Satellitendaten zeigen Ozonloch über dem Nordpol
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
26. März 2020
Bislang kannte man das Ozonloch nur über der Antarktis,
jetzt wurde mithilfe von Satellitendaten erstmals auch ein Ozonloch über der
Arktis nachgewiesen, das bis etwa 60 Grad nördlicher Breite reicht. Die
Ozonschicht ist hier mindestens 30 Prozent dünner als normal. Grund ist noch
immer eine erhöhte Chlorkonzentration in der Atmosphäre und eine besondere
Wetterlage.
Die Auswertung von Satellitendaten vom 22.
März 2020 zeigt die Verteilung der
Ozongesamtmenge über der Nordhalbkugel.
Bild: DLR / BIRA / ESA [Großansicht] |
Das Ozon in der Atmosphäre befindet sich zu rund 90 Prozent in einer Höhe
zwischen 15 und 30 Kilometer. Als "Ozonschicht" erfüllt das Spurengas dort eine
wichtige Schutzfunktion, indem es einen Großteil der schädlichen UV-Strahlung
der Sonne absorbiert. Um die Ozongesamtmenge in der Atmosphäre über einem
bestimmten Ort zu messen, nutzt man die sogenannte "Dobson-Einheit" (engl.
Dobson Unit, DU). Eine Ozonschicht mit dem Wert von 100 Dobson-Einheiten
entspricht einer 1 Millimeter dicken Säule, die aus reinem Ozon besteht. Sobald
dieser Messwert unter 220 DU sinkt, spricht man von einem "Ozonloch". Die
Ozonschicht ist dann mindestens 30 Prozent dünner als normal.
Erstmals zeigt sich nun ein Ozonloch in voller Ausprägung über der Arktis,
wie Atmosphärenforscher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR)
beobachtet haben. Unterschritten wurde der kritische Ozonwert von 220 Dobson
Einheiten – normalerweise kommt das in der Polregion nur im Frühling in der
Antarktis vor, nicht aber in der Arktis auf der Nordhalbkugel.
Die aktuelle Analyse der Ozonschicht zeigt, dass der Ozonabbau in der Arktis
durch die außergewöhnlich langanhaltenden und starken Polarwinde in den letzten
zwei Monaten begünstigt wurde. Damit jedoch ein klassisches Ozonloch über dem
Polarkreis entsteht, müssen verschiedene chemische und dynamische atmosphärische
Vorgänge miteinander zusammenwirken.
Zwischen Anfang Februar und Mitte März stellte der Polarwirbel über der
Arktis neue Rekorde auf – das jahreszeittypische Tiefdruckgebiet in der
Stratosphäre war extrem stark, stabil und kalt: In 30 Kilometer Höhe wurden
zonale Windgeschwindigkeiten von mehr als 50 Meter pro Sekunde gemessen und die
Temperaturen in 20 Kilometer Höhe sanken auf Werte von etwa minus 80 Grad
Celsius.
Da bis etwa März Polarnacht herrscht und die Sonne nicht scheint, haben sich
die Luftmassen in der Stratosphäre in den letzten Wochen und Monaten
entsprechend stark abgekühlt. So konnten sich vermehrt "Perlmuttwolken" bilden.
An diesen polaren Stratosphärenwolken laufen zahlreiche chemische Reaktionen ab,
sodass sie auch eine Grundvoraussetzung für die Verarbeitung des atmosphärischen
Ozons schaffen. Wenn die Sonne in der Polregion im Frühling langsam aufgeht und
somit die notwendige Energie für die Reaktionsprozesse liefert, beginnt der
Ozonabbau.
Das Ozon wird dann durch die immer noch hohen Chlorkonzentrationen in der
Atmosphäre abgebaut, welche von FCKW (Fluorchlorkohlenwasserstoffen) verursacht
wurden. Dieser gesamte Prozess hat derzeit in der Arktis zur Konsequenz, dass
sich innerhalb des Polarwirbels ein Ozonloch ausgebildet hat. Der Bereich der
stark reduzierten Ozonwerte reicht bis etwa 60 Grad nördlicher Breite. Die
Gründe, dass sich das Ozonloch derzeit in der Arktis ausbildet, sind also zum
einen die außergewöhnliche Dynamik der Stratosphäre in diesem Winter, zum
anderen die immer noch hohe atmosphärische Chlorkonzentration.
Dank der internationalen Maßnahmen zum Schutz der Ozonschicht, ist seit
einigen Jahren eine generelle Erholung der Ozonschicht sichtbar. "Aus heutiger
Sicht und bei strenger Einhaltung der bestehenden Schutzmaßnahmen können wir
davon ausgehen, dass sich bis Mitte dieses Jahrhunderts die Ozonschicht wieder
vollständig erholen wird, auch in den Polarregionen", sagt Prof. Dr. Martin
Dameris vom DLR-Institut für Physik der Atmosphäre. Das betrifft insbesondere
die Einhaltung des "Montreal Protokolls" auf dem Jahr 1987 wie auch den
folgenden Umweltabkommen der Vereinten Nationen.
Das Verbot der Produktion und Nutzung von FCKW und anderen Ozon-zerstörenden
Substanzen hat bewirkt, dass die atmosphärischen Konzentrationen dieser Stoffe
mit 20 Prozent seither deutlich zurückgegangen sind. Trotzdem sind auch heute
noch erhöhte FCKW-Gehalte in der Atmosphäre vorhanden. Der Chlorgehalt in der
Stratosphäre ist noch relativ hoch, da die Flourkohlenwasserstoffe eine sehr
lange Lebenszeit von mehreren Jahrzehnten haben. Unter entsprechenden
meteorologischen Bedingungen können dadurch weiterhin Ozonlöcher entstehen, wie
die neue Situation in der Arktis zeigt.
"Wir überwachen die Atmosphäre laufend und dokumentieren die Entwicklung der
Ozonschicht. Dadurch können wir besondere Situationen wie jetzt in der Arktis
wissenschaftlich erklären. Mithilfe von Satellitendaten können wir aber auch die
Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen überprüfen und gegebenenfalls weitere
Handlungsempfehlungen ableiten", ergänzt Dameris.
Die Forscher nutzen dazu insbesondere den Wächtersatelliten Sentinel-5P
mit seinem Messinstrument TROPOMI sowie die Messungen des GOME-2-Instruments an
Bord der Wettersatelliten Metop-A und Metop-B. Die
Satellitendaten werden vom DLR-Erdbeobachtungszentrum (EOC) in Oberpfaffenhofen
bereitgestellt, im Auftrag der ESA und EUMETSAT. Die Atmosphärenforscher des DLR
behalten die Ozonschicht und die globalen Klimaveränderungen somit weiter fest
im Blick.
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