Das Geheimnis der hellsten Sternexplosionen
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astrophysik astronews.com
29. Januar 2020
Im Spektrum einer der hellsten jemals beobachteten
Sternexplosionen, der Supernova SN 2006gy, wurden Spektrallinien entdeckt, deren
Herkunft man sich bislang nicht erklären konnte. Nun wurden sie identifiziert:
Sie stammen von neutralem Eisen, was für eine derart energiereiche
Sternexplosion sehr ungewöhnlich ist.
Diese Aufnahme der Supernova SN 2006gy in
der Galaxie NGC 1260 ist ungefähr sechs Jahre
nach den ersten Beobachtungen der Explosion
entstanden. Die Supernova strahlt nach wie vor
hell im Außenbereich von NGC 1260.
Bild: NASA/HST, Fox et al. 2015 [Großansicht] |
"Superhelle Supernovae" sind die leuchtkräftigsten Explosionen im Universum.
Im Zeitraum von lediglich ein paar Monaten strahlen sie genauso viel Energie ab,
wie unsere Sonne über ihre gesamte Lebensdauer. Sie erreichen eine maximale
Leuchtkraft, die eine ganze Galaxie in den Schatten stellt. Die Quelle dieser
gewaltigen Energiemenge und die Art des Vorläufersterns, der hier explodiert,
sind aber noch immer unbekannt.
Eines der am gründlichsten untersuchten Objekte dieser Art ist SN 2006gy,
welche 2006 erstmals beobachtet wurde. Die Daten lieferten Hinweise auf eine
intensive Wechselwirkung zwischen der Supernova und dem sie umgebenden Material,
welches zuvor von dem Vorläuferstern ausgestoßen worden war. Zahlreiche Theorien
wurden entwickelt, um SN 2006gy zu erklären, darunter die Kollision mehrerer
Schalen, die nacheinander von einem äußerst massereichen Stern ausgestoßen
wurden, eine sehr große Menge an neu entstandenen radioaktiven Elementen, oder
auch eine sogenannte Kernkollaps-Supernova, die mit dem Sternwind ihres
Vorläufersterns wechselwirkt.
Unter dem Begriff Kernkollaps-Supernova versteht man dabei eine Explosion,
die mit dem Kollaps des kompakten Kerns eines massereichen Sterns zu einem
Neutronenstern einhergeht. Im Jahr 2009 veröffentlichte ein Team japanischer
Wissenschaftler ein Spektrum von SN 2006gy (also eine Aufspaltung des Lichts in
die Regenbogenfarben), welches ein Jahr nach der Explosion aufgenommen worden
war. Dieses Spektrum zeigte ungewöhnliche Emissionslinien, die so noch nie zuvor
in einer Supernova beobachtet worden waren, und die man nicht zuordnen konnte.
Die Herkunft dieser Linien und was sie über die Explosion aussagen können,
blieb für über ein Jahrzehnt ein Rätsel. Wissenschaftlern am Max-Planck-Institut
für Astrophysik (MPA) ist es nun in Zusammenarbeit mit dem japanischen Team
gelungen, die Linien als Linien von neutralem Eisen zu identifizieren.
"Dieser niederenergetische Zustand von Eisen wird in Supernovae
typischerweise nicht beobachtet, weil durch die hohen Energien zumeist ein oder
mehrere Elektronen aus den Atomen herausgelöst werden", erklärt Anders
Jerkstrand vom MPA. Außerdem würden Supernovae normalerweise zu schnell
expandieren, als dass einzelne Eisenlinien deutlich zu erkennen seien. "Dieser
spezielle Satz an Linien wurde noch nie in einem astrophysikalischen Nebel
nachgewiesen", fügt Jerkstrand hinzu. "SN 2006gy muss deshalb einige wirklich
ungewöhnliche physikalische Eigenschaften aufweisen."
Die Tatsache, dass das Spektrum hauptsächlich aus Eisenlinien besteht,
schließt etliche zuvor propagierte Szenarien aus, die kein Eisen vorhersagen.
Aber mehr noch: Die Wissenschaftler konnten ermitteln, dass die Masse an Eisen
mindestens ein Drittel der Masse unserer Sonne beträgt, was überraschenderweise
in Richtung einer Typ Ia Supernova deutet. Dieser Supernovatyp tritt auf, wenn
ein Weißer Zwerg, der Überrest eines massearmen Sterns, Materie akkretiert und
explodiert.
Die Wissenschaftler schlagen nun vor, dass der Vorläufer in diesem Fall ein
Doppelsternsystem ist, in dem ein Weißer Zwerg einen schwereren,
wasserstoffreichen Begleiter auf einer engen Umlaufbahn umkreist. Wenn der
wasserstoffreiche Stern anfängt sich aufzublähen - derartige Riesensterne können
die Größe der Erdumlaufbahn oder mehr erreichen - taucht der Weiße Zwerg in die
Atmosphäre des Riesensterns ein, und bewegt sich auf einer Spiralbahn allmählich
zu dessen Zentrum. Bei diesem Vorgang wird die Hülle des Riesensterns
abgestoßen. Wenn der Weiße Zwerg den Kern des Riesensterns erreicht, explodiert
er.
Die sich ausbreitende Stoßwelle dieser Typ-Ia-Supernova kollidiert dann mit
der zuvor abgestoßenen Hülle, und in der gewaltigen Kollision wird extrem
intensives Licht abgestrahlt. Durch die Modellierung dieses Lichts konnten die
Wissenschaftler demonstrieren, dass das vorgeschlagene Szenario die
entscheidenden Eigenschaften von SN 2006gy reproduziert - insbesondere auch die
Spektrallinien von neutralem Eisen.
"Die Ergebnisse sind in mehrerlei Hinsicht richtungsweisend", urteilt Keiichi
Maeda von der Universität von Kyoto. "Eine Typ-Ia-Supernova als Ursprung von SN
2006gy stellt das, was die meisten Wissenschaftler bislang angenommen haben,
komplett auf den Kopf, nämlich dass diese Explosion auf einen sehr massereichen
Stern zurückzuführen ist."
In der heutigen Zeit, wo es ungewöhnlich ist, noch Absorptions- oder
Emissionslinien zu finden, die nicht schon längst bekannt sind, ermöglichen die
neu identifizierten Eisenlinien neue diagnostische Methoden in der Astrophysik.
Jerkstrand erklärt: "Dass sich ein Weißer Zwerg in einer engen Umlaufbahn um
einen wasserstoffreichen Begleiter befinden kann, und dann rasch explodiert,
nachdem er in dessen Zentrum gestürzt ist, liefert wichtige neue Erkenntnisse
über komplexe hydrodynamische Vorgänge in kompakten Sternexplosionen und über
die Theorie der Entwicklung von Doppelsternsystemen."
Über ihre Untersuchung berichtet das Team in einem Fachartikel, der
in der Zeitschrift Science veröffentlicht wurde.
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