Der Durchmesser ferner Sterne
Redaktion
/ Pressemitteilung des DESY astronews.com
4. August 2020
Mit den vier Teleskopen des VERITAS-Observatoriums ist es
einem Team von Astronominnen und Astronomen nun gelungen, den Durchmesser von
zwei Sternen zu bestimmen, die 500 und 2000 Lichtjahre von der Erde entfernt
sind. Die Teleskope suchen eigentlich nach Tscherenkow-Licht, für die Studie
nutzte das Team Zeiten, in denen solche Beobachtungen nicht möglich waren.
Die Teleskope des VERITAS-Arrays am
Fred-Lawrence-Whipple-Observatorium in Arizona.
Bild: VERITAS [Großansicht] |
Ein Forschungsteam hat spezialisierte Gammastrahlen-Teleskope dank einer
wiederbelebten Technik zu einem großen virtuellen Teleskop zusammengeschaltet
und damit die Durchmesser Hunderte Lichtjahre entfernter Sterne gemessen. Die
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verwendeten die vier Teleskope des
VERITAS-Observatoriums (Very Energetic Radiation Imaging Telescope Array System)
in den USA, um mit der Methode der stellaren Intensitätsinterferometrie (SII)
die Ausdehnung des 500 Lichtjahre entfernten blauen Riesen Beta Canis Majoris
und des 2000 Lichtjahre entfernten Überriesen Epsilon Orionis zu bestimmen.
Die vor knapp 50 Jahren entwickelte Methode der stellaren
Intensitätsinterferometrie könnte eine vielversprechende Zweitnutzung von
Gammastrahlen-Observatorien wie dem künftigen Cherenkov Telescope Array
(CTA) erlauben, wie das von Astronomen des Harvard-Smithsonian Center for
Astrophysics (CfA) und der University of Utah geleitete Team, dem
auch Wissenschaftler von DESY angehören, in einer jetzt vorgestellten Studie
schreibt.
"Ein gutes Verständnis der Sternphysik ist wichtig für eine ganze Reihe
astronomischer Fachgebiete, von der Suche nach Exoplaneten bis hin zur
Kosmologie", erläutert Nolan Matthews von der University of Utah, einer
der Autoren der Studie. "Allerdings werden Sterne wegen ihrer großen Entfernung
von der Erde oft als Punktlichtquellen gesehen." Die Interferometrie habe sich
als sehr erfolgreiche Technik erwiesen, wenn es darum gehe, eine ausreichende
Winkelauflösung zur Untersuchung von Sternen zu erreichen. "Wir haben gezeigt,
dass optische Intensitätsinterferometrie-Messungen mit einer Matrix aus vielen
Teleskopen möglich sind, die wiederum unserem Verständnis von Sternsystemen
helfen werden", sagt Matthews.
Normalerweise spähen die VERITAS-Teleskope nach den schwachen blauen Blitzen
des Tscherenkow-Lichts, das entsteht, wenn kosmische Gammastrahlen auf die
Erdatmosphäre treffen. Diese Beobachtungen sind jedoch auf dunkle mondlose
Stunden beschränkt. Das Team nutzte für seine Studie im Dezember 2019 eine Zeit,
als VERITAS seine normalen Beobachtungen nicht durchführen konnte.
"Dank moderner Elektronik konnten wir die Lichtsignale der einzelnen
Teleskope per Computer kombinieren. Das resultierende Instrument hat die
optische Auflösung eines Reflektors von der Größe eines Fußballfelds", erklärt
Forschungsleiter David Kieda von der University of Utah. "Dies ist die
erste Anwendung der ursprünglichen Hanbury-Brown-Twiss-Methode bei einer Matrix
optischer Teleskope."
Das Team beobachtete beide Sterne mehrere Stunden lang. Die Messungen ergaben
Winkeldurchmesser von 0,523 Millibogensekunden für Beta Canis Majoris und 0,631
Millibogensekunden für Epsilon Orionis. Eine Millibogensekunde entspricht in
etwa der Ausdehnung einer Zwei-Cent-Münze auf dem Eiffelturm in Paris von New
York aus betrachtet. "Die Messwerte für beide Sterne stimmen gut mit früheren
Messungen überein, die mit derselben Technik mit den Narrabri-Teleskopen in den
1970er Jahren durchgeführt wurden", berichtet DESY-Forscher Tarek Hassan, der an
der Auswertung der VERITAS-Messungen beteiligt war.
Die von 1963 bis 1974 betriebenen Narrabri-Teleskope waren die ersten
Instrumente, die Sterndurchmesser mithilfe der stellaren
Intensitätsinterferometrie bestimmt haben. Das VERITAS-Team konnte jetzt
erhebliche Verbesserungen der Empfindlichkeit der Technik demonstrieren und auch
ihre Skalierbarkeit dank digitaler Elektronik. Mit der Methode lassen sich auch
Dutzende von Teleskopen kombinieren, betonen die Forscher.
Das könnte sich als eine interessante Option für nicht nutzbare
Beobachtungszeit am künftigen Cherenkov-Teleskop-Array erweisen. Es wird das
größte Gammastrahlen-Observatorium der Welt sein. Das CTA wird Gammateleskope in
drei Größenklassen umfassen, DESY ist für die mittelgroßen Teleskope
verantwortlich. "Das CTA wird bis zu 99 Teleskope mit Kilometer-Basislinien auf
der Südhalbkugel und 19 Teleskope mit mehreren hundert Metern Basislinien auf
der Nordhalbkugel besitzen", erläutert Hassan. "Stellare
Intensitätsinterferometrie-Messungen mit dem CTA könnte uns künftig erlauben,
Sterne mit beispielloser Winkelauflösung zu untersuchen."
Die Intensitätsinterferometrie könnte es den Wissenschaftlern dabei nicht nur
ermöglichen, die Durchmesser von Sternen zu bestimmen, sondern auch
Sternenoberflächen abzubilden und die Eigenschaften von Systemen wie
wechselwirkenden Doppelsternen, schnell rotierenden Sternen oder pulsierender
sogenannter Cepheiden-Variablen zu messen. In einer früheren Studie hatten
Forscherinnen und Forscher in einem innovativen Verfahren mit Gammateleskopen
bereits die Größe von Sternen bestimmt, indem sie Asteroidenbedeckungen dieser
Sterne beobachteten (astronews.com berichtete). Diese Untersuchungen zeigen, dass Gammateleskope und die
Forschung mit ihnen vielseitiger sind als angenommen.
VERITAS ist ein System aus vier optischen Zwölf-Meter-Reflektoren für die
Gammastrahlenastronomie am Fred-Lawrence-Whipple-Observatorium des CfA in Amado
im US-Bundesstaat Arizona. An VERITAS arbeiten etwa 80 Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler von 20 Institutionen in den Vereinigten Staaten, Kanada,
Deutschland und Irland. Über die Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel in der
Zeitschrift Nature Astronomy.
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