Keine nachweisbare Wirkung auf Atomkerne
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Düsseldorf astronews.com
6. Mai 2020
Auch wenn der größte Teil des Universums aus Dunkler Materie
besteht, ist noch kaum etwas über sie bekannt. Physiker aus Düsseldorf haben nun
versucht, mit einem Hochpräzisionsexperiment etwas mehr über diese mysteriöse
Substanz zu erfahren und nach einer Wechselwirkung zwischen Dunkler Materie und
Atomkernen gesucht. Wenn es sie geben sollte, ist diese noch kleiner als bislang
angenommen.
Das Prinzip des Experiments der Düsseldorfer
Physiker: HD+- (gelb-rot) zw. Atomionen (blau)
werden durch einen Laser (blau) ruhig gestellt.
Eine elektromagnetische Welle (braun-rote
Scheiben) regt die Molekülionen zur Rotation an.
Mithilfe des grünen Laserstrahls wird die
Anregung nachgewiesen.
Bild: Heinrich-Heine-Universität
Düsseldorf [Großansicht] |
Das Universum besteht zum überwiegenden Teil aus einer bislang unbekannten
Substanz und einer unverstandenen Energieform. Diese sogenannte Dunkle Materie
und Dunkle Energie sind weder mit dem Auge noch mit Teleskopen direkt sichtbar.
Astronomen können sie nur indirekt aufgrund der Form von Galaxien und den
übergeordneten Bewegungen im Kosmos nachweisen. Denn diese dunklen Formen
verraten sich bisher einzig über die Gravitationskraft, die auch die kosmischen
Strukturen der normalen, sichtbaren Materie bestimmt.
Es ist noch nicht bekannt, ob die Dunkle Materie auch über die anderen drei
Fundamentalkräfte – elektromagnetische Kraft, schwache und starke Kernkraft –
mit sich selbst und mit gewöhnlicher Materie wechselwirkt. Experimentatoren
konnten – auch mit sehr aufwändigen Aufbauten – bisher keine derartige
Wechselwirkung messen; wenn es sie überhaupt gibt, muss sie deshalb extrem
schwach sein.
Um mehr Licht ins Dunkle zu bringen, lassen Wissenschaftler weltweit in
verschiedenen neuartigen Experimente die drei nicht-gravitativen
Fundamentalkräfte möglichst ungestört wirken und versuchen, diese Wirkung sehr
genau zu vermessen. Gibt es Abweichungen von den erwarteten Wirkungen, können
diese auf einen Einfluss von Dunkler Materie oder Energie hinweisen.
Manche dieser Experimente werden an gigantischen "Forschungsmaschinen" wie
zum Beispiel am europäischen Zentrum für Teilchenphysik CERN in Genf
durchgeführt. Es geht aber auch kleiner, so zum Beispiel in einem
Laborexperiment in Düsseldorf, das auf höchstmögliche Präzision ausgelegt ist.
Das Team um Prof. Stephan Schiller vom Institut für Experimentalphysik der
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf präsentierte jetzt die Ergebnisse eines
Präzisionsexperiments zur Vermessung der elektrischen Kraft zwischen dem Proton
(kurz H) und dem Deuteron (kurz D).
Beides sind sogenannte Isotope des Wasserstoffs: Während der normale
Wasserstoff nur aus einem einzigen Baustein im Atomkern – einem Proton –
besteht, weist das schwerere Deuteron im Kern ein Proton und ein Neutron auf.
Untersucht wurde von den Düsseldorfer Physikern ein ungewöhnliches Objekt: HD+,
das Ion des teilweise deuterierten Wasserstoffmoleküls. Diesem Ion fehlt eines
der sonst zwei Elektronen in der Molekülhülle.
HD+ wird also nur von einem einzigen Elektron gebunden, das die abstoßende
elektrische Kraft zwischen Proton und Deuteron kompensiert. Daraus resultiert
ein bestimmter Abstand zwischen Proton und Deuteron, die sogenannte
Bindungslänge. Um diesen Abstand zu bestimmen, haben die HHU-Physiker die
Rotationsrate des Moleküls auf elf Stellen genau bestimmt, mittels einer von
ihnen kürzlich entwickelten Spektroskopietechnik.
Die Forscher verwendeten dabei unter anderem Konzepte, die auch auf dem
Gebiet der Quantentechnologie relevant sind, wie Teilchenfallen und
laser-basierte Atomkühlung. Es ist überaus kompliziert, aus den
spektroskopischen Messergebnissen auf die Bindungslänge und damit auf die Stärke
der zwischen Proton und Deuteron wirkenden Kraft zu schließen. Das liegt daran,
dass diese Kraft quantenphysikalische Eigenschaften besitzt. Die in den 1940er
Jahren aufgestellte Theorie der Quantenelektrodynamik (QED) kommt hier zur
Anwendung.
Ein Mitglied des Teams hat zwei Jahrzehnte lang die komplexen Berechnungen
vorangetrieben und konnte schließlich eine hinreichend präzise Vorhersage für
die Bindungslänge liefern. Diese Vorhersage stimmt mit dem Düsseldorfer
Messergebnis überein. Daraus lässt sich nun schließen, wie groß höchstens eine
mögliche Modifikation der Proton-Deuteron-Kraft durch Dunkle Materie sein kann.
"Mein Team hat diese obere Grenze um mehr als das 20-Fache gedrückt", so
Schiller. "Wir konnten zeigen, dass die Dunkle Materie noch viel weniger mit der
normalen Materie wechselwirkt, als bisher noch denkbar gewesen war. Diese
mysteriöse Materieform hält sich also, zumindest im Labor, weiterhin bedeckt!"
Die Ergebnisse wurden jetzt in einem Fachartikel in der Zeitschrift
Nature veröffentlicht.
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