Durchmesser von entfernten Sternen bestimmt
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Deutschen Elektronen-Synchrotrons DESY astronews.com
16. April 2019
Mithilfe des Very Energetic Radiation Imaging System
(VERITAS)
ist es Forschenden nun gelungen, die Größe eines Riesensterns in 2674 Lichtjahren Entfernung und eines
sonnenähnlichen Sterns in 700 Lichtjahren Distanz zu bestimmen. Sie werteten
dazu die Beugungsmuster aus, die entstanden, als ein Asteroid des Sonnensystems
die fernen Sterne bedeckte.
Wenn ein Asteroid vor einem Stern
vorbeizieht, entsteht ein Beugungsmuster (hier
deutlich übertrieben dargestellt), aus dem sich
der Durchmesser des Sterns bestimmen lässt.
Bild: DESY, Lucid Berlin [Großansicht] |
Nahezu jeder Stern am Nachthimmel ist selbst für die besten Teleskope zu weit
entfernt, um seine Größe direkt zu bestimmen. Die Forscher nutzten daher ein
optisches Phänomen namens Diffraktion, um die Sterndurchmesser zu bestimmen.
Dieser Effekt lässt sich unter anderem beobachten, wenn ein Asteroid aus unserem
Sonnensystem zufällig vor einem weit entfernten Stern vorbeiwandert. "Die extrem
schwachen Schatten von Asteroiden ziehen jeden Tag über uns hinweg", erläutert
Tarek Hassan vom Deutschen Elektronen-Synchrotrons DESY. "Dabei ist der Rand des
Schattens jedoch nicht scharf. Stattdessen ist der zentrale Schatten umgeben von
Lichtmustern, die an kleine Wasserwellen erinnern."
Die Physik bezeichnet das als Beugungsmuster. Es lässt sich in jedem
Schülerlabor mithilfe eines Lasers erzeugen, der auf eine scharfe Kante
gerichtet wird. Die Form des Musters erlaubt Rückschlüsse auf die Ausdehnung der
Lichtquelle. Anders als das Beugungsmuster in einem Schülerlabor lässt sich das
eines Sterns an einem Asteroiden jedoch nur sehr schwer messen. "Die
Sternbedeckungen durch Asteroiden sind sehr schwer vorherzusagen", sagt Michael
Daniel vom Smithsonian Astrophysical Observatory (SAO). "Und das Beugungsmuster
lässt sich nur erkunden, in dem man schnelle Schnappschüsse macht, während der
Schatten über das Teleskop wandert."
Astronomen haben auf diese Weise bereits Sterne vermessen, die vorübergehend
vom Mond bedeckt wurden. Das funktioniert ungefähr bis zu einer scheinbaren
Größe, also einem Winkeldurchmesser, von einer tausendstel Bogensekunde. Zum
Vergleich: So groß würde eine Zwei-Cent-Münze auf dem Pariser Eiffelturm von New
York aus erscheinen. Allerdings sind nicht viele Sterne am irdischen Himmel so
groß. Um noch kleinere Winkeldurchmesser zu bestimmen, nutzte das Team nun
Tscherenkow-Teleskope. Diese Instrumente sind darauf spezialisiert, das extrem
kurze und schwache bläuliche Leuchten einzufangen, das entsteht, wenn ein
energiereiches Teilchen oder Gammaquant aus dem Weltall auf die Erdatmosphäre
trifft.
Tscherenkow-Teleskope machen nicht die besten Bilder, aber dank ihrer großen
Spiegelfläche, die gewöhnlich wie ein Insektenauge in sechseckige Einzelspiegel
segmentiert ist, und ihrer leistungsfähigen Kameras sind sie besonders
empfindlich für Lichtschwankungen - auch für solche von Sternenlicht. Mit den
VERITAS-Tscherenkow-Teleskopen am Fred-Lawrence-Whipple-Observatorium im
US-Bundesstaat Arizona ist es dem Team gelungen, das Beugungsmuster des Sterns
mit der Katalognummer TYC 5517-227-1 einzufangen, während er am 22. Februar 2018
vorübergehend vom 60 Kilometer großen Asteroiden Imprinetta bedeckt wurde.
Mit den VERITAS-Teleskopen ließen sich 300 Bilder pro Sekunde aufnehmen,
woraus sich das Helligkeitsprofil des Beugungsmusters mit großer Genauigkeit
rekonstruieren ließ. Daraus ergab sich die scheinbare Größe des Sterns am
Himmel, also sein Winkeldurchmesser, zu 0,125 tausendstel Bogensekunden.
Zusammen mit der Entfernung von 2674 Lichtjahren ergibt das einen Durchmesser
des Sterns, der elfmal so groß ist wie der unserer Sonne. Damit ließ sich der
Stern der Klasse der Roten Riesen zuordnen, was zuvor nicht eindeutig geklärt
war.
Die Forscher konnten drei Monate später zudem den Stern TYC 278-748-1
untersuchen, der am 22. Mai 2018 vom 88 Kilometer großen Asteroiden Penelope
bedeckt wurde. Die Auswertung lieferte einen Winkeldurchmesser von
0,094-tausendstel Bogensekunden, was bei einer Entfernung von 700 Lichtjahren
dem 2,17-fachen Sonnendurchmesser entspricht. Das deckt sich hervorragend mit
einer früheren Schätzung für den Stern, die mithilfe indirekter Methoden auf
2,173 Sonnendurchmesser gekommen war.
"Dies ist der kleinste Winkeldurchmesser eines Sterns, der je gemessen worden
ist", betont Daniel. "Die Beobachtung von Sternbedeckungen durch Asteroiden mit
Tscherenkow-Teleskopen liefert eine zehnmal bessere Auflösung als die
Standardmethode bei Sternbedeckungen durch den Mond. Und sie ist mindestens
doppelt so scharf wie interferometrische Größenmessungen."
Die Messungenauigkeit der neuen Methode beträgt nach Angaben der Autoren
gegenwärtig rund zehn Prozent. "Wir erwarten, dass sich das durch ein
optimiertes Set-up deutlich verbessern lässt, etwa indem man die beobachteten
Wellenlängen auf einen bestimmten Bereich einschränkt", sagt Daniel. Da
unterschiedliche Wellenlängen unterschiedlich gebeugt werden, verwischt das
gemessene Beugungsmuster, wenn ein zu breiter Wellenlängenbereich aufgezeichnet
wird.
"Unsere Pilotstudie etabliert eine neue Methode, um die Durchmesser von
Sternen zu bestimmen", fasst Hassan zusammen. Die Forscher schätzen, dass
geeignete Teleskope mehr als eine Asteroiden-Sternbedeckung pro Woche beobachten
könnten. „Da ein Stern umso kleiner erscheint, je weiter er entfernt ist,
bedeutet eine Verbesserung der Winkelauflösung auch eine Erweiterung der
Reichweite solcher Beobachtungen", erläutert der DESY-Forscher. "Wir schätzen,
dass sich mit unserer Methode noch Sterne in zehnmal größerer Entfernung
analysieren lassen als mit der Mondbedeckungsmethode." Die Technik könne damit
genug Daten liefern, um eine größere Zahl von Sternen in sogenannten
Populationsstudien zu untersuchen.
Über die Messungen berichtet das Team in einem Fachartikel, der in Nature
Astronomy erschienen ist.
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