Der Ursprung des Lebens im Labor
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Ludwig-Maximilians-Universität München astronews.com
6. August 2020
In einem Laborsystem, das die geologischen Bedingungen der
frühen Erde imitieren soll, stellen Biophysikerinnen und Biophysiker nach, wie
sich in porösem, vulkanischem Gestein erste Erbgutbausteine vervielfältigt haben
könnten. Sie beobachteten dabei eine Art Mikrogolfstrom für Moleküle, die als
Bausteine des Lebens gehandelt werden.
Poröses Vulkangestein diente als Vorbild für
die Umweltbedingungen der Simulationen zu den
Anfängen des Lebens.
Foto: Dieter Braun [Großansicht] |
Leben entwickelte sich durch Evolution; das postulierte Charles Darwin schon
vor langer Zeit. Doch wie begann diese Geschichte des Lebens, wie konnten sich
aus gewöhnlicher Materie die ersten einfachen Bausteine bilden, die die
Entstehung des Lebens in Gang setzten? Für den Ursprung des Lebens musste auf
der frühen Erde eine Umgebung existieren, in der molekulare Evolution möglich
war. Forscher versuchen daher, Bedingungen zu identifizieren, die die ersten
Schritte der molekularen Evolution aus sehr einfachen Komponenten hin zu immer
komplexeren Einheiten einleiten konnten – ohne menschliches Eingreifen.
"Hierzu ist es nötig, die präbiotische Chemie in ein passendes physikalisches
Nichtgleichgewicht einzubetten", erläutert Prof. Dr. Dieter Braun von der
Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU). Ein Team um den LMU-Biophysiker
ist diesem Ziel gemeinsam mit Forschern aus dem Salk Institute San Diego
einen großen Schritt nähergekommen. Sie zeigten experimentell, dass ein
Wärmefluss, eine Art Mikrogolfstrom innerhalb von wassergefülltem, porösem
Vulkangestein, die Vervielfältigung von RNA antreiben kann.
RNA ist neben der DNA als zentrales Erbgutmolekül im Fokus der Forschung nach
dem Ursprung des Lebens, denn es ist in der Lage, Informationen zu speichern und
diese zu kopieren - eine der grundlegenden Eigenschaften von Leben. Genau wie
DNA ist auch RNA in der Lage, Informationen zu kodieren. Zusätzlich kann sich
RNA aufgrund ihrer im Vergleich zur DNA leicht modifizierten, etwas einfacheren
chemischen Eigenschaften in dreidimensionale Strukturen falten, die von der
einfachen Helixstruktur abweichen. Diese sogenannten Ribozyme können ähnlich wie
Proteine chemische Reaktionen herbeiführen.
Auf dieser Dualität basiert die sogenannte RNA-Welt Hypothese. Diese geht
davon aus, dass am Beginn des Lebens RNA sowohl die heutige Rolle von DNA, als
auch die Rolle von Proteinen übernommen hat. Der Vervielfältigung der RNA kommt
bei der Entstehung des Lebens eine Schlüsselrolle zu. Um die präbiotischen
Bedingungen zu simulieren, entwarfen die Biophysiker ein Experiment, in dem eine
zylindrische Kammer eine Pore in vulkanischem Gestein imitiert. Auf der frühen
Erde könnte so ein poröses Gestein einem natürlichen Temperaturgradienten
ausgesetzt gewesen sein. Heiße Fluide aus dem Erdinneren könnten auf einen
kalten Ozean, einen kalten See oder auf kaltes Gestein getroffen sein.
In der Forschung nach dem Ursprung des Lebens sind solche unterseeischen,
hydrothermalen Mikrokosmen ein häufig verwendetes Modellsystem. Auf kleinstem
Raum können dort große Temperaturschwankungen auftreten und Wärmeflüsse sowie
Konvektion verursachen. Dies bilden die Forschenden nach. Die LMU-Forscher
konnten dabei zeigen, dass solche Temperaturunterschiede den Kopiervorgang von
RNA-Sequenzen durchaus antreiben können.
Ein Hauptproblem beim Kopieren ist, dass bei hohen Temperaturen, die
notwendig sind, um doppelsträngige RNA in einzelne Stränge zu "schmelzen", RNA
auch zersetzt werden kann. Hier wendeten die Biophysiker einen Trick an. "In
unserem Experiment stellt ein einfacher Wärmefluss durch eine geschlossene Pore
eine Kombination aus Konvektion, Thermophorese und Brown‘scher Bewegung her",
erklärt Braun. Das ist essentiell für das System, denn "kleine RNA-Moleküle
wurden zyklisch zur Strangtrennung in warme Regionen bewegt, während das
sensible RNA-Ribozym durch die bevorzugte Akkumulation in kälteren Regionen vor
Denaturierung geschützt wurde."
Es entstand eine Art Mikrogolfstrom für RNA-Moleküle. Erstaunt waren die
Forscher, dass sich die Ribozyme zu größeren Komplexen zusammenschlossen und so
sehr effektiv in der kälteren Region aufkonzentriert werden konnten. Die labilen
Ribozyme konnten so ihre Lebensdauer trotz der hohen Temperatur um ein
Vielfaches verlängern. "Das war für uns völlig überraschend", sagt Braun.
Derzeit ist die Länge der replizierten Stränge noch begrenzt. Die kürzesten
RNA-Sequenzen vervielfältigen sich nämlich am schnellsten, die kopierte RNA wird
immer auf ihre minimale Länge reduziert und eine Evolution mit ansteigender
Komplexität ist nicht möglich. Eine echte Darwin‘sche Evolution längerer
RNA-Stränge wird durch die Bedingungen noch nicht bevorzugt. "Aufgrund von
Modellrechnungen sind wir aber zuversichtlich, dass dies durch eine weitere
Optimierung der thermischen Fallen in Zukunft möglich sein wird", sagt Braun.
Denkbar wäre, so das Team, auch ein System, in dem sich das Ribozym aus kürzeren
Strängen zusammensetzt, die es dann wiederum selbst replizieren kann.
Über die Ergebnisse ihrer Untersuchung berichtet das Team in einem
Fachartikel, der in der Zeitschrift Physical Review Letters erschienen ist.
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