Preise, Vorträge und immer wieder SOFIA
von Stefan Deiters astronews.com
20. September 2019
Das Flugzeug-Teleskop SOFIA war der unumstrittene Star der
diesjährigen Herbsttagung der Astronomischen Gesellschaft, die heute in
Stuttgart zu Ende gegangen ist. Die zum Infrarot-Teleskop umgebaute Boeing 747
hatte in der Tagungswoche am Stuttgarter Flughafen Station gemacht und Wissenschaft mit SOFIA war
Thema mehrerer Vorträge.
Die
Astrophysikerin Ewine van Dishoeck wurde am
Donnerstag von AG-Präsident Joachim Wambsganß mit
der Karl-Schwarzschild-Medaille ausgezeichnet.
Foto: Stefan Deiters [Großansicht] |
Das Flugzeug-Teleskop SOFIA war bei der diesjährigen Herbsttagung der Astronomischen Gesellschaft (AG)
allgegenwärtig. Das ist keine Überraschung, gehörte doch das Deutsche
SOFIA-Institut zu den Ausrichtern der diesjährigen "AG-Tagung", deren Motto
"Mission to the Universe - From Earth to Planets, Stars & Galaxies" wie üblich
so allgemein gewählt war, dass sich damit praktisch alle relevanten
astronomischen Forschungsbereiche irgendwie unterbringen lassen. Das
Flugzeug-Teleskop SOFIA war auf dem Tagungsplaket prominent vertreten und war
auch immer wieder Thema - in wissenschaftlichen Vorträgen, beim öffentlichen
Abendvortrag am Donnerstag oder auch durch ein spezielles Besuchsprogramm für die Öffentlichkeit, das vom Deutschen
SOFIA-Institut organsiert worden war.
Das Flugzeug-Teleskop hielt sich nämlich während der Tagung in Stuttgart auf
und startete von hier auch zum ersten Forschungsflug über Europa (astronews.com
berichete). Die insgesamt 1500
Tickets für eine Besichtigung von SOFIA waren, so hieß es bei der Eröffnung der
Tagung, innerhalb von wenigen Sekunden vergriffen. Das Interesse der
Öffentlichkeit war also groß, das der Wissenschaftler an der AG-Tagung nicht so
sehr: An der diesjährigen Tagung nahmen nur knapp 250 Wissenschaftler teil, im
Schnitt sind es bei solchen Tagungen mehr als 300. Ein Grund mag gewesen sein,
dass die Universität Stuttgart zwar im Bereich der Luft- und Raumfahrt zu den
führenden Ausbildungsstätten in Deutschland zählt, die Astronomie hier aber
nicht zu den Schwerpunkten zählt, so dass lokale Teilnehmer fehlten.
Traditionell beginnen die Tagungen der AG mit der Verleihung der höchsten
Auszeichnung, die die Astronomie im deutschsprachigen Raum zu vergeben hat: die
Karl-Schwarzschild-Medaille. Bei dieser Tagung wurden praktisch alle Preise
doppelt vergeben, da im letzten Jahr - aufgrund der Generalversammlung der
Internationalen Astronomischen Union in Wien - keine Tagung der Astronomischen
Gesellschaft stattfand. So wurde am Dienstag zunächst der Preisträger des
vergangenen Jahres geehrt: Andrzej Udalski aus Warschau. Er hat sich als Pionier
der sogenannten "Time Domain Astronomy" einen Namen gemacht, bei der schnell
veränderliche Phänomene in der Astronomie untersucht werden. Er ist Leiter des
OGLE-Projekts, mit dem u. a. schon zahlreiche Exoplaneten durch Microlensing
entdeckt wurden.
Die Karl-Schwarzschild-Medaille des Jahres 2019 wurde dann am
Donnerstagmorgen vergeben: Sie ging an die derzeitge Präsidentin der
Internationalen Astronomischen Union Ewine van Dishoeck. Die Astronomische
Gesellschaft hob insbesondere ihre herausragenden wissenschaftlichen Beiträge in
der Submillimeter- und Infrarotastronomie an der Grenze zwischen Astronomie,
Molekularphysik und Chemie hervor. Die Astrophysikerin untersucht die Materie
zwischen den Sternen, also große Gas- und Staubwolken, die die Geburtsstätten
für Sonnensysteme wie unseres sind. Hier hat sie in Theorie und Experiment
gezeigt, wie sich Moleküle in diesen interstellaren Wolken bilden und
entwickeln.
Erstmals 2018 vergeben und in diesem Jahr überreicht wurde der Preis für die
Entwicklung astronomischer Software: Preisträger war Volker Springel, der
mit seinen Computercodes für kosmologische Simulationen auch einer breiteren
Öffentlichkeit bekannt wurde, da Bilder daraus immer wieder in
populärwissenschaftlichen Beiträgen verwendet werden. Zum zweiten Mal wurden der Preis für Instrumenten-Entwicklung verliehen. In
diesem Jahr ging er an drei Wissenschaftler, die ganz erheblich zur
Instrumentierung der Astrometrie-Mission Gaia der ESA beigetragen haben: an Erik
Høg (Kopenhagen, Dänemark), Michael Perryman (Bath, England) und Lennart
Lindegren (Lund, Schweden). Während Lindegren grundlegende Beiträge zur
Datenanalyse und Kalibrierung leistete, waren die beiden anderen Preisträger für
die instrumentelle und operative Entwicklung von Gaia von größter Bedeutung.
Erik Høg, der auch den Preisvortrag hielt, gilt als führender Innovator der
modernen Astrometrie im optischen Spektralbereich.
Mit dem Promotionspreis 2019 zeichnet die Astronomischen Gesellschaft gleich
zwei Nachwuchswissenschaftler aus: Tim Lichtenberg (ETH Zürich, heute Oxford)
und Oliver Friedrich (LMU München, heute Cambridge). Den Promotionspreis für das
Jahr 2018 ging an Pablo Marchant von der Universität Bonn. Seit 1989 zeichnet
die AG zudem herausragende Nachwuchswissenschaftlerinnen und –Wissenschaftler
mit dem Ludwig-Biermann-Förderpreis aus. Der Preis des Jahres 2018 ging an Dr.
Else Starkenburg vom Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP).
Den 2019er
Biermann-Preis erhielt Eduardo Bañados vom MPIA Heidelberg, der allerdings nicht anwesend
sein konnte und seine Urkunde auf der nächsten AG-Tagung erhalten wird. Weiterhin ehrte die AG Johannes V. Feitzinger und Dieter B. Herrmann
mit dem Bruno-H.-Bürgel Preis für ihr hervorragendes Engagement im Bereich der
astronomischen Öffentlichkeitsarbeit.
Neben weiteren Vorträgen im großen Plenum wurde auch diese AG-Tagung von sogenannten Splinter-Treffen
bestimmt. Sie
bieten den Rahmen für Vorträge zu
spezielleren Themen. Sie sind vielfach auch ein
Forum für junge Astronomen, die mit ihren Diplom- und Doktorarbeiten zum ersten
Mal vor ein größeres Fachpublikum treten und so Erfahrungen im Präsentieren von
wissenschaftlichen Ergebnissen sammeln können.
Die Astronomische Gesellschaft wurde 1863 in Heidelberg gegründet und war bis
nach dem Ersten Weltkrieg die einzige größere internationale astronomische
Vereinigung. Diese Rolle übernahm später die Internationale Astronomische
Union (IAU). Heute ist die AG ein Zusammenschluss von Astronomen aus den
deutschsprachigen Ländern und setzt sich verstärkt für die Förderung jüngerer
Wissenschaftler, für die Vernetzung von Astronomen, die Ausbildung von Lehrern und die Öffentlichkeitsarbeit
ein.
Die nächste AG-Tagung wird vom 31. August bis 4. September 2020 in Berlin
stattfinden.
|