Corona und die Kondensstreifen
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
28. Mai 2020
Der blaue Himmel ist vielen Menschen in Europa während der
Corona-Krise aufgefallen, verbunden mit dem Fehlen von Kondensstreifen. Ob
solche Streifen hinter Flugzeugen entstehen oder nicht, hängt entscheidend von
der Wetterlage ab. Beim DLR hat man mithilfe von Satellitendaten untersucht, wie
es an einem Tag am Himmel aussah, an dem typisches Kondensstreifen-Wetter
herrschte.
Kondensstreifen-Zirren am Himmel:
Flugzeugtriebwerke stoßen Rußpartikel aus. Diese
wirken als Kondensationskeime für kleine
unterkühlte Wassertropfen, die sofort zu
Eiskristallen gefrieren und als Kondensstreifen
am Himmel sichtbar werden.
Bild: DLR (CC-BY 3.0) [Großansicht] |
Reisebegrenzungen zur Eindämmung der Covid19-Pandemie führten seit Mitte März
2020 zu einem massiven Rückgang des globalen Luftverkehrsaufkommens. Für April
2020 gibt die europäische Flugsicherungsbehörde EUROCONTROL gegenüber dem Anfang
des Vormonats einen Rückgang des Lufttransportvolumens in Europa um fast 90
Prozent an. Forscherinnen und Forscher des Deutschen Zentrums für Luft- und
Raumfahrt (DLR) haben nun den Einfluss des reduzierten Luftverkehrs auf die
Bildung von Kondensstreifen über Europa anhand der Messung von
Wolkeneigenschaften analysiert.
Sie nutzten dafür Daten des Sensors SEVIRI auf dem Wettersatelliten Meteosat
Second Generation (MSG) vom 16. April 2020. An diesem Tag war die Atmosphäre
über Europa genügend kalt und feucht, so dass sich hinter den Flugzeugen
langlebige Kondensstreifen bilden konnten. Die Analysen zeigen einen Rückgang
der Anzahl der gebildeten Kondensstreifen auf etwa ein Zehntel im Vergleich zum
Normalbetrieb.
"Die Beobachtungen der derzeitig reduzierten Kondensstreifenbedeckung
erlauben es uns, die Genauigkeiten der Datenanalyse des MSG-Wettersatelliten und
des verwendeten Modells zu prüfen, um zukünftig die Klimawirkung von
Kondensstreifen noch detaillierter zu bestimmen", erklärt Prof. Dr. Christiane
Voigt vom DLR-Institut für Physik der Atmosphäre in Oberpfaffenhofen. "Da neben
den CO2-Emissionen die Kondensstreifen etwa die Hälfte des Klimaantriebs des
Luftverkehrs ausmachen, erwarten wir bei so wenig Luftverkehr einen deutlichen
Rückgang des Klimaeffekts der Luftfahrt." Rund fünf Prozent trägt der reguläre
weltweite Flugverkehr bisher zur Klimaerwärmung bei.
Die Forscher verglichen die Satellitenmessungen mit einem am DLR-Institut für
Physik der Atmosphäre entwickelten Modell, welches basierend auf aktuellen
Flugverkehrsbewegungen und Wetterdaten die Abdeckung durch natürliche Wolken und
durch die vom Luftverkehr verursachten Kondensstreifenzirren berechnet. "Es
zeigte sich eine weitgehende Übereinstimmung der Satelliten- mit den
Modelldaten. Das Modell gibt die regionalen Strukturen und die gemessenen Werte
der optischen Dicken der Wolken recht gut wieder", erläutern Dr. Luca Bugliaro
und Prof. Dr. Ulrich Schumann vom DLR-Institut für Physik der Atmosphäre.
Zusätzlich konnte mit dem Modell ein Szenario mit dem teils zehnfach höheren
Luftverkehrsaufkommen am selben Tag des Vorjahres 2019 gerechnet werden, wobei
in der Simulation die meteorologischen Bedingungen gleich gehalten wurden, um
allein den Verkehrseffekt zu identifizieren. Die Berechnungen zeigen anschaulich
eine erheblich größere Abdeckung mit Kondensstreifenzirren und erhöhte optische
Dicken der Eiswolken.
Diese Unterschiede zeigen, dass bei dem zum Vergleich genommenen höheren
Luftverkehrsaufkommen von 2019 zehnmal mehr Kondensstreifen entstanden wären.
Gewichtet mit den optischen Dicken wäre der Bedeckungsgrad der sich teils
überlappenden Kondensstreifen dabei viermal größer. Wie genau sich 2020 die
reduzierte Bedeckung durch Kondensstreifen und Kondensstreifenzirren auf den
Strahlungshaushalt der Erde auswirkt, wollen die Wissenschaftler in den nächsten
Monaten anhand weiterer Satellitendaten und Analysen genauer bestimmen. Dafür
messen sie unter anderem aus dem Weltall die von der Erde emittierte
Wärmestrahlung im Vergleich zur einfallenden Sonnenstrahlung.
"Wir hoffen in dieser besonderen Situation mit wenig Flugverkehr durch eine
große Anzahl an Messungen direkt den Rückgang der Kondensstreifen im
Wärmehaushalt der Erde nachweisen zu können", erläutert Prof. Dr. Markus Rapp,
Direktor des DLR-Instituts für Physik der Atmosphäre.
Kondensstreifen bestehen weitgehend aus winzigen Eiskristallen, die in kalter
Luft bei Temperaturen unterhalb von etwa -42 Grad Celsius aus den Abgasen eines
Flugzeugs entstehen. Zunächst kondensiert der Wasserdampf auf Rußpartikeln in
den Abgasen zu kleinsten Wassertröpfchen. Nach Abkühlung der Triebwerksabgase
durch Vermischung mit der Umgebungsluft gefrieren die darin sich bildenden
Tröpfchen rasch zu Eiskristallen. Ist die umgebende Luft genügend feucht
(eisübersättigt), so nehmen die Eispartikel Wasserdampf aus der Umgebung auf,
wachsen an, breiten sich aus und nehmen wolkenähnliche Formen an, die sich wie
ein Schal um die Erde legen.
Diese Kondensstreifenzirren halten einen Teil der Wärmestrahlung der Erde in
der Atmosphäre und bewirken so einen positiven Klimaantrieb, eine Erwärmung. Da
sie auch Sonnenlicht reflektieren, wirken sie teils kühlend. Aktuell ist der
Beitrag der Kondensstreifenzirren zum gesamten Strahlungsantrieb des
Luftverkehrs von ähnlicher Größe wie der Strahlungsantrieb durch das CO2,
welches seit Anbeginn der Luftfahrt von Flugzeugen ausgestoßen wurde.
Anders als CO2, mit Lebensdauern von über 100 Jahren in der Atmosphäre, lösen
sich Kondensstreifen in der Regel innerhalb von Minuten bis Stunden wieder auf,
so dass ihr Klimaeffekt bei einem Verkehrsrückgang schnell reduziert wird. Das
DLR untersucht auch, wie sich Kondensstreifen durch Routen um feuchte
Luftbereiche herum vermeiden lassen. Ergänzend sollen auch die Änderungen der
chemischen Zusammensetzung der Atmosphäre aufgrund des reduzierten Luftverkehrs
bei einer Flugzeugmission mit den Forschungsflugzeugen Falcon und HALO erforscht
werden.
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