Erfolgreicher Flug von TEXUS 47
Redaktion
/ Pressemitteilungen des DLR astronews.com
30. November 2009
Mit dem Start der Mission TEXUS 47 am Sonntag und der anschließenden Bergung
der Nutzlast konnte das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt die
diesjährige TEXUS-Forschungskampagne erfolgreich abschließen. Die Flüge, auf
denen für einige Zeit Schwerelosigkeit herrscht, dienen auch zur
Vorbereitung von Experimenten für die ISS.
Am 29. November 2009 um 10.00 Uhr
Mitteleuropäische Zeit ist von Kiruna in
Nordschweden eine TEXUS-Forschungsrakete
(Technologische Experimente unter
Schwerelosigkeit) im Auftrag des Deutschen
Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit
deutschen Experimenten an Bord erfolgreich
gestartet.
Foto: Astrium |
Mit dem Start der Raketenmission TEXUS 47 des Deutschen Zentrums für
Luft- und Raumfahrt (DLR) am 29. November 2009 um 10.00 Uhr von Esrange
bei Kiruna in Nordschweden und der geglückten Bergung ihrer Nutzlast
konnte die diesjährige TEXUS-Forschungskampagne (Technologische
Experimente unter Schwerelosigkeit) erfolgreich abgeschlossen werden.
Während des parabelförmigen Flugs erreichte die VSB-30-Rakete eine Höhe
von 264 Kilometern. Dabei herrschte für etwa sechseinhalb Minuten
Schwerelosigkeit. Wissenschaftler aus Forschungsinstituten und der
Industrie nutzen diese Phase für biologische und
Materialforschungsexperimente. Bereits sieben Tage zuvor war TEXUS 46
erfolgreich geflogen, ein gemeinsames Projekt des DLR, der Europäischen
Weltraumorganisation ESA und der japanischen Raumfahrt-Agentur JAXA.
Insgesamt vier Versuchsanlagen flogen auf TEXUS 47 mit. Das Experiment von
Wissenschaftlern der Universität Freiburg beschäftigte sich mit der Züchtung von
Silizium-Kristallen, dem technisch wichtigsten Halbleiter. Unter den normalen
Bedingungen der Erdschwerkraft entstehen in der Silizium-Schmelze, aus der die
Kristalle wachsen, Auftriebsströmungen. Diese Störungen entfallen in der
Schwerelosigkeit. Daher lässt sich der Effekt anderer, schwerkraftunabhängiger
Strömungen besser untersuchen. Die Forscher können so neue technische Maßnahmen
zur Beeinflussung dieser Strömungen testen. Die Informationen aus dem Experiment
können dann in die Kristallzüchtung auf der Erde einfließen.
Im materialwissenschaftlichen Experiment TRACE (Transparent Alloys for
Columnar Equiaxed Solidification) des Forschungszentrums ACCESS aus Aachen
wurden Vorgänge und Strukturen untersucht, die bei der Erstarrung metallischer
Legierungen eine Rolle spielen. Dies wurde beispielhaft an einem Gemisch
organischer Substanzen durchgeführt, das so ähnlich wie ein flüssiges Metall
erstarrt. Die Durchsichtigkeit dieser Legierung erlaubte dabei eine direkte
Beobachtung des Erstarrungsablaufes. Die so gewonnenen Daten sollen zur
Verbesserung industrieller Gießprozesse beitragen.
Das biologische Experiment der Universität Tübingen möchte herausfinden, wie
Pflanzenzellen der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) auf veränderte
Umweltbedingungen reagieren. Die Aufhebung der Schwerkraft im TEXUS-Flug ist
eine solche Veränderung. Aus Untersuchungen auf der Erde ist bekannt, dass die
Pflanze auf erhöhte Schwerkrafteinflüsse mit der Bildung spezieller
Sauerstoffverbindungen reagiert. Auf TEXUS 47 wurde nun untersucht, ob dies auch
für den Fortfall der Schwerkraft gilt, und welche speziellen Genprodukte und
Proteine die Zellen dabei produzieren. Pflanzen, aber auch Pilze, nehmen das
Gravitationsfeld der Erde wahr und orientieren ihr Wachstum an der Richtung der
Schwerkraft - ein Phänomen, das unter dem Begriff Gravitropismus bekannt ist.
Forscher der Universität Marburg untersuchten auf dem TEXUS 47-Flug am
Beispiel eines einzelligen Pilzes (Phycomyces blakesleeanus), welche
unmittelbaren Vorgänge in den Pilzzellen bei der Wahrnehmung von Positions- und
Schwerkraftänderungen ablaufen. Diese bezeichnen die Biologen als gravitropische
Primärreaktionen. Durch den Einsatz einer Zentrifuge in der Experimentanlage
bestimmten die Wissenschaftler außerdem, ab welcher "Schwerkraftstärke" –
zwischen Schwerelosigkeit und normaler Erdschwerkraft – diese Reaktionen
einsetzen.
Sieben Tage zuvor, am 22. November 2009, startete die Forschungsrakete TEXUS
46, erreichte eine Gipfelhöhe von 253 Kilometern und lieferte den
Wissenschaftlern sechseinhalb Minuten Schwerelosigkeit für ihre Forschungen.
Beim Mitflug auf TEXUS 46 kam die deutsch-europäische elektromagnetische
Levitationsanlage EML bereits zu ihrem dritten Einsatz. Mit diesem Gerät können
Eigenschaften von flüssigen, frei schwebenden Metallen mit weit höherer
Präzision als auf der Erde untersucht werden. Beteiligt waren Wissenschaftler
der Universität Ulm und des DLR-Instituts für Materialphysik im Weltraum in
Köln. Mit den gewonnenen Erkenntnissen lassen sich industrielle
Produktionsprozesse in der Computersimulation und schließlich in der Praxis beim
Gießen von Metallschmelzen verbessern.
Zudem flog auf dieser Mission nach längerer Zeit wieder eine Experimentanlage
aus Japan mit. In Kooperation zwischen ESA und JAXA wurde darin ein Experiment
zur Verbrennung kleiner Tröpfchen durchgeführt. Unter Federführung deutscher
Wissenschaftler des Zentrums für angewandte Raumfahrttechnologie und
Mikrogravitation (ZARM) in Bremen und der Technischen Universität München stand
insbesondere die Frage der Verbrennungseigenschaften von Brennstoffsprays im
Mittelpunkt der Untersuchungen. Außerdem analysierten die Wissenschaftler die
entstandenen Abgase, um künftig Strategien zur Reduzierung von schädlichen
Stickoxiden entwickeln zu können.
Die Startvorbereitungen und Durchführung der beiden TEXUS-Missionen oblag
EADS Astrium in Bremen. Weiterhin beteiligt waren die Kayser-Threde GmbH in
München, die mobile Raketenbasis MORABA und das Nutzerunterstützungszentrum MUSC
des DLR, die brasilianischen Raumfahrtorganisation CTA (Centro Técnico
Aerospacial) sowie die schwedische Raumfahrt-Organisation SSC (Swedish
Space Corporation).
Seit 1976 wurden im TEXUS-Programm bereits 47 Flüge erfolgreich absolviert.
TEXUS (Technologische Experimente unter Schwerelosigkeit) bietet
Wissenschaftlern die Möglichkeit, unter Schwerelosigkeit zu forschen und
Experimente für die Internationale Raumstation ISS vorzubereiten. TEXUS zeichnet
sich durch eine weitgehende Wiederverwendbarkeit der Nutzlasten, kurze
Vorbereitungs- und Zugriffszeiten, einen regelmäßigen und nutzerfreundlichen
Zugang zur Schwerelosigkeit und die im Vergleich zu bemannten Missionen
niedrigeren Sicherheitsanforderungen aus.
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