Neuer Hochleistungsrechner für Simulationen
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik astronews.com
5. August 2019
Ein neuer Hochleistungscomputer soll zum ersten Mal ermöglichen,
gleichzeitig Gravitationswellen, Magnetfelder und Neutrinophysik von
Neutronensternen zu simulieren. Auf diese Weise hoffen die Wissenschaftlerinnen
und Wissenschaftler beispielsweise die Signale besser vorhersagen und
analysieren zu können, die von solchen Objekten ausgehen können.
Numerisch-relativistische Simulation zweier
einander umkreisender und verschmelzender
Neutronensterne. Höhere Dichten sind orange
dargestellt, geringere Dichten sind rot
dargestellt.
Bild: K. Kiuchi (Yukawa Institute for
Theoretical Physics, Kyoto University), T. Wada
(National Astronomical Observatory of Japan) [Großansicht] |
Die Abteilung Numerische und Relativistische Astrophysik am
Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut/AEI) in
Potsdam hat einen neuen Großrechner mit 11.600 CPU-Kernen in Betrieb genommen.
Der Hochleistungscluster Sakura bei der Max Planck Computing and Data Facility
(MPCDF) in Garching wird für numerisch-relativistische Simulationen
energiereicher astrophysikalischer Ereignisse eingesetzt.
Wenn Neutronensterne in Supernovae entstehen oder Äonen Jahre später
miteinander verschmelzen, werden große Mengen elektromagnetischer Wellen,
Neutrinos und Gravitationswellen abgestrahlt. Die zugrunde liegenden
astrophysikalischen Prozesse sind bislang nicht gut verstanden und erfordern die
Lösung hochkomplexer, nichtlinearer, partieller Differentialgleichungen. Mit
Sakura wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler physikalisch genaue,
hochauflösende Simulationen durchführen und so verschmelzende
Doppelneutronensterne und die Bildung Schwarzer Löcher besser verstehen.
In der Abteilung Numerische und Relativistische Astrophysik am AEI werden
numerisch-relativistische Simulationen astrophysikalischer Ereignisse berechnet,
die sowohl Gravitationswellen als auch elektromagnetische Strahlung erzeugen.
Dafür werden Einsteins Gleichungen und Gleichungen von Materie in der
allgemeinen Relativitätstheorie auf Hochleistungsrechnern gelöst. Mit diesen
Simulationen lassen sich genaue Gravitationswellenformen für die Suche in den
Detektordaten vorhersagen und hochenergetische Phänomene wie
Gammastrahlenausbrüche und Kilonovae erforschen.
Mit leistungsfähigeren Computern können die Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler kompliziertere Physik berücksichtigen, und so
astrophysikalischen Phänomene detaillierter untersuchen. Eines der ehrgeizigen
Ziele der Forscherinnen und Forscher ist es, eine physikalisch genaue und
hochauflösende Simulation verschmelzender Doppelneutronenstern durchzuführen, um
diesen Vorgang zu verstehen.
"Hochleistungs-Computercluster sind unsere virtuellen Labore", sagt Masaru
Shibata, Direktor der Abteilung Numerische und Relativistische Astrophysik. "Wir
können keine Neutronensterne in einem echten Labor erzeugen, sie verschmelzen
lassen und beobachten, was dabei passiert. Aber wir können vorhersagen, was
während des Zusammenstoßes von zwei Neutronensternen passieren wird. Dafür
berücksichtigen wir alle wichtigen Prozesse und lösen ganz akkurat die
entsprechenden Gleichungen, die ihr Verhalten beschreiben. Diese Berechnungen
erfordern einen enormen Rechenaufwand und dauern oft mehrere Monate lang, auch
auf sehr leistungsfähigen Rechnern. Mit Sakura verfügen wir nun über 11.600
CPU-Kerne mit 0,92 petaFLOP/s Rechenleistung für diese numerischen
Simulationen."
Bei bisherigen Berechnungen gelang es nie, die Auswirkungen von Magnetfeldern
und die Neutrinophysik gleichzeitig in derselben Simulation zu berücksichtigen.
"Abgesehen davon, dass der Code noch weiter entwickelt
werden muss, spielen die Rechenressourcen eine entscheidende Rolle", erklärt
Shibata. "Mit dem
neuen Großrechner sollen Magnetfeldern und Neutrinophysik in unsere Simulationen
einfließen und uns so ein vollständiges Bild der Physik von
Neutronensternverschmelzungen ergeben."
Neben dem neuen
Hochleistungs-Computercluster Sakura (Japanisch für "Kirschblüte") in Garching
betreibt die Abteilung zwei kleinere Rechenserver am AEI in Potsdam: Yamazaki
(das japanische Wort für "Berge") und Tani (auf Japanisch "Tal"). "Wir führen
weniger aufwändige Aufgaben auf kleineren Computern durch", erklärt
Shibata. "Die Computer vor Ort nutzen wir für die Entwicklung der Rechenmethoden
und für Testläufe." Die lokale Infrastruktur wird auch für die Datenanalyse der
im Garchinger Rechenzentrum durchgeführten Simulationen benötigt.
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