Bessere Solarzellen durch Experiment im All
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Fraunhofer-Gesellschaft astronews.com
22. Februar 2012
Um die Produktion leistungsfähigerer Solarzellen zu ermöglichen,
versuchen Forscher vom Fraunhofer-Institut für Integrierte Systeme und
Bauelementetechnologie in Erlangen die Züchtung von Siliziumkristallen
besser zu verstehen. Dazu bereiten sie gerade das Weltraumexperiment
ParSiWal vor, das 2013 auf der deutschen Forschungsrakete TEXUS
51 mitfliegen soll.
Start der
Forschungsrakete TEXUS 48 am 27. November 2011 vom Raumfahrtzentrum Esrange bei Kiruna in Nordschweden.
Foto: DLR |
Bei der industriellen Produktion von multikristallinen Siliziumblöcken
für die Photovoltaik spielen Partikel in Form von Siliziumkarbid (SiC)
eine große Rolle. Diese sind aufgrund ihrer gegenüber Silizium größeren
Härte problematisch für die anschließende mechanische Bearbeitung. Zudem
können sie in Solarzellen zu Kurzschlussströmen führen und damit den
Wirkungsgrad verschlechtern. Der Einbau dieser Partikel in den
Siliziumkristall muss deshalb vermieden werden.
Die SiC-Partikel entstehen normalerweise während der Kristallisation in
Folge eines Eintrages von Kohlenstoff über die Gasatmosphäre in die
Siliziumschmelze beim Überschreiten der Löslichkeitsgrenze. Die Partikel
schwimmen in der 1400 Grad Celsius heißen Schmelze, bewegen sich mit der
Schmelzkonvektion durch das Schmelzvolumen und können schließlich in den
Festkörper eingebaut werden.
Verschiedene theoretische Arbeiten sagen vorher, dass der Einbau der
Partikel von der Geschwindigkeit abhängt, mit der der Kristall erstarrt.
Ist die Wachstumsgeschwindigkeit kleiner als ein kritischer Wert,
sollten die Partikel theoretisch vor der Fest-flüssig-Phasengrenze
hergeschoben werden. Wird der kritische Wert überschritten, werden sie
von der sich bewegenden Phasengrenze eingefangen und in den Kristall
eingebaut.
Wendet man diese für metallische Legierungen anerkannten Theorien auf
Siliziumkristalle an, die im Labor auf der Erde gezüchtet werden,
dürften diese eigentlich nie die nur wenige Mikrometer großen SiC-Partikel
enthalten, da die Wachstumsrate des Kristalls so klein ist, dass die
Partikel immer vor der Phasengrenze hergeschoben werden müssten. Dies
widerspricht aber voll und ganz den experimentellen Beobachtungen und
der Realität in den industriellen Prozessen.
Hier kommt nun die Schwerelosigkeit ins Spiel. Die Schwerkraft hat einen
maßgeblichen Einfluss auf die Strömung in der Siliziumschmelze, die
ihrerseits wiederum die Verteilung der Partikel im Schmelzvolumen
bestimmt. Die Schwerkraft wirkt auch direkt auf die Partikel und lässt
sie beispielsweise absinken, wenn die Partikel eine höhere Dichte
besitzen als die Schmelze, was bei den SiC-Partikeln in der
Siliziumschmelze auch der Fall ist. Im Weltall unter Schwerelosigkeit
sind diese schwerkraftgetriebenen Effekte jedoch ausgeschaltet. Das
verringert die Komplexität der Vorgänge erheblich und erleichtert damit
auch deren physikalische Beschreibung.
Unter Schwerelosigkeit kann somit geprüft werden, ob die existierenden
Theorien für den Partikeleinfang auch bei Silizium gültig sind oder ob
diese Theorien für Silizium erweitert werden müssen, um bislang noch
nicht berücksichtigte physikalische Effekte zu erfassen. Das Akronym
ParSiWal steht für "Bestimmung der kritischen
Einfanggeschwindigkeit von Partikeln bei der gerichteten Erstarrung von
Solarsilizium im Weltall". Das Experiment soll während des Fluges der
Forschungsrakete TEXUS 51 durchgeführt werden, deren Start im
kommenden Jahr geplant ist.
In dem seit 1976 von den Bundesministerien für Bildung und Forschung
sowie für Wirtschaft und Technologie über das DLR-Raumfahrtmanagement
geförderten Texus-Programm ("Technologie-Experimente unter
Schwerelosigkeit") wird mit Hilfe von Forschungsraketen für etwa sechs
Minuten Experimentierzeit eine annähernde Schwerelosigkeit erreicht. Die
Forschungsrakete startet von Esrange bei Kiruna in Nordschweden und
erreicht während ihres ballistischen Flugs eine Gipfelhöhe von bis zu
270 Kilometern. Die Nutzlast landet etwa 20 Minuten nach dem Start am
Fallschirm und wird anschließend per Hubschrauber geborgen.
Das ParSiWal-Experiment wird in einer mit Lampen beheizten
Ofenanlage, der sogenannten ELLI-Anlage, durchgeführt. Die Anlage wurde
bereits mehrfach erfolgreich als Nutzlast in TEXUS-Raketen für
Kristallzüchtungsexperimente eingesetzt. Vor der Mission wird dazu ein
zylindrischer Siliziumstab mit acht Millimetern Durchmesser in die
Ofenanlage eingesetzt, der ein Depot an Partikeln unterschiedlicher
Größe enthält. Kurz nach Erreichen der Schwerelosigkeit wird in dem
Siliziumstab in der Umgebung des Partikel-Depots durch eine
Induktionsspulenheizung eine flüssige Schmelzzone erzeugt.
Nachdem die Partikel durch sogenanntes Magnetfeldrühren in der
Schmelzzone verteilt werden, wird der Siliziumstab verfahren. Dadurch
bewegt sich die Schmelzzone durch den Stab und somit auch die
Fest-flüssig-Phasengrenze. Durch Variation der Verfahr- bzw.
Kristallisationsgeschwindigkeit während des Fluges hoffen die
Fraunhofer-Forscher, die kritische Einfanggeschwindigkeit für die
Partikel bestimmen zu können. Vor dem Ende der schwerelosen Flugphase
wird die Lampenheizung ausgeschaltet, so dass die Schmelzzone komplett
erstarrt, bevor die Nutzlast am Fallschirm wieder auf der Erde landet.
Die Auswertung des Experimentes erfolgt dann im Labor, wo zum Beispiel
die Partikelverteilung im Siliziumstab vermessen wird.
Bis zum Flug ist einiges vorzubereiten, damit das Experiment reibungslos
ablaufen kann. Es müssen verschiedene Siliziumstäbe für
Voruntersuchungen, für Referenzexperimente auf der Erde und für das
eigentliche Flugexperiment vorbereitet werden. Darüber hinaus müssen die
Auswertung des Flugexperiments vorbereitet und in Voruntersuchungen im
Labor verschiedene Versuchsparameter ausgetestet werden, so dass sich
ein optimaler Prozessablauf für das TEXUS-Experiment ergibt.
Parallel zu den Experimenten gilt es, durch die Entwicklung geeigneter
Theorien und Simulationstechniken ein tiefergehendes Verständnis über
die Wechselwirkung zwischen den Partikeln und der sich bewegenden
Phasengrenze zu gewinnen. All diese Arbeiten erfordern
unterschiedlichste Kompetenzen und Erfahrungen, weshalb die Forscher vom
Fraunhofer IISB mit anderen Experten aus Deutschland und den USA. Für
die Erlanger Forscher wird ParSiWal das achte
Weltraumexperiment auf dem Gebiet der Kristallzüchtung seit 1983 sein.
Das erste Erlanger Experiment dieser Art wurde 1983 vom
Wissenschaftsastronauten Ulf Merbold auf dem Space Shuttle
während der ersten Spacelab-Mission durchgeführt.
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