Verdampfender Gasplanet um Weißen Zwerg
von
Stefan Deiters astronews.com
5. Dezember 2019
Mithilfe des Very Large Telescope der europäischen
Südsternwarte ESO haben Astronomen erstmals Hinweise auf einen Planeten in
Neptungröße gefunden, der in nur geringem Abstand um einen Weißen Zwergstern
kreist. Die Hülle des Planeten wird dabei von dem heißen Sternenrest langsam
erodiert. Eventuell könnte unser Sonnensystem in fernen Zukunft einmal ganz
ähnlich aussehen.
So könnte der Weiße Zwerg WDJ0914+1914 und sein Planet
aussehen. Bild:
ESO/M. Kornmesser [Großansicht] |
"Es war einer dieser Zufallsfunde", erinnert sich Boris Gänsicke von der
University of Warwick, der die Studie leitete. Sein Team hatte rund 7000
Weiße Zwerge ins Visier genommen, die im Rahmen des Sloan Digital Sky Survey
beobachtet worden waren und dabei festgestellt, dass sich einer deutlich von den
anderen unterscheidet. Im Spektrum des Sterns entdeckten sie Hinweise auf
Elemente, die man zuvor nicht bei diesem Sternentyp gesehen hatte. "Wir wussten
somit, dass in diesem System etwas Ungewöhnliches vor sich gehen muss und haben
spekuliert, dass es etwas mit einem planetaren Überrest in dem System zu tun
haben könnte."
Weiße Zwerg sind die anfangs noch glühend heißen Kerne von Sternen, die eine
ähnliche Masse hatten wie unsere Sonne. Am Ende ihres nuklearen Lebens blähen sie
sich auf und stoßen schließlich ihre äußere Hülle ins All ab, die dann für
einige Zeit als Planetarischer Nebel zu sehen ist. Zurück bleibt der heiße Kern
des früheren Sterns. Auch unsere Sonne wird einmal als Weißer Zwerg enden.
Um hinter das Geheimnis des Weißen Zwergs mit der Bezeichnung WDJ0914+1914 zu
kommen, untersuchten die Forscher den Stern mit dem Spektrographen X-Shooter
des Very Large Telescope der europäischen Südsternwarte ESO auf dem
Gipfel des Paranal in Chile. Die Daten bestätigten das Vorhandensein der
Elemente Wasserstoff, Sauerstoff und Schwefel, zeigten aber auch, dass sich
diese Elemente nicht auf dem Weißen Zwerg selbst befinden, sondern in einer
Scheibe, die um den Sternenrest kreist.
"Es brauchte einige Wochen, bis uns klar war, dass der einzige Weg, eine
solche Scheibe zu erzeugen, das Verdampfen eines riesigen Planeten ist",
erinnert sich Matthias Schreiber von der Universität Valparaiso in Chile, der
Modelle über die Vergangenheit und Zukunft des Systems berechnet hat.
Die nachgewiesenen Mengen an Wasserstoff, Sauerstoff und Schwefel finden sich
tief in der Atmosphäre von eisigen Gasplaneten wie Uranus oder Neptun. Würde ein
solcher Planet in geringem Abstand um einen heißen Weißen Zwerg kreisen, würde
seine äußere Hülle durch die intensive ultraviolette Strahlung verdampfen und
ein Teil seines Gases abgezogen. Dieses würde sich dann in einer Scheibe um den
Weißen Zwerg sammeln und schließlich auf den Stern stürzen. Bei
WDJ0914+1914 könnte es sich also um den ersten Weißen Zwerg handeln, der von
einem verdampfenden Planeten umkreist wird.
Durch Kombination der Beobachtungsdaten mit theoretischen Modellen konnte das
Team noch einige interessante Parameter des Systems bestimmen: Danach dürfte der
Weiße Zwerg eine Temperatur von 28.000 Grad Celsius aufweisen. Der ihn
umkreisende Planet ist mindestens doppelt so groß wie der Sternenrest und
umkreist diesen ungefähr alle zehn Tage. Durch die große Nähe wird die
Atmosphäre des Planeten allmählich abgetragen. Der größte Teil des Gases
entweicht dabei, ein Teil aber wird in eine Scheibe gezogen, die mit einer Rate
von 3000 Tonnen pro Sekunde in den Stern strömt. Erst durch diese Scheibe wurde
der Planet überhaupt sichtbar.
"Das ist das erste Mal, dass wir die Mengen an Gasen wie Sauerstoff und
Schwefel in der Scheibe messen können", unterstreicht Odette Toloza von der
University of Warwick, die ein Modell für die Gasscheibe um den Weißen
Zwerg entwickelt hat. "Die gibt Hinweise auf die Zusammensetzung von Exoplaneten-Atmosphären."
Das System könnte auch ein Fingerzeig sein, wie unsere eigene kosmische
Heimat einmal aussehen wird, nachdem die Sonne zum Weißen Zwerg geworden ist. Es
ist das erste Mal, dass man einen Gasplaneten gefunden hat, der offenbar die
Rote-Riesen-Phase seines Zentralsterns überlebt hat. Er muss sich ursprünglich
in deutlich größerer Entfernung von seiner Sonne befunden haben und irgendwann in
Richtung des Sterns gewandert sein. Eventuell waren dafür gravitative
Wechselwirkungen mit anderen Planeten des Systems verantwortlich, was darauf
hindeuten würde, dass noch mehr Planeten die Rote-Riesen-Phase überlebt haben.
WDJ0914+1914 befindet sich etwa 1500 Lichtjahre von der Erde entfernt im
Sternbild Krebs. Über ihre Beobachtungen berichtet das Team in einem
Fachartikel, der in der Zeitschrift Nature erschienen ist.
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