Das Geheimnis des fehlenden Wasserstoffs
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Ruhr-Universität Bochum astronews.com
23. Juli 2019
Die Galaxie NGC 1316 ist ein viel beobachtetes Objekt.
Trotzdem gibt sie der Forschung seit 20 Jahren Rätsel auf: Theoretische
Berechnungen besagen nämlich, dass sie viel Wasserstoff enthalten müsste, der
bisher aber nicht nachgewiesen werden konnte. Jetzt wurde der Wasserstoff
gefunden - in zwei langen Filamenten, die von der Galaxie ausgehen.
Der Wasserstoff (grün) um die Galaxie NGC
1316 verteilt sich entlang von zwei Filamenten
nördlich (links) und südlich der Galaxie.
Zusätzliche Klumpen aus Wasserstoff um NGC 1316
sind nicht zwangsläufig Teile der Filamente. Die
Daten des Hintergrundbildes stammen vom Fornax
Deep Survey und wurden mit dem VST-Teleskop der
Europäischen Südsternwarte aufgenommen.
Bild: RUB / ESO [Großansicht] |
NGC 1316 ist Gegenstand des Kartierungsprojekts Meerkat Fornax Survey. Dieses
vom Europäischen Forschungsrat geförderte Projekt basiert auf Beobachtungen mit
dem Meerkat-Teleskop des South African Radio Astronomy Observatory in
Südafrika. Das Teleskop, das aus 64 Radioteleskopen besteht, wurde 2018 in
Betrieb genommen und ist ein Vorläufer des Square Kilometre Array. "NGC 1316 ist
unter Astronomen ein sehr bekanntes Objekt", erzählt Dr. Peter Kamphuis von der
Ruhr-Universität Bochum (RUB), der mit seinem Team an der aktuellen Studie
beteiligt war. "Es ist eine der hellsten Quellen im Radiobereich und das
Lehrbuchexemplar einer Radiogalaxie."
Darüber hinaus ist das Aussehen der Galaxie im optischen Licht sehr
ungewöhnlich. Die irreguläre Form deutet darauf hin, dass die Galaxie vor
einigen Milliarden Jahren erst eine Kollision und danach eine Verschmelzung mit
einer anderen Galaxie hatte. Danach wurden noch weitere kleinen Galaxien
"eingemeindet". "Die Erklärung der Entstehung von Galaxien durch Verschmelzung
von kleineren Vorläufern ist derzeit ein wichtiger Eckpfeiler unserer
kosmologischen Modelle und Theorien", so Kamphuis. "Daher ist der Nachweis von
Galaxien wie NGC 1316 extrem wichtig."
Weiterhin können Astronomen anhand solcher Galaxien den näheren
physikalischen Prozess und Ablauf einer oder mehrerer Verschmelzungen sowie den
Einfluss auf die Galaxienentwicklung studieren. NGC 1316 gibt Astronomen schon
seit 20 Jahren Rätsel auf: Die Zusammensetzung des kalten interstellaren Mediums
der Galaxie ist sehr ungewöhnlich mit einem Anteil von 98 Prozent aus
Wasserstoff und Helium und dem Rest von nur zwei Prozent aus schweren
Staubteilchen.
Das interstellare Medium ist fundamentaler Bestandteil einer Galaxie, welches
beim Kollaps von Riesengaswolken unter ihrer eigenen Masse Sterne bildet. "Bei
NGC 1316 beobachten wir aber einen großen Anteil des interstellaren Mediums in
Staubform", erklärt Prof. Dr. Paolo Serra vom italienischen Istituto Nazionale
di Astrofisica, der Leiter der Studie.
Über die Jahre haben Astronomen entdeckt, dass die Ursache dafür die
Verschmelzung von zwei Galaxien zu NGC 1316 zu sein scheint. Eine der
ursprünglichen Galaxien war gigantisch und hatte ein Defizit an kaltem
interstellaren Medium, die andere war etwa zehnmal kleiner und nicht unähnlich
unserer Milchstraße. Sie besaß viel kalten Staub. So brachte die kleine Galaxie
genug Staub in NGC 1316, um die Beobachtung zu erklären.
"Allerdings sollte die kleine Galaxie auch eine Menge an Wasserstoff
mitgebracht haben, der sich zum System addiert – der wurde aber bisher nicht
gefunden", so Kamphuis. Dieses Rätsel konnten die Forscherinnen und Forscher mit
der aktuellen Studie lösen: "Wir konnten zeigen, dass der Wasserstoff in zwei
langen, sehr schwachen Gasfilamenten verteilt ist, die sehr weit aus der Galaxie
herausragen", erklärt Serra.
Die Menge an Wasserstoff, die das Forscherteam hier mit nur 40 der
Meerkat-Teleskope messen konnte, entspricht derjenigen, die bei der
Verschmelzung einer großen mit einer kleineren milchstraßenähnlichen Galaxie zu
erwarten ist. "Dank der neuen Beobachtungen haben wir alle Puzzleteile
zusammengefügt und haben jetzt eine genauere und kohärente Theorie zur Bildung
von Galaxien", fasst Kamphuis zusammen.
Die Galaxie NGC 1316 ist Teil des kleinen Sternbildes Fornax, auf Deutsch
"Chemischer Ofen", das nur auf der Südhalbkugel sichtbar und vom viel
ausgedehnteren Nachbarsternbild Eridanus umgeben ist. "Fornax beinhaltet nur
einige wenige schwache Sterne und ist damit eine ideale Region um selbst die
entferntesten Galaxien zu beobachten", erklärt Kamphuis. "Die Galaxien des
Fornax-Galaxienhaufens, zu denen NGC 1316 gehört, sind mit nur 60 Millionen
Lichtjahren Entfernung für uns Astronomen aber eher vor der Haustür." NGC 1316
ist die hellste Galaxie des Fornax-Haufens.
Über ihre Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in
der Zeitschrift Astronomy and Astrophysics erschienen ist.
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