Gewaltiges Schwarzes Loch gibt Rätsel auf
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astronomie astronews.com
29. November 2012
Eine Gruppe von Astronomen hat ein Schwarzes Loch entdeckt,
das an den Grundlagen heutiger Modelle der Galaxienentwicklung rüttelt. Mit 17
Milliarden Sonnenmassen ist das Schwarze Loch im Vergleich zur Masse seiner
Heimatgalaxie deutlich massereicher, als es diese Modelle vorhersagen. Die
gewaltige Schwerkraftfalle könnte sogar das massereichste bislang bekannte
Schwarze Loch überhaupt sein.

Aufnahme der Scheibengalaxie NGC 1277 mit dem
Weltraumteleskop Hubble. Das Zentrum dieser
kleinen, abgeflachten Galaxie enthält eines der
massereichsten Schwarzen Löcher, das jemals
gefunden wurde. Mit 17 Milliarden Sonnenmassen
ist das Schwarze Loch für beeindruckende 14
Prozent der Gesamtmasse der Galaxie
verantwortlich.
Bild: NASA / ESA / Andrew C.
Fabian / Remco C. E. van den Bosch (MPIA) |
Nach bestem Wissen der heutigen Astronomen sollte jede Galaxie in ihrer
Zentralregion ein sogenanntes supermassereiches Schwarzes Loch aufweisen: ein
Schwarzes Loch mit einer Masse zwischen einigen hunderttausend und Milliarden
von Sonnenmassen. Das am besten untersuchte Exemplar mit rund vier Millionen
Sonnenmassen befindet sich im Zentrum unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße.
Untersuchungen der Massen von Galaxien und ihrer Schwarzen Löcher haben einen
interessanten Zusammenhang aufgedeckt: eine direkte Verbindung zwischen der
Masse des zentralen Schwarzen Lochs einer Galaxie und der Masse ihrer Sterne.
Typischerweise kommt das Schwarze Loch dabei auf einen winzigen Bruchteil der
Gesamtmasse der Galaxie. Jetzt allerdings wurde bei einer systematischen Suche,
die von dem niederländischen Astronomen Remco van den Bosch vom
Max-Planck-Institut für Astronomie geleitet wird, ein supermassereiches
Schwarzes Loch ausfindig gemacht, das die allgemein akzeptierte Beziehung
zwischen Schwarzloch- und Galaxienmasse aushebeln könnte – eine Beziehung, die
eine wichtige Rolle in allen derzeit gängigen Modellen der Galaxienentwicklung
spielt. Der Fund gelang mithilfe von Beobachtungen mit dem Hobby-Eberly
Telescope und archivierten Bildern des Weltraumteleskops Hubble.
Mit 17 Milliarden Sonnenmassen könnte das neuentdeckte Schwarze Loch im
Zentrum der Scheibengalaxie NGC 1277 sogar das größte überhaupt bekannte
Schwarze Loch sein. Die Masse des derzeitigen Rekordhalters wird auf zwischen 6
und 37 Milliarden Sonnenmassen geschätzt; liegt der wahre Wert am unteren Ende,
bricht NGC 1277 diesen Rekord. Wenn nicht, wäre das Schwarze Loch in NGC 1277
immerhin noch das zweitgrößte bekannte Schwarze Loch. Die große Überraschung
besteht darin, dass die Masse des zentralen Schwarzen Lochs 14 Prozent der
Gesamtmasse von NGC 1277 ausmacht - üblich sind hingegen Werte um etwa 0,1
Prozent. Das schlägt den bisherigen Rekord um einen Faktor von mehr als zehn.
Astronomen hätten ein Schwarzes Loch dieser Größe in einer mindestens zehn Mal
größeren strukturlosen, elliptischen Galaxie erwartet – nicht in einer kleinen
Scheibengalaxie wie NGC 1277.
Ist das überraschend massereiche Schwarze Loch eine seltene Laune der Natur -
eine absolute Ausnahme? Vorläufige Analysen weiterer Daten weisen in eine andere
Richtung: Bis dato hat die Suche von van den Bosch und seinen Kollegen noch fünf
weitere Galaxien zu Tage gefördert, die vergleichsweise klein sind, aber dennoch
ungewöhnlich massereiche zentrale Schwarze Löcher beherbergen dürften. Definitiv
wird sich dies aber erst sagen lassen, wenn detaillierte Abbildungen dieser
Galaxien vorliegen.
Bestätigen sich diese weiteren Fälle und gibt es in der Tat noch mehr
Schwarze Löcher wie das von NGC 1277, dann müssen die Astronomen ihre Modelle
der Galaxienentwicklung grundlegend überdenken. Insbesondere müssen sie dabei
das frühe Universum ins Auge fassen: Die Galaxie NGC 1277 hat sich anscheinend
vor mehr als acht Milliarden Jahren gebildet und seither nicht sehr verändert.
Wie immer dieses gigantische Schwarze Loch entstanden ist – es muss vor langer
Zeit passiert sein.
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