Die Oberfläche des Rosetta-Kometen
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
30. April 2019
Während der Rosetta-Mission zum Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko
wurden so viele Daten gewonnen, dass auch zweieinhalb Jahre nach deren Ende neue
Erkenntnisse über den badeentenförmigen Kometen veröffentlicht werden. Daten des
Spektrometers VIRTIS verraten beispielsweise einiges über die schwankende
Oberflächentemperatur auf 67P.
Komet 67P/Churyumov-Gerasimenko, aufgenommen
mit der OSIRIS-Telekamera an Bord von Rosetta am
3. August 2014 aus einer Entfernung von 285
Kilometern. Die Auflösung beträgt 5,3 Meter pro
Bildpunkt.
Bild: ESA/Rosetta/MPS für OSIRIS Team (MPS /
UPD / LAM / IAA / SSO / INTA / UPM / DASP / IDA) [Großansicht] |
Zweieinhalb Jahre sind seit dem Ende der operativen Phase der Mission
Rosetta im September 2016 vergangen. Die wissenschaftliche Auswertung der
Unmengen an Daten der Instrumente auf der Raumsonde und dem Lander Philae
dauert weiter an. In der vergangenen Woche wurden nun neue Erkenntnisse zur
Oberflächentemperatur und thermischen Effekten der "Badeenten-Form" des Kometen
P67/Churyumov-Gerasimenko veröffentlicht, die auf Messungen des Instruments
VIRTIS beruhen. Die deutschen wissenschaftlichen Beiträge zu VIRTIS leitet das
Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).
Das Visible InfraRed and Thermal Imaging Spectrometer (VIRTIS) nahm
an Bord des Rosetta-Orbiters von August bis September 2014
Infrarotbilder des Kometen auf; etwa ein Jahr, bevor der Komet seinen
sonnennächsten Punkt passierte, den sogenannten Perihel. Im betrachteten
Zeitraum war der Komet noch weit von der Sonne entfernt und seine Aktivität war
noch gering. Die Forscher überführten die Bilder in thermische Karten. Die
Temperatur ist der wichtigste Parameter zur Ableitung der für Kometen typischen
Gas- und Staubaktivität.
Zunächst hat das VIRTIS-Team die Durchschnittstemperatur des Kometenkerns auf
seiner Tagesseite gemessen. Während die durchschnittliche Oberflächentemperatur
in den zwei Monaten circa minus 60 Grad Celsius betrug, stießen die
Wissenschaftler auch auf Stellen, die mit etwa minus 43 Grad Celsius deutlich
wärmer waren. Dort war eine Grube, eine Absenkung der Oberfläche, in der die
Innenwände die Wärmestrahlung reflektierten und so zu einer stärkeren Erwärmung
führten, die als Selbsterwärmung bezeichnet wird.
Am "Hals der Ente", der die beiden Hauptteile des Kometen verbindet, wirkt
die Selbsterwärmung ebenfalls. Dort waren die Temperaturen höher als es aus den
Gesetzmäßigkeiten einer Schwarzkörperstrahlung folgen würde. Unter der Annahme
einer staubdominierten Oberfläche mit wenigen Millimetern Dicke und bei
minimaler Sublimation flüchtiger Stoffe ist die Selbsterwärmung auf die
Oberflächenrauigkeit zurückzuführen. Am "Hals" wird die Selbsterwärmung durch
die markante konkave Form verstärkt.
Eine weitere bedeutende Messung betrifft die thermische Belastung durch
plötzliche Schatten, die während der täglichen Sonneneinstrahlung abwechselnd
von den beiden Hauptteilen des Kometen auf dem "Hals" geworfen wurden. Diese
lokalen Abschattungen am "Hals" erzeugten extreme Temperaturunterschiede
innerhalb von nur wenigen Minuten, die das Zehnfache dessen betragen können, was
normale tageszeitliche Variationen der Temperatur in andern Oberflächenbereichen
erreichen.
"Um saisonale Temperatureffekte auf den Kern besser zu untersuchen, haben wir
uns auf eine Region namens Imhotep konzentriert, die relativ glatt und weit vom
'Hals' entfernt ist und wo der Effekt der Selbsterwärmung erheblich geringer
ist", sagt Gabriele Arnold vom DLR-Institut für Planetenforschung. "Hier
verglichen wir die Beobachtungen von VIRTIS mit denen von MIRO, einem weiteren
Instrument an Bord des Rosetta-Orbiters. MIRO erlaubte es, die
Temperatur in größeren Tiefen des Kometen zu messen. Die Beobachtungen beider
Instrumente lassen sich unter der Annahme erklären, dass eine dünne, von losem
Staub dominierte Oberflächenschicht in der Region Imohotep vorhanden ist."
Imhotep wurde auch Monate später beobachtet, als der Komet viel näher an der
Sonne war. Die aus VIRTIS gewonnenen Temperaturwerte waren deutlich höher als
davor, aber geringer als erwartet, wenn man von einer Oberflächenschicht nur aus
losem Staub ausgeht. Dies lässt die Forscher darauf schließen, dass sich die
Zusammensetzung in der obersten Schicht im Laufe der Zeit verändert haben muss.
Die Menge an flüchtigen Bestandteilen in ihr muss zugenommen haben. Dies führte
zu einem erhöhten Sublimationsgrad, und einer stärkeren Aktivität des Kometen.
Die wiederum kann die Oberflächentemperaturen im Vergleich zu einer reinen
Staubschicht senken.
Alle Beobachtungsnachweise deuten auf einen Kometenkern hin, der aus
thermischer Sicht von Phänomenen dominiert wird, die mit der Morphologie und dem
chemischen und physikalischen Zustand der obersten dünnen, nur wenige Zentimeter
dicken Oberflächenschicht verbunden sind. Im Untergrund sollte der Kern im
Wesentlichen noch unverändert und nur schwach von den vorherigen Annäherungen an
die Sonne beeinflusst sein.
Gabriele Arnold resümiert: "Die jetzt publizierten Arbeiten zeigen, dass die
kontinuierliche Auswertung der großen Menge gewonnener Daten selbst Jahre nach
dem Ende der Rosetta-Mission einzigartige Ergebnisse für die
Kometenforschung und die Untersuchung des frühen Sonnensystems liefert".
Über ihre Resultate berichtete das Team in der vergangenen Woche in der
Zeitschrift Nature Astronomy.
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