichtet das Team in der Fachzeitschrift Joule.
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