Schwarze Löcher haben keine Haare
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Jena astronews.com
29. April 2020
Bei dem Quasar OJ 287 handelt es sich tatsächlich um eine
weit entfernte Galaxie, in deren Zentrum sich zwei supermassereiche Schwarze
Löcher umkreisen. Dies folgerte ein internationales Forschungsteam aus Daten des
Weltraumteleskops Spitzer und von erdgebundenen Teleskopen. Die
Bahn der beiden Schwarzen Löcher bestätigt zudem das sogenannte "No-Hair"-Theorem.
Künstlerische Darstellung des Zentrums von
OJ 287. Zwei supermassereiche Schwarze Löcher
umkreisen sich darin mit einer Umlaufperiode von
12 Jahren.
Bild: NASA/JPL-Caltech [Großansicht] |
Hundert Jahre hatte es gedauert, bis die 1915 von Albert Einstein in seiner
Allgemeinen Relativitätstheorie vorhergesagten Gravitationswellen endlich
experimentell nachgewiesen werden konnten. Mit den 2015 erstmals empfangenen
Gravitationswellensignalen, die bei der Verschmelzung zweier stellarer Schwarzer
Löcher entstanden sind, hat die Ära der Gravitationswellenastronomie begonnen.
Astrophysiker wollen jetzt ein neues Kapitel aufschlagen und auch
Gravitationswellen im Nanohertzbereich aufspüren, die beispielsweise
supermassereiche Schwarze Löcher schon lange bevor sie ineinander stürzen
erzeugen, während sie einander umkreisen. Die Detektion eines solchen Systems
aus supermassereichen Schwarzen Löchern ist nun einem internationalen Team von
fast 30 Forschungseinrichtungen aus aller Welt indirekt gelungen.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben den Beweis erbracht, dass
es sich bei dem Quasar OJ 287 — etwa vier Milliarden Lichtjahre von der Erde
entfernt im Sternbild Krebs — um ein Doppelsystem von zwei gigantischen
Schwarzen Löchern handelt, deren Wechselwirkung miteinander Gravitationswellen
im Nanohertzbereich abstrahlen sollte. "Unterstützt wurden die Messungen des
Spitzer-Weltraumteleskops durch optische Beobachtungen von der Erde aus",
berichtet Dr. Markus Mugrauer vom Astrophysikalischen Institut und
Universitäts-Sternwarte der Friedrich-Schiller-Universität Jena.
Der Astrophysiker und der Jenaer Physikstudent Felix Hildebrandt haben in
vielen klaren Nächten mit den Instrumenten der Universitäts-Sternwarte in
Großschwabhausen OJ 287 beobachtet. Die Beweisführung liegt darin, dass die
Beobachtungen zuvor anhand der Allgemeinen Relativitätstheorie gemachte
Vorhersagen mit hoher Genauigkeit bestätigen. "Wir wussten bereits, dass OJ 287
ein Quasar ist — ein quasi stellares Objekt — das zwar durch ein Fernrohr
betrachtet wie ein Stern erscheint, tatsächlich aber das extrem leuchtkräftige
Zentrum einer Galaxie ist", so Mugrauer.
Auffällig an OJ 287 ist die zeitliche Variabilität der Leuchtkraft: Zweimal
in zwölf Jahren erhöht sich die Helligkeit von OJ 287 innerhalb von nur zwei
Tagen deutlich im Vergleich zur restlichen Zeit. Dieses eigentümliche Verhalten
hatten sich Astronomen damit erklärt, dass sich im Zentrum von OJ 287 nicht nur
ein, sondern gleich zwei supermassereiche Schwarze Löcher befinden, die einander
mit einer Umlaufperiode von zwölf Jahren umkreisen.
Doch bisher war das nur eine Theorie. Die Berechnungen sagten einen erneuten
Helligkeitsausbruch von OJ 287 für den Morgen des 31. Juli 2019 voraus. "Auf
seiner Umlaufbahn durchstößt das sekundäre Schwarze Loch eine Akkretionsscheibe
aus Gas, die das primäre Schwarze Loch umgibt", erklärt Mugrauer. Dabei wird
jedes Mal in einer heftigen Explosion extrem heißes Gas freigesetzt, das sich
von der Erde aus als Helligkeitsausbruch beobachten lässt. Der für 2019
berechnete Ausbruch sollte ähnlich verlaufen wie der, der im Jahr 2007
beobachtet wurde, da das sekundäre Schwarze Loch die Scheibe um das primäre
Schwarze Loch fast am selben Punkt und in gleicher Richtung durchquerte wie
zwölf Jahre zuvor.
Und genau das konnten die Astrophysiker beobachten: Das Teleskop fing das
erwartete Signal des Ausbruchs in der Lichtkurve von OJ 287 ein, mit einer
Abweichung von weniger als vier Stunden vom vorhergesagten Zeitpunkt. Mit den
jetzt veröffentlichten Beobachtungen konnte das Forschungsteam zudem ein
fundamentales Theorem der Physik Schwarzer Löcher verifizieren, das als "No-Hair"-Theorem
bezeichnet wird. Dieses Theorem besagt, dass Schwarze Löcher völlig glatte
Körper sind — scherzhaft "ohne Haare" — was jegliche Unebenheiten ihres
Ereignishorizontes ausschließt.
Eine Möglichkeit der Beweisführung ist die Bewegung eines Satelliten um ein
Schwarzes Loch mit großer Genauigkeit zu untersuchen: Wenn das Schwarze Loch
Unebenheiten — "Haare" — aufweisen würde, dann sollte sich die Umlaufbahn des
Satelliten auf eine bestimmte, messbare Weise verändern. Die jetzt aufgenommenen
Daten sowie frühere Beobachtungen der Helligkeitsausbrüche von OJ 287
ermöglichten es, den Orbit des sekundären Schwarzen Lochs sehr präzise zu
bestimmen, was die Gültigkeit des "No-Hair"-Theorems belegt.
"Die in unserer Arbeit vorgestellten Forschungsergebnisse zeigen, wie wichtig
der Betrieb von Universitäts-Sternwarten ist", resümiert Mugrauer. "Sie liefern
nicht nur wichtige Kalibrationsdaten für Weltraumbeobachtungen, sondern erlauben
auch eine kontinuierliche Beobachtung von Himmelsobjekten über einen sehr langen
Zeitraum hinweg." Zudem können an diesen Sternwarten Physikstudierende direkt an
internationalen astrophysikalischen Forschungsprojekten mitarbeiten.
Die Ergebnisse zum Quasar OJ 287 wurden jetzt in den Astrophysical
Journal Letters veröffentlicht.
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