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Die fliegende Sternwarte SOFIA ist wieder in Europa und startet morgen von Stuttgart aus zum ersten Wissenschaftsflug über dem Kontinent. SOFIA wird bei ihrem Forschungsflug unter anderem Beobachtungen zu den Themen Schwarze Löcher und Dunkle Energie machen. Parallel dazu findet in der Landeshauptstadt Baden-Württembergs die Herbsttagung der Astronomischen Gesellschaft statt.
Gestern um 4:03 Uhr ist die fliegende Sternwarte SOFIA (Stratosphären Observatorium Für Infrarot-Astronomie) – ein Gemeinschaftsprojekt der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) – auf dem Flughafen Stuttgart gelandet. Von dort aus wird SOFIA morgen um 19:40 Uhr zu ihrem ersten Wissenschaftsflug über Europa abheben und dabei gleich zwölf Länder überqueren. Der Vorteil: Während ihrer Europa-Mission fliegt SOFIA deutlich nördlicher als bei einem Start von ihrer südkalifornischen Heimatbasis in Palmdale. Je näher an den Polen die Infrarotsternwarte fliegt, desto weniger Wasserdampf ist in der Atmosphäre über ihr vorhanden – und desto besser sind die Beobachtungsbedingungen. "Es ist etwas ganz Besonderes, dass die fliegende Sternwarte SOFIA von Stuttgart aus zu ihrem ersten europäischen Wissenschaftsflug antreten wird. Spannende Beobachtungen erwarten die Forscher auf dieser knapp zehnstündigen Forschungsreise", freut sich die Vorstandsvorsitzende des DLR, Prof. Pascale Ehrenfreund. "Die Wissenschaftler an Bord des Flugzeuges erkunden die Umgebung von Schwarzen Löchern und gehen der Frage nach, ob Dunkle Energie unser Universum wirklich immer schneller auseinandertreibt." Vor 50 Jahren betraten nicht nur die ersten Menschen den Mond. 1969 fanden Wissenschaftler der NASA auch – eher zufällig – eine ganz besondere Galaxie. Im Sternbild Großer Bär liegt Markarian 231 (Mrk 231), die rund 600 Millionen Lichtjahre von unserer Erde entfernt ist. Damit ist sie zirka 300-mal weiter entfernt als die Andromeda-Galaxie, die unserer Milchstraße am nächsten liegt. Trotzdem ist Mrk 231 einer der Erde am nächsten gelegenen, extrem hellen aktiven Galaxienkerne. Seine Leuchtkraft im Infrarot-Bereich macht Mrk 231 zu einer der hellsten und bekanntesten ultraleuchtstarken Infrarot-Galaxien.
Um ihr Zentrum kreisen gleich zwei Schwarze Löcher. Eines davon ist mit vier Millionen Sonnenmassen eher klein, das andere mit 150 Millionen Sonnenmassen schon deutlich größer. Für die Umgebung dieser Schwarzen Löcher interessieren sich die Forscher auf dem ersten europäischen SOFIA-Wissenschaftsflug. Denn um sie herum versammelt sich eine Masse aus Gas und Staub – der Staubtorus. Diese Donut-förmige Region befindet sich in jedem aktiven Galaxienkern. Unklar ist aber, welche Rolle sie in der Erzeugung von Radiojets spielen. Diese zwei senkrechten Plasmastrahlen werden von Schwarzen Löchern im Zentrum des aktiven Galaxienkerns gebildet, indem sie Plasma mit Lichtgeschwindigkeit ins All ausblasen. Doch nicht jeder aktive Galaxienkern hat auch diese Radiojets. Das zeigen radioastronomische Beobachtungen. Vorausgegangene Studien mit SOFIA weisen darauf hin, dass das Magnetfeld in diesem staubhaltigen Torus helfen könnte, diese Radiojets auszulösen. Lässt sich die Entstehung der Jets aber tatsächlich auf die Präsenz – beziehungsweise das Ausbleiben – eines Magnetfelds zurückführen? Eine wichtige Frage, auf die Astronomen bislang keine Antwort gefunden haben. Da nur das Ferninfrarot-Instrument HAWC+ (High-resolution Airborne Wide-band Camera) auf SOFIA Magnetfelder in diesem Wellenlängenbereich vermessen kann, möchten die SOFIA-Forscher den Zusammenhang zwischen diesen Feldern und den Radiojets entschlüsseln. Begonnen haben sie mit ihren Beobachtungen zum aktiven Galaxienkern von Cygnus A während eines Fluges über Südkalifornien im Jahr 2018. "Die erste Europa-Mission von SOFIA soll diese Forschung nun fortsetzen, um dieses astronomische Rätsel um die Radiojets endlich zu lösen", sagte Dr. Alessandra Roy, deutsche SOFIA-Projektwissenschaftlerin im DLR Raumfahrtmanagement, welches die fliegende Sternwarte gemeinsam mit der NASA betreibt. Eine weitere Fragestellung des SOFIA-Forschungsflugs über Europa betrifft die Ausdehnung unseres Universums. Es dehnt sich seit dem Urknall kontinuierlich aus, eine Entdeckung, die von Edwin Hubble 1920 gemacht wurde. Doch dann kamen Ende der 1980er-Jahre die nobelpreisgekrönten Astrophysiker Saul Perlmutter, Adam Riess und Brian Schmidt. Sie beobachteten Supernovae vom Typ Ia. Diese Sternenexplosionen als sogenannte kosmische Leuchttürme sind weit sichtbar und immer gleich hell. Damit lassen sich die Entfernungen dieser Sternenexplosionen klar bestimmen: Je heller diese Supernovae Typ Ia erscheinen, desto näher sind sie uns. Bestimmt man nun die Helligkeiten vieler Supernovae, kann man ermitteln, ob sich die Ausdehnung des Universums beschleunigt. Das Ergebnis war überraschend: Die beobachteten Sternenexplosionen waren blasser als erwartet. Damit war für die drei Forscher klar: Das Universum nimmt Fahrt auf und wird mit wachsender Geschwindigkeit von einem rätselhaften, unbekannten Beschleuniger namens Dunkler Energie immer weiter auseinandergetrieben. Doch ist das wirklich so? Liegt die Abnahme der Helligkeit wirklich an einem schnelleren Auseinanderdriften des Universums? Oder hatten die Teleskope vielleicht einfach Staub vor der Linse, der die Helligkeit der Aufnahmen verblassen ließ? "Genau diesen Fragen gehen Forscher aus Austin im US-Bundesstaat Texas nach, indem sie mit dem Instrument HAWC+ auf SOFIA den Staub in den Heimatgalaxien einer Supernovae Typ Ia beobachten. Dafür messen sie den Staubanteil in der Region um die Sternenexplosion herum. Auch das Weltraumteleskop Euclid der europäischen Weltraumorganisation ESA, das im Jahr 2022 starten soll, wird sich auf die Suche nach Dunkler Energie begeben. "Nach diesen Beobachtungen werden wir vielleicht genauer wissen, ob die Ausdehnung des Universums wirklich durch die Dunkle Energie beschleunigt", erklärt Roy, die neben SOFIA auch an der Euclid-Mission beteiligt ist. Insgesamt hat SOFIA für diesen zehnstündigen Flug noch weitere wissenschaftliche Beobachtungen vorgesehen. So nehmen die Astronomen vom Smithsonian Astrophysical Observatory im US-amerikanischen Cambridge auch die Region Serpens South im Sternbild Schlange vom Himmel über Frankreich aus ins Visier – eine Formation extrem junger Sterne. Bei diesen drei bis vier Millionen Jahre jungen Sternen können die Forscher Sternenentstehung fast von ihrem Beginn an verfolgen und mehr über diesen Prozess herausfinden. Die nächste Beobachtung konzentriert sich auf die Sternenformation L 1495 im sogenannten Taurus Filament. Die Forscher der Universität Berkeley wollen dabei herausfinden, welche Rolle die Dynamik von Magnetfeldern auf den Formungsprozess von Filamentwolken hat. "Das wird die längste Einzelbeobachtung von SOFIA auf Ihrem ersten Flug in Europa sein, welche südlich der schwedischen Küste in der Ostsee beginnt und über Polen, Tschechien, Österreich, Slowenien, Kroatien, der Adria, Italien bis kurz vor Sizilien führt", zeigt Clemens Plank, Projektingenieur für SOFIA beim DLR Raumfahrtmanagement, am Flugplan, welcher vorab mit allen europäischen Luftverkehrsbehörden abzustimmen war. Auf dieser spannenden Forschungsreise werden nicht nur Wissenschaftler mit an Bord sein. Ein Team der "Sendung mit der Maus" wird in einer Spezialausgabe "Teleskope und die Infrarotastronomie" dem Mauspublikum Einblicke in den Forschungsflug von SOFIA geben. Außerdem wird ein Preisträger des Forschernachwuchswettbewerbes "Jugend forscht" bei der Europa-Prämiere von SOFIA mitfliegen dürfen. Die Tagung der Astronomischen Gesellschaft, bei der SOFIA natürlich auch Thema ist und die vom Deutschen SOFIA-Institut in Stuttgart organisiert wird, läuft noch bis Freitag. Die 1500 Tickets, die das Deutsche SOFIA-Institut für die Öffentlichkeit zur Besichtigung zur Verfügung gestellt hatte, waren innerhalb weniger Sekunden vergriffen. SOFIA wird auch Thema des im Rahmen der AG-Tagung organisierten öffentlichen Abendvortrags sein, der am Donnerstag, 19. September 2019, stattfindet. Der Vortrag "Blick ins versteckte Universum - Highlights der fliegenden Sternwarte SOFIA" beginnt um 20 Uhr im Evangelischen Bildungszentrum Hospitalhof in Stuttgart.
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