Gewaltiges Schwarzes Loch in Holm 15A
Redaktion
/ Pressemitteilung des MPI für extraterrestrische Physik astronews.com
3. Dezember 2019
Im Weltall treten Schwarze Löcher in unterschiedlichen
Größen und Massen auf. Den Rekord hält jetzt ein Exemplar im Galaxienhaufen
Abell 85. Dort befindet sich inmitten der zentralen Galaxie Holm 15A ein
Schwarzes Loch, das 40-milliardenfach massereicher ist als unsere Sonne. Die
Bestimmung gelang durch sorgfältige Auswertung fotometrischer Daten sowie
spektrale Beobachtungen.
Abell 85, aufgenommen
am Wendelstein-Observatorium der
Ludwig-Maximilians-Universität, mit seiner zentralen,
hellen Galaxie Holm 15A.
Bild:
Matthias Kluge / USM / MPE [Großansicht] |
Die Zentralgalaxie des Haufens Abell 85 ist außergewöhnlich. Allein ihre
Sterne bringen es auf mehr als zwei Billionen Sonnenmassen. Dennoch erscheint
das Herz dieser gigantischen Galaxie – eine der größten überhaupt – im
Teleskop extrem diffus und lichtschwach. Die Erklärung hängt mit der
Kollision von Galaxien zusammen: Denn diese führt zum Verschmelzen der
zentralen Schwarzen Löcher und zu einem neuen, größeren Massemonster, wobei
eine auffällig lichtarme zentrale Region entsteht.
Im Fall der gewaltigen Galaxie Holm 15A ist dieser Bereich ganz besonders diffus
und lichtarm. Daher vermuten die Astronomen, dass sich darin ein Schwarzes Loch
mit ungewöhnlich großer Masse verbergen könnte. Die Beobachtung versprach jedoch
nicht einfach zu werden: Der Galaxienhaufen Abell 85, der mehr als 500 einzelne
Galaxien enthält, befindet sich im Abstand von 700 Millionen Lichtjahren. "Es
gibt nur wenige Dutzend direkte Bestimmungen supermassereicher Schwarzer Löcher
– und noch nie zuvor ist es in einer solch großen Entfernung gelungen", sagt
Jens Thomas vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik, der die
Studie leitete. "Aber wir hatten bereits eine Ahnung von der Größe des Schwarzen
Lochs in dieser speziellen Galaxie, also haben wir es probiert."
Die neuen Daten, die am Wendelstein-Observatorium der
Ludwig-Maximilians-Universität München und mit dem MUSE-Instrument am Very
Large Telescope der Europäischen Südsternwarte gewonnen wurden,
ermöglichten dem Team, ein Schwarzes Loch in Holm 15A nachzuweisen und eine
verlässliche Massenbestimmung vorzunehmen. Letztere basiert direkt auf den
Bewegungen der Sterne um den Kern der Galaxie.
Das Ergebnis beeindruckt: Mit 40 Milliarden Sonnenmassen ist das Schwarze Loch
das massereichste, das die Astronomen derzeit im Universum kennen. "Es ist um
ein Vielfaches größer, als man es aufgrund indirekter Messungen, wie der
Sternmasse oder der Geschwindigkeitsverteilung der Sterne, erwarten würd", sagt
Roberto Saglia, Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für extraterrestrische
Physik und Dozent an der Ludwig-Maximilians-Universität.
Wie oben erwähnt, zeigen die Messungen der Galaxie Holm 15A ein extrem
lichtschwaches Zentrum mit nur noch sehr wenigen Sternen. Dies ist zwar ähnlich
wie in manchen anderen elliptischen Galaxien, aber sehr viel stärker ausgeprägt.
"Das Lichtprofil im inneren Kern nimmt zum Zentrum hin auch nicht mehr zu", sagt
Kianusch Mehrgan. "Das bedeutet, dass die meisten Sterne aufgrund von
Interaktionen bei vorangegangenen Verschmelzungen von Schwarzen Löchern aus dem
Zentrum geschleudert worden sein müssen", so der Doktorand an der
Ludwig-Maximilians-Universität München, der einen Teil die Datenanalyse
ausführte.
Nach gängiger Auffassung entstehen diffuse Kerne in den größten elliptischen
Galaxien, weil die Sterne aus dem Zentrum sprichwörtlich herausgefegt werden:
Bei der Verschmelzung zweier Galaxien bilden deren Schwarze Löcher zuerst ein
Paar, bevor sie schließlich ebenfalls verschmelzen. Sterne auf Flugbahnen, die
in die Nähe der beiden Schwarzen Löcher führen, werden durch gravitative
Wechselwirkungen herausgeschleudert.
Ist im Zentrum der Galaxie kein Gas mehr vorhanden, um neue Sterne zu bilden,
wird der Kern immer diffuser und ärmer an Sternen. "Die neueste Generation von
Computersimulationen der Verschmelzung von Galaxien lieferte uns Vorhersagen,
die tatsächlich gut zu den beobachteten Eigenschaften passen", sagt Jens Thomas,
der auch die dynamischen Modelle beisteuerte. Diese Simulationen beinhalten laut
dem Forscher die Wechselwirkungen zwischen Sternen und einem Paar aus Schwarzen
Löchern.
Die wesentliche Komponente seien aber zwei elliptische Galaxien, die bereits
diffuse Kerne haben. "Die Form des Lichtprofils und die Flugbahnen der Sterne
beinhalten sehr wertvolle Informationen und verraten uns, wie sich der Kern in
dieser Galaxie gebildet hat. Dies lässt sich auch auf andere, sehr massereiche
Galaxien übertragen", sagt Thomas.
Vor dem Hintergrund der ungewöhnlichen Entstehungsgeschichte in einer Kette von
Verschmelzungen konnten die Wissenschaftler eine neue Beziehung zwischen der
Masse des zentralen Schwarzen Lochs und der Oberflächenhelligkeit der Galaxie
Holm 15A herstellen: Mit jeder Verschmelzung gewinnt das Schwarze Loch an Masse,
während das Galaxienzentrum Sterne verliert. Astronomen könnten diese Beziehung
für Massenabschätzungen von Schwarzen Löchern in noch ferneren Galaxien nutzen,
bei denen direkte Messungen der Sternenbewegungen nahe am schwarzen Loch nicht
möglich sind.
Über die Beobachtungen und ihre Analysen berichtet das Team in einem Fachartikel, der in
der Zeitschrift The Astrophysical Journal erschienen ist.
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