Die erste molekulare Verbindung im Universum
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
18. April 2019
Das Heliumhydrid-Ion dürfte einer der ersten molekularen
Verbindungen im Universum gewesen sein, trotzdem war es bislang nicht gelungen,
dieses Ion im Weltraum nachzuweisen. Aus Modellrechnungen und
Laboruntersuchungen ist es schon lange bekannt. Jetzt hat das Flugzeugteleskop
SOFIA das Ion auch im All detektiert: in Richtung des Planetarischen Nebels NGC
7027.

Spektrum des Heliumhydrid-Ions HeH+,
beobachtet mit dem GREAT-Instrument an Bord des
Flugzeug-Observatoriums SOFIA in Richtung des
Planetarischen Nebels NGC 7027.
Bild: Komposition: NIESYTO design; Bild NGC
7027: William B. Latter (SIRTF Science Center/Caltech)
und NASA/ESA; Spektrum: Rolf Güsten/MPIfR,
Nature, 18. April 2019 [Großansicht] |
Das Heliumhydrid-Ion, wie HeH+ mit vollem Namen heißt, stellte die
Wissenschaft vor ein Dilemma: Aus Laboruntersuchungen ist es seit fast 100
Jahren bekannt, aber im Weltall war es trotz aufwendiger Suche bisher nicht
aufzufinden. Mit der Folge, dass die damit verbundenen chemischen
Modellrechnungen angezweifelt wurden. Doch einem internationalen Forscherteam
unter der Leitung von Rolf Güsten vom Bonner Max-Planck-Institut für
Radioastronomie ist es nun geglückt, dieses Molekül in Richtung des
Planetarischen Nebels NGC 7027 eindeutig nachzuweisen.
Gelungen ist der Nachweis mithilfe des Ferninfrarot-Spektrometers GREAT an
Bord der fliegenden Sternwarte SOFIA. SOFIA, die Abkürzung steht für
Stratosphären Observatorium für Infrarot-Astronomie, ist ein
Gemeinschaftsprojekt des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und
der US-amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA. "Im vergangenen Jahrzehnt setzte
man große Hoffnungen in die Weltraumobservatorien Spitzer, gestartet
2003, und Herschel, gestartet 2009, aber keines der Teleskope war in
der Lage, dieses Molekül zu detektieren. Mit SOFIA haben wir den Nachweis
erbracht, dass dieses Molekül sich tatsächlich in Planetarischen Nebeln bilden
kann. Derzeit gibt es kein anderes Teleskop, welches in diesen Wellenlängen
beobachten kann. Das macht diese Beobachtungsplattform noch für viele Jahre
einzigartig", sagte Anke Pagels-Kerp, Abteilungsleiterin Extraterrestrik im DLR
Raumfahrtmanagement in Bonn.
In den späten 1970er Jahren deuteten astrochemische Modelle auf die
Möglichkeit hin, dass HeH+ in nachweisbarer Häufigkeit in astrophysikalischen
Nebeln innerhalb unserer Milchstraße vorhanden sein könnte. Es wurde angenommen,
dass es vielleicht am leichtesten in sogenannten Planetarischen Nebeln gefunden
werden könnte, die von sonnenähnlichen Sternen in der letzten Phase ihres
Lebenszyklus ausgestoßen werden. Die energiereiche Strahlung, die dabei vom
Zentralstern erzeugt wird, treibt Ionisationsfronten in die ausgestoßene Hülle.
Genau dort soll sich nach den Modellrechnungen das HeH+-Molekül ausbilden.
Doch trotz seiner unbestrittenen Bedeutung für die Geschichte des frühen
Universums gelang es für lange Zeit nicht, das HeH+-Molekül im interstellaren
Raum aufzufinden. Durch Laboruntersuchungen ist es seit 1925 bekannt, während
die gezielte Suche im Weltall während der vergangenen Jahrzehnte erfolglos
blieb. Das Molekül strahlt am stärksten in einer Spektrallinie bei einer
charakteristischen Wellenlänge von 0,149 mm - entsprechend einer Frequenz von
2,01 Terahertz. Die Erdatmosphäre ist in diesem Wellenlängenbereich komplett
undurchlässig für alle bodengebundenen Observatorien, so dass die Suche entweder
aus dem Weltraum oder mit hochfliegenden Observatorien wie SOFIA erfolgen muss.
In einer Flughöhe von 13 bis 14 Kilometern operiert SOFIA oberhalb der
absorbierenden Schichten der unteren Atmosphäre. "SOFIA bietet die einzigartige
Möglichkeit, jederzeit neueste Technologien einzusetzen. Mit der aktuellen
Weiterentwicklung des deutschen Instruments GREAT wurde dieser Nachweis von
Helium-Hydrid nun ermöglicht. Dies unterstreicht die Wichtigkeit und Chance,
auch in Zukunft neue Instrumente für SOFIA zu entwickeln", erläutert Heinz
Hammes, SOFIA-Projektleiter im DLR Raumfahrtmanagement.
Die herausragende Bedeutung des HeH+-Moleküls ergibt sich aus seiner Rolle
bei der Entstehung des Universums: Ungefähr 300.000 Jahre nach dem Urknall
erfolgte der Beginn aller Chemie. Die Temperatur im noch jungen Universum war zu
diesem Zeitpunkt bereits unter einen Wert von zirka 3700 Grad Celsius gefallen.
Die im Urknall entstandenen Elemente wie Wasserstoff, Helium, Deuterium und
Spuren von Lithium waren zunächst aufgrund der hohen Temperaturen ionisiert. Sie
rekombinierten sich im abkühlenden Universum wieder mit freien Elektronen, um so
die ersten neutralen Atome zu erzeugen.
Zunächst erfolgte dies bei Helium. Zu diesem Zeitpunkt war der Wasserstoff
selbst noch ionisiert und lag in der Form von freien Protonen oder
Wasserstoffkernen vor. Mit ihnen verbanden sich die Heliumatome zum
Heliumhydrid-Ion HeH+, das so zu einer der wohl ersten molekularen Verbindungen
im Universum wurde. Mit fortschreitender Rekombination reagierte das HeH+ mit
den nun vorhandenen neutralen Wasserstoffatomen und bildete so einen Pfad zur
Entstehung von molekularem Wasserstoff und damit dem chemischen Beginn unseres
Universums.
"Mit den jüngsten Fortschritten in der Terahertz-Technologie ist es nun
möglich, hochauflösende Spektroskopie bei den erforderlichen ferninfraroten
Wellenlängen durchzuführen", erklärte Rolf Güsten. Als Ergebnis von Messungen
mit dem GREAT-Spektrometer an Bord der fliegenden Sternwarte SOFIA kann das Team
nun den eindeutigen Nachweis des HeH+-Moleküls in Richtung der Hülle des
Planetarischen Nebels NGC 7027 bekannt geben.
Über die Messungen berichtet das Team in einem Fachartikel, der in Nature
erschienen ist.
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