Geschmolzene Gesteinsplaneten sind größer
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Bern astronews.com
14. Oktober 2019
Eine heiße, geschmolzene Erde wäre etwa fünf Prozent größer
als ihr festes Gegenstück. Dies ist das Ergebnis einer jetzt vorgestellten
Studie. Der Unterschied zwischen geschmolzenen und festen Gesteinsplaneten ist
wichtig bei der Suche nach erdähnlichen Welten jenseits unseres Sonnensystems
und für das Verständnis unseres eigenen Planeten.
Künstlerische Darstellung des Inneren eines
heißen, geschmolzenen Gesteinsplaneten.
Bild: Universität Bern, Thibaut Roger [Großansicht] |
Gesteinsplaneten so groß wie die Erde sind für kosmische Maßstäbe klein.
Deshalb ist es ungemein schwierig, sie mit Teleskopen zu entdecken und zu
charakterisieren. Was sind die optimalen Bedingungen, um so kleine Planeten
draußen im All zu finden? "Ein Gesteinsplanet, der heiß und geschmolzen ist und
womöglich eine ausgedehnte Gasatmosphäre besitzt, erfüllt die Kriterien", sagt
Dan Bower, Astrophysiker am Center for Space and Habitability (CSH) der
Universität Bern. Aufgrund der starken Abstrahlung könnten Teleskope einen
solchen Planeten leichter aufspüren als ein festes Pendant.
"Zugegeben, niemand möchte auf einem dieser Planeten Ferien machen", so
Bower. "Aber die Untersuchung dieser Objekte ist wichtig, da viele, wenn nicht
sogar alle Gesteinsplaneten ihr Leben als geschmolzene Brocken beginnen. Einige
davon könnten irgendwann bewohnbar werden wie die Erde." Gesteinsplaneten werden
praktisch aus den Resten der Planetenentstehung gebildet. "Alles, was nicht in
den Zentralstern oder einen Riesenplaneten gelangt, hat das Potenzial, einen
viel kleineren, terrestrischen Planeten zu formen", erläutert Bower: "Wir haben
Grund zur Annahme, dass Prozesse während der Babyjahre eines Planeten für seinen
späteren Lebensweg entscheidend sind."
Daher wollten Bower und ein Team von Post-Docs des Forschungsschwerpunkts
PlanetS die beobachtbaren Charakteristiken eines solchen Planeten aufdecken. Die
Studie zeigt, dass eine geschmolzene Erde einen um etwa fünf Prozent größeren
Radius hätte als eine feste Erde. Denn unter den extremen Bedingungen im
Planeteninneren verhält sich geschmolzenes Material anders als festes. "Im
Wesentlichen nimmt ein geschmolzenes Silikat mehr Volumen ein als der
entsprechende Festkörper, und das macht den Planeten grösser", erklärt Bower.
Bei der Charakterisierung von Exoplaneten außerhalb unseres Sonnensystems und
der Suche nach möglicherweise bewohnbaren Welten zählen die Forschenden der
Universität Bern zur Weltspitze. Einen erdgroßen Gesteinsplaneten bei einem
hellen, sonnenähnlichen Stern wird man allerdings nicht vor dem Start der
Raumsonde PLATO im Jahr 2026 aufspüren. Doch inzwischen interessieren sich die
Forschenden vor allem für Planeten, die kühlere, kleinere Sterne wie die Roten
Zwerge Trappist-1 oder Proxima b umkreisen. Interessanterweise kann eine
fünfprozentige Differenz bei den Planetenradien bereits mit aktuellen und
künftigen Beobachtungsinstrumenten gemessen werden, insbesondere mit dem
Weltraumteleskop CHEOPS, das in Bern entwickelt und zusammengebaut wurde und
noch in diesem Jahr starten wird.
Tatsächlich deuten die neuesten Daten darauf hin, dass geschmolzene Planeten
mit kleiner Masse, deren Temperatur durch das intensive Licht vom Stern über
lange Zeit hoch bleibt, im Katalog der Exoplaneten bereits vorhanden sind.
Einige Exoplaneten könnten also ähnliche Bausteine wie die Erde haben, aber
unterschiedliche Mengen an festem und geschmolzenem Gestein, was die
beobachteten Abweichungen in der Planetengröße erklären würde. "Sie müssen nicht
unbedingt aus exotischen, leichten Materialien bestehen, um die Daten zu
erklären", sagt Bower.
Aber selbst ein völlig geschmolzener Planet bietet möglicherweise keine
Erklärung für die extremsten geringen Dichtewerte, die beobachtet wurden. Doch
auch dafür hat das Forschungsteam einen Vorschlag: In ihrer frühen Entwicklung
können geschmolzene Planeten durch Entgasung von Magma mächtige Atmosphären aus
flüchtigen Bestandteilen bilden, die ursprünglich in der Schmelze gelöst waren.
Dies könnte eine zusätzliche Abnahme der beobachteten Planetendichte erklären.
Das James-Webb-Weltraumteleskop sollte in der Lage sein, eine solche
Atmosphäre auf einem Planeten um einen kühlen Roten Zwergstern zu erkennen, wenn
diese vor allem Wasser oder Kohlendioxid enthält.
Neben den Konsequenzen für die Beobachtungen sieht Bower als
Erdwissenschaftler seine Studie in einem breiteren Kontext: "Unsere eigene Erde
können wir natürlich nicht beobachten, als sie heiß und geschmolzen war. Aber
die Exoplaneten-Forschung eröffnet uns die Möglichkeit, Entsprechungen der
jungen Erde und der jungen Venus aufzuspüren." Das könnte für neue Erkenntnisse
über die Erde und die anderen Planeten in unserem Sonnensystem sehr wichtig
werden. Betrachtet man die Erde im Kontext von Exoplaneten und umgekehrt, bieten
sich neue Möglichkeiten, die Planeten innerhalb und außerhalb des Sonnensystems
zu verstehen.
Über die Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Astronomy & Astrophysics erschienen ist.
|