Das nächstgelegene bekannte Schwarzes Loch
von
Stefan Deiters astronews.com
6. Mai 2020
Mithilfe des 2,2-Meter-Teleskops des La-Silla-Observatoriums
der ESO wurde nun ein Schwarzes Loch entdeckt, das offenbar zu einem
Dreifach-Sternsystem gehört. Mit einer Entfernung von nur 1000 Lichtjahren ist
es das uns am nächsten gelegene bekannte Schwarze Loch. Das Sternsystem ist am
Südhimmel schon mit bloßem Auge zu sehen.

Künstlerische Darstellung des Sternsystems HR 6819, das aus
zwei normalen Sternen und einem Schwarzen Loch (angedeutet
durch den rötlichen Bahnabschnitt) besteht.
Bild: ESO / L. Calçada [Großansicht] |
"Wir waren total überrascht, als wir feststellten, dass es sich um das erste
Sternsystem mit einem Schwarzen Loch handelt, das man mit bloßem Auge sehen
kann", unterstreicht Petr Hadrava von der Wissenschaftsakademie der
tschechischen Republik in Prag. Das System HR 6819 liegt im Sternbild Teleskop
und ist bei dunklem Himmel von der Südhalbkugel der Erde aus bereits ohne Hilfe
eines Fernglases oder Teleskops auszumachen. "Das System enthält das
nächstgelegene Schwarze Loch, das uns bekannt ist", betont Thomas Rivinius von
der europäischen Südsternwarte ESO.
Eigentlich hatte das Team HR 6819 im Rahmen einer Studie über
Doppelsternsysteme beobachtet. Untersuchungen mit dem Spektrografen FEROS am
MPG/ESO-2,2-Meter-Teleskop in La Silla zeigten dann aber, dass einer der beiden
sichtbaren Sterne alle 40 Tage ein unsichtbares Objekt umkreist. Der zweite
sichtbare Stern umrundete dieses Paar dann in weiter Entfernung.
"Um die Umlaufperiode von 40 Tagen festzustellen, waren Beobachtungen über
mehrere Monate nötig", berichtet Dietrich Baade von der ESO. Dies sei nur
gelungen, weil es bei der ESO möglich ist, dass Beobachtungen von
ESO-Mitarbeitern im Auftrag eines Wissenschaftlers durchgeführt werden.
Das Schwarze Loch in HR 6819 ist eines von wenigen Schwarzen Löchern mit
stellarer Masse, das in keinerlei direkt sichtbarer Wechselwirkung mit seiner
Umgebung steht. Es zieht also kein Material von einem nahen Begleiter ab und
verrät sich dadurch - das Schwarze Loch in HR 6819 ist tatsächlich unsichtbar
und hat sich nur durch seinen Einfluss auf die Bahn seines Partners verraten.
"Ein unsichtbares Objekt mit einer Masse von mindestens der vierfachen Masse der
Sonne kann nur ein Schwarzes Loch sein", so Rivinius.
Man kennt in der Milchstraße einige Dutzend stellare Schwarze Löcher, die als
Endprodukt der Entwicklung massereicher Sterne gelten. Sie verraten sich aber in
der Regel durch ihre hohe Leuchtkraft im Röntgenbereich. Diese stammt nicht
direkt vom Schwarzen Loch, sondern von dem Material, das das Schwarze Loch von
einem Begleitstern abzieht und das sich, bevor es im Schwarzen Loch
verschwindet, auf hohe Temperaturen aufheizt.
"Es muss da draußen aber viele Millionen Schwarze Löcher geben, allerdings
kennen wir nur sehr wenige von ihnen", so Rivinius. "Wenn wir wissen, nach was
wir genau schauen müssen, kann das unsere Chancen, sie zu finden, verbessern."
Nach Ansicht von Baade ist die Entdeckung eines Schwarzen Lochs in einem
Dreifachsystem in nur 1000 Lichtjahre Entfernung ein Hinweis darauf, dass wir
hier nur die "Spitze des Eisbergs" sehen.
Das Team hat mit LB-1 bereits ein zweites System im Visier, in dem sich ein
Schwarzes Loch verbergen könnte. Es liegt etwas weiter entfernt von der Erde,
doch sind noch weitere Beobachtungen nötig, um hier wirklich sicher zu sein.
Durch die Identifizierung solcher Systeme könne "man auch einiges über die
Entstehung und Entwicklung der recht seltenen Sterne lernen, die ihr Leben mit
einer Masse von über acht Sonnenmassen beginnen, in einer Supernova enden und
dann ein Schwarzes Loch zurücklassen", so Marianne Heida von der ESO.
Über ihren Fund berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Astronomy & Astrophysics erschienen ist.
|